Teil17 Till sist

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Sanna

In der Küche gehe ich schnurstracks zum Küchenschrank, hole die Flasche mit dem Wodka heraus und genehmige mir einen großen Schluck.

„Äh Sanna? Ich frage jetzt nicht, ob alles okay ist, denn augenscheinlich ist irgendwas. Magst du erzählen was?"

Ich lache trocken und knalle das Schnapsglas auf den Küchentisch, um es noch einmal voll zu füllen, hole aus dem Schrank ein zweites Glas, das ich ebenso wortlos fülle und dem Kelly rüberschiebe. „Auf die Freundschaft!", speie ich hervor und hebe das Glas.

„Ja... Auf die... Freundschaft?"

Der Wodka brennt in der Kehle und lässt mich husten, ich trinke selten Alkohol und so etwas wie Wodka fast nie.

„Moritz zahlt anscheinend seit Monaten keine Miete mehr, unser Konto ist tief in den roten Zahlen und jetzt hat sich unsere Vermieterin gemeldet. Ey, wenn wir wegen diesem Idioten aus der Wohnung fliegen, dann... Dann..."

Der Kelly greift nach meiner Hand, kurz will ich dem Impuls nachgeben, sie wegzuziehen, lasse die vertraute Geste dann doch zu. „So schnell fliegt man doch nicht aus der Wohnung, oder? Und du weißt jetzt Bescheid und kannst das Konto ausgleichen. Das war bestimmt nur ein Versehen, warum sollte Moritz dich mit Absicht hängen lassen?"

Ungläubig starre ich den Kelly an. „Nimmst du Moritz gerade in Schutz? Du? Ausgerechnet?"

„Ich glaube halt gerne an das Gute im Menschen."

„Und ich glaube daran, dass Moritz sein komplettes Geld in diese scheiß Band gesteckt hat. Es ist irgendein Technikkram kaputt gegangen, ich habe mich schon gefragt, wie sie das so schnell ersetzen konnten. Unsere WG Kasse hat er auch geplündert um sich eine neue Gitarre zu kaufen. Ich bin es leid, ich bin es wirklich leid, immer und immer wieder in die Bresche zu springen, um seinen Arsch zu retten."

Ich bin wütend, richtig wütend, so sauer war ich noch nie auf Moritz, er hat schon viel Mist gebaut, aber so weit hat er sich, nein uns noch nie in die Scheiße geritten und im Moment weiß ich noch nicht einmal, ob ich ihn hier in der Wohnung noch ertragen kann.

„Kann ich dir irgendwie helfen?", will der Kelly wissen.

Genervt schüttele ich den Kopf. „Nein, das ist eine Sache zwischen Moritz und mir, das ist nett gemeint, aber da muss er sich selbst wieder herausmanövrieren." Ich ärgere mich auch darüber, dass Moritz mir schon wieder ein Treffen mit dem Kelly kaputt macht, auch wenn es mir schwerfällt, es mir einzugestehen, so würde ich gerne mehr Zeit mit ihm verbringen, um zu sehen, was das ist, das mich so reizt. Er scheint mich ja auch irgendwie zu mögen oder zumindest so interessant zu finden, dass er mir immer wieder eine Chance gibt.

„Hey Sanna, lass dir den Tag nicht von dem Kerl kaputt machen." Als ich seine Hände auf meinen Schultern spüre, wirbele ich herum, nicht erschrocken, aber doch überrascht von der Berührung. Wir stehen uns so nah, dass unsere Nasenspitzen sich fast berühren, unwillkürlich halte ich die Luft an, seine Augen, die so schon ein ungewöhnlich dunkles Blau haben, sind nun so dunkel, wie ein kilometertiefer See. Ich würde gerne über meine eigenen, kitschigen Gedanken die Augen verdrehen, bin aber von seinem Blick gefangen. Ohne noch irgendeine Macht über meinen Körper zu haben, knabbere ich auf meiner Unterlippe, als er seine Hand an meine Wange legt, entfährt mir ein leises Seufzen.

Paddy

Ohne es groß geplant zu haben, ist Sanna mir auf einmal so nah, dass kaum ein Blatt Papier zwischen uns passt. Ihre Augen hängen an meinen und ich wage es kaum zu atmen, aus Angst diesen Moment zu zerstören. Ich meine die Luft knistern zu hören, sanft streiche ich ihr eine vorwitzige Haarsträhne aus dem Gesicht, Sanna knabbert nervös auf der Unterlippe, was mich schmunzeln lässt. Anscheinend bin ich ihr doch nicht so egal, wie ich es befürchtet habe. Mit dem Daumen zeichne ich die Konturen ihrer Lippen nach, suche dabei in ihrem Gesicht nach Ablehnung, werde aber nicht fündig. Dieser Umstand lässt mich mutiger werden, ich überbrücke die letzten Millimeter zwischen uns und lege meine Lippen vorsichtig auf ihre. Ein erschrockenes Keuchen verlässt ihren Mund und sofort ziehe ich mich zurück, mache mich auf das Brennen auf meiner Wange gefasst, dass der schallenden Ohrfeige folgen wird, doch nichts geschieht. „Sanna...", meine Stimme zittert ein wenig, doch ich komme nicht weiter, da jetzt Sanna diejenige ist, die sich vorbeugt und mich küsst. Ein wohliger Schauer jagt über meinen Körper, ich lege meine Hand in ihren Rücken und drücke sie fest an mich. Unser Kuss will gar nicht enden und erst, als ich das Gefühl habe, dass mir die Luft ausgeht, lehne ich mich japsend etwas zurück. Ein breites Grinsen macht sich breit und erleichtert stelle ich fest, auf Sannas Gesicht den gleichen Ausdruck zu erkennen. Ich küsse sie erneut, genieße das Gefühl ihrer Lippen, die so viel weicher sind, als ich es mir erträumt hat. Sacht drücke ich sie gegen den Tisch, meine Hände fahren ihren Rücken hinab, bleiben auf ihrem Po liegen, während sie erst schüchtern, dann mutiger werdend ihrerseits die Hände auf Wanderschaft gehen lässt. Sie ist beim Saum meines Shirts angekommen und kurz halte ich inne, in der Hoffnung, dass sie ihn etwas nach oben schiebt, als mein Handy erbarmungslos zu klingeln beginnt. Abrupt beendet sie den Kuss, obwohl ich sie weiter gegen mich drücke. „Lass das blöde Handy doch klingeln.", murmele ich und will sie küssen, doch energisch schiebt sie mich von sich.

PetrichorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt