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Als es soweit war war Mandy losgerannt. Doch dieses Mal hatte sie sich eine andere Strategie ausgedacht. Sie würde nicht blindlings einfach nur losrennen. Nein, sie musste geschickt vorgehen. Erstmal war sie etwas gerannt und dann war sie links den Gang entlang und hatte sich ins Gebüsch gedrückt. Die Äste zerkratzten ihr Gesicht und ihre Arme. Doch sie blieb still. Und es dauerte nicht lange da stampfte der Kunde an ihr vorbei. Sie hielt den Atem an. Er ging an sie vorbei die Augen immer noch voller Wahnsinn. Mandy wartete eine ganze Zeit. Dann wagte sie sich heraus. Langsam und lauschend lief sie weiter. Sie hatte Angst, aber sie wollte es wenigstens versuchen. Versuchen den Weg der Freiheit zu finden. Sie lief Kreuz und quer und einmal stand sie vor einer Sackgasse. Scheiße! Sie blickte sich um und lauschte. Doch es war nichts zu hören. Vorsichtig ging sie wieder zurück und nahm den anderen Weg. Als sie wieder vor einer Gabelung stand hörte sie ein Geräusch. Schnell huschte sie in den rechten Gang und versteckte sich im Gebüsch. Hier waren noch mehr Dornen und Mandy musste ein Stöhnen unterdrücken. Wieder bohrten sich die Dornen in ihr Fleisch. Doch sie versuchte ruhig zu bleiben, denn gerade war der Kunde aufgetaucht und schaute um sie herum. "Wo bist du du Schlampe? Denkst wohl du kannst dich verstecken? Ich kriege dich schon und dann blüht dir etwas schönes." Mandy zitterte. Hoffentlich würde sie es schaffen! Aber sie wusste ja nicht mal wo sie war. Was ist wenn sie ihn gleich in die Arme lief? Sie wartete wieder eine ganze Zeit dann ging sie zurück zur Gabelung und nahm den linken Gang. Sie rannte hin und her. Sie trat nochmals in zwei Sackgassen. Was war das für ein verflixtes Labyrinth? Tränen schossen in ihre Augen und sie wischte sie schnell weg, damit sie etwas erkennen konnte. Plötzlich sah sie an der nächsten Gabelung einen Weg, der geradeaus führte. Sie schaute sich um und lief geradeaus. Dieser Weg war matschig und viel Gestrüpp peitschte ihr ins Gesicht, aber Mandy hatte das Gefühl, dass sie weiter laufen sollte. Also lief sie immer tiefer hinein. Sie war erschöpft und von irgendwo hörte sie einen grellen Pfiff und einen wütenden Schrei. Mandy erschrak. War die Zeit schon abgelaufen? Aber der Kunde hatte sie noch nicht gefunden! War das gut oder schlecht? Sie blieb kurz stehen um zu verschnaufen. Sie war fix und fertig. Hatte sie sich verirrt? Es war schon dunkler geworden. Sie lauschte eine ganze Zeit aber es war still. Nur hörte sie ab und an Vögel zwitschern. Sie lief weiter. Der Weg wurde steinig und zweimal stürzte Mandy hin und schlug sich die Knie blutig. Ich will hier doch nur raus! Bitte lass mich doch hier raus! Wieder weinte sie. Blindlings lief sie um her. Es war schon ziemlich dunkel geworden und dann sah sie etwas helles aufleuchten. Ganz schwach. Sie ging weiter und als sie das Licht erreicht hatte, stand sie vor einer Straßenlaterne. Sie blickte sich um. Das Labyrinth war hier zu Ende. Vor ihr erstreckte sich eine Straße. Mandy ging über die Straße und versteckte sich ins nächstliegende Gebüsch. Hatte sie es wirklich geschafft? Sie wollte nicht zu früh hoffen. Sie ging durch das Gebüsch und stolperte irgendwann auf eine Lichtung. Vor ihr erstreckte sich ein kleines Dorf. Mandy rannte darauf zu. Sie kam zu einer Bushaltestelle und studierte den Busplan. Diese ganzen Städte sagten ihr nichts aber sie wollte einfach nur hier weg. Als wenig später ein Bus hielt stiegen einige Menschen aus. Sie stieg ein und wandte sich an den Busfahrer. "Bis wohin fahren Sie?" Er schaute sie misstrauisch an dann antwortete er mürrisch: "Richtung Bahnhof. Wollen Sie nun mit oder nicht?" "Ja. Wie teuer ist denn ein Ticket?" Er blickte sie von oben bis unten an. Mandy schluckte. Sie hatte kein Geld dabei. "Sie sehen so aus als hätten Sie kein Geld dabei." Mandy erschrak und wurde blass. Würde er sie jetzt rausschmeißen? Der Busfahrer schaute auf die Uhr, dann zischte er: "Setz dich einfach hin Mädel." Mandy sah ihn überrascht an, dann huschte sie auf einen Platz bevor er es sich anders überlegte. Als sie saß, fuhr der Bus los. Mandy atmete heftig. Sie hatte es geschafft! Sie war aus diesem Labyrinth geflohen! Sie war entkommen! Hoffentlich fanden sie sie nicht! Sie wusste natürlich nicht wo sie sich befand, aber irgendetwas musste sie ja tun. Und vielleicht fand sie eine Möglichkeit, wenn sie beim Bahnhof war? Sie seufzte. Gedankenverloren schaute sie aus dem Fenster. Irgendwann waren sie angekommen. Alle verließen den Bus. Mandy stand auch auf und drehte sich nochmal zum Busfahrer um. "Danke dass ich mitfahren durfte." Er drehte sich um und sah sie an. "Wo willst du eigentlich hin?" "Nach Hause." Er musterte sie. "Du kommst nicht von hier oder?" "Nein. Ich weiß nicht mal wo ich hier bin." Der Busfahrer schwieg und sah sie stirnrunzelnd an. Mandy nickte ihm zu, dann steuerte sie auf den Ausgang. Kalte Luft kam ihr entgegen. Sie stieg aus dem Bus und lief zu den Fahrplänen. Dort wurden verschiedene Züge angezeigt. Aber niemand fuhr in eine bekannte Richtung. Mandy seufzte erneut. Das kann doch nicht wahr sein! Irgendwie musste sie doch hier rauskommen! Sie ging weiter zu anderen Bahngleisen. Plötzlich stand der Busfahrer wieder vor ihr. Er kam gerade aus der Bahnhofstoilette heraus. Abrupt blieb er stehen. "Hast du dich verlaufen?" Mandy schüttelte den Kopf. Sie lief weiter und erreichte einen anderen Bahnsteig. Dort war es dunkler und sie musste ihre Augen anstrengen um etwas lesen zu können. Hier stand dass ein Zug nach einer Stadt fuhr, die Mandy bekannt vorkam. Dort wohnte ihre Tante! Aber wie sollte sie ohne Ticket mit dem Zug fahren? Sie schaute sich suchend auf dem Boden um, konnte aber nichts erkennen. Plötzlich stieß sie mit jemanden zusammen. Ihr Herz pochte wild vor Angst, aber es war nur wieder der Busfahrer. "Verfolgen Sie mich?" Er leuchtete mit einer Taschenlampe, sodass es nicht mehr ganz so dunkel war. "Ich habe nur geschaut, was du so treibst. Suchst du etwas?" "Ja. Geld." "Hast du dein Geld verloren?" "Nein. Ich brauche Geld." Der Busfahrer sah sie wieder stirnrunzelnd an. "Ich bin keine Prostituierte wenn sie das meinen, ich möchte einfach nur nach Hause!" Mandy stand den Tränen nahe. Das war alles nur ein Alptraum! Wieso half ihr denn keiner?! "Welchen Zug musst du denn nehmen?" "Ich weiß nicht. Vielleicht den Richtung Schwarzburg. Die anderen Städte sagen mir nichts." "Wo kommst du denn her?" "Hinningen." "Hm das sagt mir was. Das ist aber sehr weit weg von hier." "Wirklich? Oh scheiße!" Mandy fing an zu weinen. Der Busfahrer kam zu ihr. "Wieso bist du denn hier? Wer hat dich hier hergebracht? Du siehst so mitgenommen aus. Irgendetwas stimmt doch nicht." "Hören Sie, dass ist echt eine lange Geschichte. Das Problem ist einfach, ich habe nichts bei mir. Ich weiß nicht was ich machen soll." Der Busfahrer überlegte. "Vielleicht kannst du ja mit zu mir kommen. Keine Angst, ich tue dir nichts! Es ist nur nicht klug im Dunkeln hier rumzulaufen und dann noch alleine. Du könntest dich erstmal ausruhen und morgen sehen wir ganz weiter." Mandy zögerte. Konnte sie ihm trauen? Sie schaute sich um. Aber hatte sie eine andere Wahl? Schlimmer kann es doch nicht mehr werden oder? "Können Sie mir helfen nach Hause zu kommen? Bitte." Der Busfahrer nahm sie an die Hand. "Ich kann es versuchen, dafür musst du dir aber helfen lassen. Weißt du was?  Wir fahren erstmal zu mir. Ich habe jetzt sowieso Feierabend. Meine Frau wird sich um dich kümmern und morgen sehen wir weiter. Ok?" Mandy wurde es leichter ums Herz. Wenn der Mann verheiratet war, dann war er wirklich harmlos. Mandy sah sich nochmals um, dann nickte sie. Der Busfahrer nahm sie mit zu einem Parkplatz und beide stiegen in einen alten Mercedes ein. "Ich bin übrigens Bob." stellte sich der Busfahrer vor. "Ich bin Mandy." Bob nickte und dann fuhr er los.

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