11. Längtan

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Juni

Patrick

Mein Blick gleitet über die Dächer der Stadt, viel ist heute nicht zu sehen, der Himmel ist grauverhangen und dicke Tropfen prasseln gegen die Panoramascheibe meines Penthouses. Die Berge, die ich sonst bei klarem Wetter gut sehen kann, liegen verborgen hinter tiefhängenden Wolken, alles in allem ein deprimierender Zustand, der aber wunderbar zu meinem momentanen Gemütszustand passt.

Ich liebe die Wärme, die Sonne, im Sommer fühle ich mich am wohlsten, sobald wir weniger als 20 Grad haben, hat es den Anschein, als wenn die Kälte in jeden meiner Knochen dringt und ich nie wieder warm werden würde. Im Winter friere ich dauerhaft und selbst der angepriesene Zwiebellook hilft mir kaum weiter. Ich versuche den Winter so oft wie möglich dort zu verbringen, wo es dauerhaft warm ist und jeden Tag die Sonne scheint, nicht immer ist das möglich, aber für dieses Jahr ist es fest eingeplant.

Meine Gedanken schweifen wie so oft in letzter Zeit zu Sanna ab. Der Vorsatz weniger an sie zu denken, mich auch emotional etwas von ihr zu trennen hat überhaupt nicht geklappt, viel zu oft ist dieser blonde Lockenkopf Teil meiner Gedanken, obwohl sie es mir leicht macht, sie zu vergessen. Ich habe seit einiger Zeit nichts mehr von ihr gehört, seitdem mein Management sich um die Organisation der Ausstellung kümmert, gibt es für mich keinen wirklichen Grund, mich bei ihr zu melden und für sie anscheinend auch nicht, was mich zugegebenermaßen mehr kränkt, als mir lieb ist, ich bin schneller auf dem Abstellgleis gelandet als gedacht. Ja, ich könnte sie einfach anrufen, oft genug habe ich bereits ihren Kontakt in meinem Handy aufgerufen, allerdings möchte ich auch nicht aussehen, wie ein liebeskranker Stalker, wobei ich mir manchmal schon so vorkomme, so oft wie ich mit meinen Gedanken bei ihr bin.

Auch mein Umfeld hat gemerkt, dass ich nicht immer voll bei der Sache bin, die Einzige, die sich bislang getraut hat zu fragen, warum ich mit meinem Kopf dauerhaft in den Wolken stecke, ist meine Schwester. Direkt und klar wie immer, einer der wenigen Personen, der ich das Recht zugestehe immer offen und ehrlich ihre Meinung kundzutun.

„Ruf sie an! Frag ob sie Bock auf einen Kaffee hat und dann fahr hin.", lautete ihre Antwort.

Ja, wenn uns nicht fast 1000 Kilometer trennen würden, wäre das eine ganz normale Frage, aber wie sieht es denn aus, wenn ich nur für einen Kaffee mal eben durch die ganze Republik jette? Auch dafür hatte Maite die perfekte Antwort.

„Es sähe so aus, als ob dir was an ihr liegt. Glaube mir, Frauen stehen auf sowas. Im Grunde unseres Herzens wollen wir doch alle von einem Prinzen auf einem Pferd erobert werden."

Das war der Moment, an dem ich laut losprusten musste, wenn ich mir bei Sanna eins überhaupt nicht vorstellen kann, dann dass sie auf ihren Prinzen wartet, der sie erobert. Und falls doch, so hat er gewiss blonde Locken und ein verschmitztes Surferboy Lächeln. Wenn Maite beleidigt war, so hat sie es nicht gezeigt, mir aber doch ans Herz gelegt, mich bei ihr zu melden. Ganz unverfänglich, hallo sagen, fragen, wie es geht, mich zurück ins Gedächtnis rufen.

Ich reiße mich vom Fenster los, ich sollte mich dringend um meine Fitness kümmern und nicht sinnlos in die Ferne starren, sonst überstehe ich auf der kommenden Tour nicht das erste Lied und liege prustend und zappelnd auf dem Boden. Das wäre für die Fans sicherlich sehr amüsant, bedient aber nicht meinen Perfektionismus. Zum Glück besitzt das Haus einen eigenen Fitnessraum und ein kleines Schwimmbecken, so dass ich mir den Weg in die Öffentlichkeit spare. Manchmal habe ich das Gefühl zum Einsiedler zu werden, was ich aus meiner Zeit im Kloster nur noch zu gut kenne. Es gibt Tage, an denen spreche ich kein einziges Wort, weil es niemanden gibt, mit dem ich mich unterhalten könnte, noch stört es mich nicht, ich weiß aber, dass auch wieder andere Zeiten kommen werden.

PetrichorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt