Teil 51 Sydafrika

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Paddy

Sanna neben mir bewegt sich etwas und zieht so meine Aufmerksamkeit auf sie. Irgendwo über der Sahara ist sie eingeschlafen und macht seitdem keine Anstalten aufzuwachen. Ich versuche mich wieder auf mein Buch zu konzentrieren, was mir leidlich gelingt. Immer wieder schweifen meine Gedanken zum gestrigen Abend, als sie mir erzählt hat, dass Moritz nun eine Freundin hat. Eigentlich sollte nun alles gut sein, meine Eifersucht sich legen, Moritz als potenzieller Nebenbuhler ist Geschichte. Aber ich bin ehrlich, so ganz kann ich dem neuen Glück nicht trauen, es kommt mir alles zu plötzlich. Noch vor ein paar Wochen hat er sich vor Liebe zu Sanna verzehrt und jetzt auf einmal ist all das vergessen und es gibt nur noch Minu für ihn? Was ist Minu eigentlich für ein Möchtegern Name? Sanna hat sich natürlich direkt gestern Abend bei ihm gemeldet, eine gefühlte Ewigkeit haben die Zwei miteinander telefoniert. Minu ist 21, als sie mir das erzählt hat, konnte ich den Hustenanfall kaum zurückhalten. 21, also knapp volljährig, Moritz ist 39, er könnte ihr Vater sein. Sanna hat zu all dem recht wenig gesagt, aber ich habe ihren Blick sehr wohl gesehen, als sie mir das Foto der beiden gezeigt hat. Sie hat sich schnell von mir weggedreht und trotzdem habe ich gesehen, dass sie verletzt ist. Ich hoffe, dass das Thema im Urlaub nicht dauernd auf den Tisch kommt und wir die wenige Zeit, die uns gemeinsam bleibt, genießen können. Zehn Tage klingen auf den ersten Blick viel, aber ich weiß, dass wir uns danach eine ganze Zeit nicht sehen werden können. Ich beginne noch am Tag von Sannas Abreise mit den Dreharbeiten, danach werde ich noch einige Zeit in Südafrika bleiben, um ein neues Video zu drehen und mich mit den unterschiedlichsten Menschen zu treffen. Was danach kommt weiß ich nich gar nicht, es zieht mich wieder ins Kloster, einige Zeit nur für mich und Gott haben, beten, meditieren und zur Ruhe kommen. Aber in meinem Hinterkopf ist da immer Sanna, die ich auch sehen möchte, also vielleicht doch erst eine Stippvisite in Hamburg?

Die Durchsage, dass wir uns gleich in den Landeanflug begeben, durchbricht meine Grübelei, sanft wecke ich Sanna und sage ihr, dass wir uns anschnallen müssen.

„Sind wir schon da? Das ging aber schnell." Mit gerunzelter Stirn wirft sie einen Blick aus dem Fenster.

„Wenn man den halben Flug verschläft Dornröschen, dann geht es natürlich schnell.", erwidere ich lachend und greife nach ihrer Hand. Dass sie Start und Landung nicht besonders mag hat sie mir heute Morgen noch verraten, ich hoffe, dass ihr Rückflug ähnlich ereignislos verläuft wie dieser. „Wenn wir gleich ankommen, dann haben wir noch ein ganzes Stück Autofahrt vor uns. Ein Fahrer erwartet uns am Flughafen und bringt uns dann zum Resort. Ich befürchte, es wird schon dunkel sein, wenn wir dort ankommen. Aber morgen erkunden wir dann die Gegend, versprochen." Ich plappere locker vor mich hin, erfahrungsgemäß lenkt so etwas gut ab und auch Sanna entspannt sich sichtlich. Während der Landung greift sie dann doch nach meiner Hand und drückt sie, so dass ich das Gefühl habe, dass sie mir gleich irgendwelche Knochen bricht.

„Müssen wir gleich am Flughafen vorsichtig sein? Sollen wir Abstand halten?", wispert sie, während um uns herum die Menschen beginnen, hektisch ihr Handgepäck zusammenzusuchen.

„Nein, ich habe Urlaub und den werde ich genießen. Niemand vermutet mich hier, wir können uns also ganz normal benehmen." Ganz normal in der Öffentlichkeit, das gab es in den letzten Monaten nicht, wenn wir in Hamburg unterwegs waren, sind wir immer mit etwas Abstand zueinander gelaufen, haben Körperkontakt, jede Form von Intimität vermieden. Auch wenn wir nicht mehr in den Neunzigern leben und nicht hinter jedem Busch ein Bravo Reporter oder kreischender Fan lauert, so gibt es noch genug Medienblätter, die sich alle zehn Finger nach einer Sensationsstory lecken. Dass in den sozialen Medien immer wieder darüber diskutiert wird, ob ich nicht vielleicht doch schwul sei und all meine Beziehungen nur dazu dienen den Schein der heilen Welt aufrecht zu erhalten, habe ich sehr wohl mitbekommen. Ich äußere mich nicht dazu, nie, das ist ein Grundsatz von mir, mein Privatleben bleibt das, was es ist, nämlich privat. Ich weiß, dass es einigen Kollegen, vor allem aus der glitzernden Schlagerwelt ähnlich geht, ob nun wahr oder unwahr, es geht niemanden etwas an.

PetrichorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt