-Kapitel 17-

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-April-

Die letzte Woche war unglaublich anstrengend gewesen. Zwischen der intensiven Arbeit in der Werkstatt und den ständigen Schlafproblemen fühlte ich mich völlig ausgelaugt. Tagsüber, vor allem wenn andere Menschen um mich waren, schien es mir ganz okay zu gehen. Doch sobald ich alleine war, überfielen mich diese verfluchten Erinnerungen erneut. Die Kontrolle darüber zu behalten, schien unmöglich, es geschah einfach. Ich verfluchte mich selbst dafür. Die Therapiesitzungen halfen auch nicht wirklich. Schon mit Kiyoshi, meinem besten Freund und wahrscheinlich der einzigen Person, der ich bedingungslos vertraute, fiel es mir schwer darüber zu sprechen. Wie sollte ich dann jemals einem völlig Fremden solche Dinge anvertrauen? 

Ich saß an meinem Schreibtisch in der Werkstatt und versuchte, alles nachzuholen, was ich in den letzten Tagen verpasst hatte. Plötzlich hörte ich die Tür der Werkstatt öffnen. Ich dachte, es sei Mei und wandte meinen Blick nicht ab, während ich ein müdes "Hallo" murmelte. Erst als ich eine Berührung auf meiner Schulter spürte, sah ich auf und traf auf den besorgten Blick von Kiyoshi. Ich zwang meine Müdigkeit beiseite und sah ihn verwirrt an, während ich fragte "Hey, was machst du hier?" "Ich habe gerade Pause und wollte nachsehen, wie es dir geht", antwortete er und betrachtete mich weiterhin besorgt. "Mir geht es gut", log ich, doch Kiyoshi erkannte meine Lüge sofort. "Wie lange hast du heute geschlafen?" Ich zögerte einen Moment, bevor ich widerwillig zugab "Vielleicht eineinhalb Stunden." Ein besorgter Seufzer entkam Kiyoshi, und er sagte "Bitte, April, du brauchst Hilfe." Ich erwiderte "Ich gehe doch zu einem Therapeuten." Kiyoshi sah mich ernst an und argumentierte "Du gehst zu einem Schultherapeuten. Du brauchst jemanden, der sich auf solche Fälle spezialisiert hat. Bitte rede mit Herrn Aizawa oder deinem Klassenlehrer." Seine flehenden Worte durchdrangen mich, doch ich sträubte mich. Wir diskutierten noch eine Weile, bis Kiyoshi schließlich nachgab. Er warf einen Blick auf die Uhr und meinte "Entschuldige, ich muss zurück in meine Klasse. Wir sehen uns später, ja?" Ich nickte lediglich und kehrte wieder meiner Arbeit zurück. 

-Katsuki-

Die letzte Unterrichtsstunde für heute, und das Klingeln läutete das Ende ein. Ich packte meine Sachen zusammen, wie alle anderen auch, und machte mich auf den Weg aus dem Klassenzimmer. Doch Kiyoshi stoppte mich mit der Frage "Kann ich kurz mit dir reden?" Ausnahmsweise war ich erleichtert, dass ich vor einigen Jahren begonnen hatte, Zeichensprache zu erlernen. "Ja, okay. Worum geht's?" fragte ich mit einem leicht genervten Blick. Ich hätte jetzt wirklich gern Zeit für mich. Kiyoshi sagte nichts weiter, sondern deutete nur darauf, ihm zu folgen. Ich unterdrückte ein genervtes Seufzen, denn in seinem Gesicht erkannte ich, dass es wohl wichtig war. Also folgte ich ihm. 

Wir gingen in einen abgelegeneren Flur, und ich fragte "Na, was wolltest du mir sagen?" Kiyoshi seufzte und erklärte "Es geht um April." Mein Interesse war geweckt, da sein besorgter Ausdruck nichts Gutes verhieß. "Sie wird mich wahrscheinlich umbringen, weil ich das hier sage, aber ich bin verzweifelt." Ungeduld machte sich in mir breit, und ich sagte mit einem genervten Blick "Komm zur Sache." Ich merkte, dass ich unhöflich geworden war, und fügte ein gequältes "Bitte" hinzu. Kiyoshi nickte und begann "Sie schläft kaum seit sie wieder zurück ist. Sie hat mir erzählt, dass jedes Mal, wenn sie die Augen schließt, diese Bilder der Schurken hochkommen und sie in Panik gerät." Ich wurde etwas besorgt, und ich fragte "Warum erzählst du das mir? Sollten wir nicht besser zu Aizawa gehen?" Er schüttelte den Kopf und sagte "Nein, ich möchte das nicht hinter ihrem Rücken tun. Es ist schon schlimm genug, dass ich mit dir darüber spreche. Und warum ich es dir erzähle? Sie vertraut dir in gewisser Weise, und du hast auch als Geisel bei den Schurken gelitten. Du bist wahrscheinlich der Einzige von uns, der zumindest ansatzweise nachempfinden kann, wie es ihr geht." Seine Argumentation leuchtete mir ein. "Okay, und was erwartest du von mir?" "Sprich mit ihr, versuche, dass sie sich öffnet", bat er mich verzweifelt. Ich war skeptisch und meinte "Ich weiß nicht, ich bin nicht gerade der Beste darin, mich mit Emotionen und so einem Kram auseinanderzusetzen." "Bitte, ich flehe dich an, versuche es wenigstens. Sie ist meine beste Freundin, und es tut weh, sie so zu sehen", flehte Kiyoshi. Ich seufzte und stimmte schließlich zu "In Ordnung, ich werde es versuchen. Ich gehe heute Abend zu ihr." Er atmete sichtlich erleichtert aus und bedankte sich bei mir. Dann gingen wir zurück zu den Wohnhäusern. 

-...-

Der Rest des Tages verlief unspektakulär. Wir kehrten zurück ins Wohnhaus, erledigten Hausaufgaben, aßen etwas und gingen dann jeder seiner Wege. Mir fiel jedoch auf, dass April den ganzen Tag über in ihrem Zimmer war und dortblieb. 

Es wurde allmählich spät, und ich klopfte an ihre Tür. Es dauerte eine Weile, bis sie öffnete, und als sie es tat, sah ich, wie sie zitterte und schwer atmete. "Oh, Katsuki, was gibt's?" fragte sie mit einem gezwungenen Lächeln, das ich sofort durchschaute. Ohne zu zögern, zog ich sie in eine sanfte Umarmung. Ihr Lächeln verschwand sofort, und als sie mich zurück umarmte, kamen ihr leise Tränen. Ich führte sie zurück in ihr Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Ich setzte sie auf ihr Bett und ließ sie los. Ich wischte sanft ihre Tränen ab und sagte mit ruhiger Stimme "Hey, alles wird gut. Du bist sicher." Nach ein paar Minuten beruhigte sie sich wieder, und ich fragte "Möchtest du darüber sprechen?" Sie schüttelte den Kopf. Ich setzte mich neben sie aufs Bett und strich ihr beruhigend über den Rücken. Sie atmete einige Male tief ein und gestand dann zögerlich "Ich habe ständig diese Bilder im Kopf. Von... von der Entführung und allem anderen." Ich schwieg und hörte einfach zu. "Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich sie, und die Angst überkommt mich. Ich habe Angst zu schlafen oder alleine zu sein, weil die Bilder immer wieder auftauchen. Ich fühle mich so schwach." Ihr letzter Satz überraschte mich, und ich hob ihr Kinn an, um mich anzusehen "Du bist das alles, aber sicher nicht schwach. Wenn jemand schwach wäre, hätte er nicht so standhaft widerstanden und durchgehalten." "Aber ich konnte doch nichts tun", widersprach sie und sah mich an. "Ich auch nicht. Glaubst du, es war leicht für mich, immer wieder zu hören, wie sie dir wehtun, ohne etwas dagegen tun zu können? Ich weiß, wie du dich fühlst." Sie nickte auf meine Worte hin, und ich sah, wie erneut eine Träne ihre Wange hinabrollte. Ich umarmte sie erneut und lehnte mich gegen das Bettgestell, sodass ihr Kopf auf meiner Brust lag. 

Nach einer Weile spürte ich, wie sie allmählich ruhiger wurde und sich entspannte. Ich blickte auf sie hinab und bemerkte, dass sie kurz vor dem Einschlafen war. Ich strich ein paar Mal sanft über ihre Haare und hörte noch ein leises "Danke, Katsuki", bevor sie einschlief. Ich blieb noch eine Weile so liegen. Eigentlich hatte ich vor, aufzustehen und wieder zu gehen, doch da April halbwegs auf meiner Brust lag, wollte ich sie nicht aufwecken, indem ich mich zu viel bewege. Sie brauchte diesen Schlaf jetzt. So blieb ich liegen und spürte allmählich selbst die Müdigkeit, bis auch ich einschlief. 

Was machst du mit mir ! (Bakugou x OC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt