Teil 22 Fika

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Sanna

Akribisch wische ich über die Marienstatue und betrachte zufrieden mein Werk. Seit zwei Stunden sind wir dabei, die Kirche auf Hochglanz zu bringen, damit zur Eröffnung der Ausstellung in zwei Tagen alles blitzt und blinkt. Obwohl Putzen nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört, bin ich heute über die Ablenkung ganz froh, meine Gedanken schweifen immer wieder zu Moritz und diesen verdammten Kuss. Warum er das getan hat, will sich mir einfach nicht erschließen, er weiß genau, dass ich ihn nicht liebe, zumindest nicht so, wie er mich. Dieser dämliche Kuss bringt alles durcheinander, unsere Freundschaft, die Beziehung zueinander und auch mich, das muss ich mir eingestehen.

„Und er ist jetzt wo?" Schwungvoll befördert Anna einen Berg leerer Teelichte in den Mülleimer, mit einem leisen Klacken landen sie auf dem Boden des Eimers.

„Wer? Moritz? Der weilt in Berlin, auf dem Sprung zur Weltkarriere, beziehungsweise der ersten Etappe Asien. Gestern war er nochmal da, musste aber abends wieder zurück."

„Eigentlich meinte ich deinen Kelly, aber danke für das Update von Moritz." Anna zwinkert mir verschwörerisch zu, das ganze Drama der letzten Zeit habe ich ihr verschwiegen, ich kann mir gut vorstellen, was sie dazu zu sagen hätte.

„Ach so... Keine Ahnung, irgendwo in Deutschland. Er hat mir bestimmt gesagt wo, aber ich habe es vergessen."

„Ist das nicht furchtbar frustrierend? Ich meine, vor allem am Anfang will man doch die ganze Zeit mit seinem Partner zusammen sein, sich kennenlernen und Zeit miteinander verbringen."

Genervt rolle ich mit den Augen. „Ja, ja, streu nur noch mehr Salz in die Wunde.", grummele ich und scheuere auf einem imaginären Fleck am Boden herum. „Ich habe mir das so nicht ausgesucht, aber Arbeit ist Arbeit, das kennst du doch auch zur Genüge, Thomas gondelt doch auch wieder in der Weltgeschichte herum und schafft es oft genug noch nicht einmal am Wochenende den Weg nach Hause zu finden." Ich weiß, dass es ziemlich fies ist, aber mir geht diese Fragerei echt auf die Nerven, ich fühle mich durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Auch Neelia hat gestern Abend am Telefon gebohrt und gebohrt, ob ich denn gar nicht eifersüchtig sei und ihn nicht vermissen würde.

„Sorry!", nuschelt Anna und wirft seufzend den Staublappen auf eine der Bänke. „Würzburg, Thomas ist diese Woche in Würzburg. Und am Wochenende in Nütschau im Kloster, irgendein Workshop und nächste Woche ist er in Bonn im Headquarter. Manchmal frage ich mich schon, warum ich überhaupt verheiratet bin."

„Wie schaffst du das?" Ich schiebe mich in die Bankreihe und greife in das kleine Körbchen, das Schwester Meinhardis uns vorhin mitgegeben hat. „Oh, Kuchen.", rufe ich erfreut aus und reiche Anna ein Stück des Käsekuchens. „Und Kaffee, die Schwestern sind so gut zu uns."

„Wie ich das schaffe? Ich habe Strukturen und mittlerweile ist es auch einfacher geworden, schlimm war es, als die Kinder noch klein waren, Paul war ja erst knapp anderthalb als Liesi geboren wurde, mir ging es damals überhaupt nicht gut und wir waren erst frisch nach Hamburg gezogen und ich hatte hier überhaupt kein soziales Netzwerk. Also rückblickend war das einfach eine blöde Zeit. Die Kinder kennen es ja gar nicht anders, als dass ihr Papa einen Großteil der Woche nicht da ist, und mittlerweile sind sie einfach auch schon groß. Manchmal genieße ich seine Abwesenheit aber auch, es gibt niemanden, der mir reinredet ich kann tun und lassen, was ich will und die gemeinsame Zeit ist immer sehr wertvoll."

„Das klingt bei dir alles so einfach, ich hoffe, dass es sich bei uns auch irgendwann einpendelt. Und das Kinderthema hat sich ja eh erledigt."

Überrascht sieht Anna mich an. „Warum?"

„Ich will keine, Punkt aus Ende!" Kinder sind für mich kein Thema, waren sie noch nie, selbst die kleinen Neugeborenen auf der Station konnten mich nicht vom Gegenteil überzeugen. Um eine unnötige Diskussion zu umgehen, stehe ich auf und verteile frische Tischdecken auf dem Altar. Bereits als Teenie habe ich meinen Eltern meine Entscheidung verkündet, in den ersten Jahren haben sie diese noch belächelt, irgendwann aber wohl akzeptiert, mittlerweile bin ich Ende 30 und niemand rechnet von meiner Seite aus noch mit Nachwuchs. Und auch ein Kelly wird mich nicht dazu bringen, meine Meinung zu ändern, mir fehlen einfach irgendwie die mütterlichen Gene, auch meine Nichten und Neffen finde ich eher anstrengend und nicht so süß.

PetrichorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt