Kapitel 5

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Der Fremde nimmt eine Schotterstraße Richtung Wald. Ich habe keine Ahnung, wohin er fährt, aber es ist wenigstens die richtige Richtung.
Meine Beine zittern noch immer, was nicht nur von der nassen Hose kommt.
Als ich in den Seitenspiegel blicke, wird mir klar, dass meine Bluse durch den Regen durchsichtig geworden ist. Und doch ist das keine Entschuldigung für Belästigung.

Als mir klar wird, dass der Mann jede meiner Bewegungen aus dem Augenwinkel verfolgt, Schlinge ich die Lederjacke fest um mich.
Ich lehne den Kopf an die Nackenstütze und schließe für einen Moment die Augen.
Der Tag war bereits nervenaufreibend genug und dabei bin ich noch gar nicht an meinem neuen Arbeitsplatz angekommen.

Ich öffne die Augen wieder und werfe einen Blick auf meine Armbanduhr.
Verdammt, schon halb fünf.
Jetzt komme ich auch noch zu spät.
Ich drehe mich wider zu dem Mann hinter dem Lenkrad.
Er hat die Kapuze abgestreift. Dunkle Haarsträhnen fallen ihm in die ebenso schwarzen Augen. Über die linke Wange ziert sich eine Narbe. Das Gesicht ist kantig, seine Wangen sind glatt rasiert, die Kiefermuskulatur angespannt.
Er sieht gut aus, aber scheint angespannt zu sein. Seine Finger umklammern das Lenkrad so stark, dass die Knöchel weiß hervortreten.

"Könnten sie mich vielleicht auf dem Weg absetzten?", frage ich zaghaft.
Erst denke ich, er hat mich nicht verstanden, dann dreht er doch den Kopf und sieht mich direkt an.
Seine Augen scheinen direkt in meine Seele schauen zu können.
Ich will den Blick abwenden, aber seiner hält mich gefangen.
"Das dürfte nicht nötig sein", seine Stimme ist noch immer rau, aber viel sanfter als in der Kneipe.
Ich sehe ihn fragend an, aber er konzentriert sich schon wieder auf die Fahrbahn.
"Danke, wegen vorhin", murmle ich leise.
Ich blicke auf meine Füße, spüre aber seinen Blick, der kurz auf mir liegt.
Hitze steigt mir in die Wangen.
"Das war doch selbstverständlich"
Ich schaue nun doch zu ihm hinüber.
"Die anderen Männer haben mir nicht geholfen, sie schon", wieder ist da dieses leise Zittern in meiner Stimme. Es kommt jedoch dieses Mal von der Kälte der nassen Sachen.
"Ist dir kalt?", fragt er besorgt.
Ich zucke mit den Schultern, gleich darauf niese ich.
Er lenkt den Wagen auf den Seitenstreifen und steigt aus.
Ich tue es ihm gleich.
Es hat aufgehört zu regnen, aber der kalte Wind lässt mich frösteln.
Hinten im Kofferraum stehen die drei Umzugskartons mit meinen Sachen.
Wie sie dorthin gekommen sind, kann ich mir beim besten Willen nicht erklären.

Der Mann wühlt in dem mit meinen Anziehsachen herum und verzieht unglücklich das Gesicht.
"Alles nass", sagt er leise zu sich selbst. Er blickt mich kurz an. Fährt mit den Augen an meinem Körper hinunter.
Dann seufzt er und zieht sich in einem Schwung den Kapuzenpullover über die Schultern.
Er trägt nicht darunter.

Trotz des wolkenverhangenen Himmeln kann ich deutlich den muskulösen Oberkörper erkennen.
Mit der einen Hand hält er das Kleidungsstück fest, mit der anderen holt er vom Rücksitz eine Decke.
"Gib mir die Lederjacke", weißt er mich an.
Ich bin zu verblüfft, um mich zu widersetzten.
"Was-", fange ich an, werde jedoch unterbrochen.
"Zieh das nasse Zeug aus und den Pullover an"
Ich stehe einen Moment reglos da.
Will er Allen Ernstes, dass ich mich hier vor ihm umziehe.
"Aber...", fange ich an, jedoch weiß ich nicht was ich sagen soll.
Er faltet in der Zwischenzeit die Decke auf und hält sie in die Höhe.
Erst jetzt verstehe ich, was er damit bezweckt.
Er schirmt mich von der Fahrbahn und ihm selbst ab, sodass ich mich in Ruhe umziehen kann.
"Sag bescheid, wenn du fertig bist"
Ich atme tief durch, bevor ich meine Bluse aufknöpfe und ausziehe.
Der BH ist ebenso feucht, trotzdem fühlt es sich seltsam an ihn auszuziehen, aber was bleibt mir für eine andere Wahl.
Ich öffne ihn und hoffe, dass keiner sehen kann, wir ich mit entblößter Brust am Rand einer Straße mitten im Wald stehe, während jemand eine Decke vor mich hält.

Zuletzt streife ich noch meine Jeans herunter, sie schmerzhaft über meine Beine reibt.
Fast vollständig unbekleidet stehe ich nun da.
"Könnte ich den Pullover haben?", Frage ich leise.
Die Decke rutsch auf der einen Seite etwas nach unten und die behandschuhte Hand reicht mir das Kleidungsstück.
"Danke", flüstere ich kaum hörbar.
Schnell ziehe ich ihn über. Glücklicherweise reicht mir der Stoff bis über den halben Oberschenkel.
Mit meinen Sachen in der Hand trete ich hinter der Decke hervor.

Er mustert mich kurz, nickt und wendet sich dann ab.
Als ich wieder einsteigen, nimmt der mir die Klamotten ab und verstaut sie hinten im Wagen.
Dann legt er mir die Decke auf den Schoß und fährt weiter.
Die Minuten kriechen dahin, aber die Fahrt ist jetzt, wo ich nicht mehr friere wesentlich angenehmer.
Das Auto wird langsamer, als vor uns plötzlich ein großes, schwarzes Eisentor auftaucht.
Dahinter zeichnet sich ein herrschaftliches Haus ab. Es liegt im Schatten, aber die Umrisse sind deutlich zu erkennen.

Ich drehe mich zu ihm.
"Ich müsste zu einem Haus, das hier in der nähe ist. In meiner Hose ist mein Handy mit der Adresse. Könnten sie mich dort vielleicht absetzten"
"Das ist alles richtig so", sagt er jedoch nur und fährt weiter.
"Nein, ich bin hier leider falsch", versuche ich ihn aufmerksam zu machen.
Ich bin jetzt schon viel zu spät.
Das wird keinen guten ersten Eindruck machen.
"Du bist hier genau richtig, Raven", sagt er und da öffnet sich auch schon das Tor vor uns.


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