Teil 36 Svartsjuka

127 17 13
                                    

Paddy

Besorgt beobachte ich Sanna, die sich vor mir die Treppe zur Wohnung hinaufkämpft. Ich würde ihr gerne helfen, aber ich kann sie schlecht hochtragen. Kaum dass die Wohnungstür hinter uns ins Schloss fällt, sinkt sie zu Boden, schlingt die Hände um die Knie und vergräbt den Kopf in der Armbeuge. Ihr ganzer Körper zittert und ein ersticktes Schluchzen dringt zu mir. Ich setze mich neben sie und lege wortlos meinen Arm um ihre Schulter.

„Es ist ungerecht, es ist so verdammt ungerecht!", kommt es irgendwann unter Schluchzen von ihr. „Till war immer der Vernünftige in der Band, immer der, der nicht getrunken hat, sondern der Fahrer war. Immer der erste im Bett und jetzt..."

„Komm, wir setzen uns aufs Sofa, das ist etwas bequemer." Ich ziehe ihr die Schuhe von den Füßen und helfe ihr auf, bemerke dabei, dass ihr ganzer Körper zittert. „Wann hast du das letzte Mal was gegessen?", frage ich besorgt und registriere, wie sie sich an der Wand abstützt und trotzdem bedrohlich taumelt.

„Keine Ahnung, irgendwann gestern, glaub ich. Welchen Tag haben wir heute denn?" Sie kneift die Augen zusammen, so als müsse sie angestrengt darüber nachdenken, welches Datum heute ist.

„Gut, pass auf, du ziehst dir jetzt was Bequemes an, dann verfrachte ich dich auf das Sofa und koche uns was zu essen."

„Du willst kochen?" Trotz der Trauer mischt sich Unglaube in ihre Stimme. „Brauchst du aber nicht, ich habe eh keinen Hunger, ich werde keinen Bissen hinunter bekommen."

Energisch schüttele ich den Kopf. „Keine Widerrede, du isst etwas, ich habe keine Lust, dass du mir hier umkippst und wenn ich dich so anschaue, dann sind wir davon nicht mehr weit entfernt. Das hatte ich in den 90ern zur Genüge, dass mir die Mädels vor die Füße gefallen sind." Ich verziehe das Gesicht zu einem missglückten Grinsen und mache mich in der Küche auf die Suche nach etwas Essbarem, das ich einigermaßen genießbar hinbekomme. Schließlich verquirle ich einfach ein paar Eier und brate sie mit etwas Tomate und Speck in der Pfanne an, im Brotkasten finde ich noch einige Scheiben Brot, perfekt. Ich reiche Sanna einen Teller mit dampfendem Rührei und ein Glas Wasser, beides nimmt sie zähneknirschend an. „Auch essen, nicht nur spielen!", ordne ich im Befehlston an, als ich sehe, dass sie lustlos das Ei von einem Tellerrand zum anderen schiebt.

„Ich habe wirklich keinen Hunger!", quengelt sie und sieht mich flehend an.

„Komm Sanna, ein paar Bissen, mir zuliebe! Ich weiß, dass es schwer ist, aber dein Körper braucht irgendetwas, aus dem er die Kraft ziehen kann. Du warst den ganzen Tag auf den Beinen, du hast dich die ganze Zeit um andere gekümmert, jetzt ist es an der Zeit, sich um dich zu kümmern." In irgendeinem romantischen Hollywoodstreifen hätte ich jetzt wahrscheinlich die Gabel genommen und Sanna gefüttert, aber das kommt mir dann doch etwas albern vor und zwingen werde ich sie nicht. Widerwillig schiebt sich Sanna einige Gabeln voll Rührei in den Mund, beißt vom Brot ab und trinkt das Glas Wasser aus.

„Mehr geht nicht, wirklich nicht.", murmelt sie. Ich leere schnell meinen eigenen Teller, dann räume ich das Geschirr wortlos in die Küche, um den Abwasch kümmere ich mich morgen, der ist nicht wichtig.

„Magst du erzählen, was passiert ist?", frage ich vorsichtig und breite eine Decke über uns aus.

„Ich... So viel weiß ich gar nicht. Ich hatte Nachtdienst und auf einmal wurde mir Till in den Raum geschoben. Ich wusste gar nicht, dass die Black Thornes wieder in Deutschland sind, ich dachte, sie touren noch in Asien. Laut den Sanitätern gab es Streit und er ist ins Hafenbecken gefallen. Er hatte einen ziemlich hohen Blutalkoholspiegel und anscheinend hat er die Kontrolle über seinen Körper verloren. Und dann... Dann war auf einmal Moritz da, er sah richtig schlecht aus, war abwesend und... Ich dachte erst, dass er betrunken ist, aber... Da war noch was anderes im Spiel..." Nervös beißt sie sich auf die Unterlippe.

PetrichorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt