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Charles POV:

Für mich war es ein Tag wie jeder andere. Ein gewöhnlicher Quali-Samstag in Monza. Aber vielen Leuten würde ich wahrscheinlich eine riesige Freude machen und das erwärmte mein Herz jedes Mal aufs Neue. „Charles, wir müssen los!", kam es von Carlos, der schon im Shuttle saß und auf mich wartete, während ich noch einigen Fans ein paar Autogramme gab. „Tut mir leid, ich muss los", entschuldigte ich mich und sprintete zum Van, der uns in die Fanzone bringen würde. In Monza herrschte jedes Mal Ausnahmezustand. Es war dasselbe Procedere wie an jedem anderen Rennwochenende, jedoch war es doppelt so anstrengend mit verdammt vielen Fans. Die Fahrt verlief ruhig und ich scrollte durch mein Handy, um mich etwas zu beruhigen. Ja, auch ich als Rennfahrer war manchmal aufgeregt. Vor allem, weil in Monza ein so großer Druck auf uns Ferrari-Piloten lag. Die Erwartungen waren hoch und wir hofften auf gute Ergebnisse. „Hast du das mit deiner Freundin geklärt bekommen?", wollte Carlos wissen. „Hm? Äh joa, ich weiß nicht..." Meine Freundin Alexandra und ich hatten gestern einen Streit. Es ging eigentlich um ein banales Problem. Ihr gefiel es nicht, dass ich in letzter Zeit so verdammt lange mit meinen Fans beschäftigt war. Ich verstand das Problem nicht und sie meinte, dass zu viele Mädels um mich herum waren. Irgendwann war mir alles zu viel und ich habe im zweiten Bett geschlafen. Sie wusste doch, worauf sie sich einließ als wir zusammenkamen. „Nein sei ehrlich!", bohrte Carlos nach. „Nein. Sie versteht einfach nicht, dass mir der Support von meinen Fans so verdammt wichtig ist und ich nichts lieber sehe als strahlende Augen, die man mit einem Foto oder einem Autogramm glücklich machen kann. Mir war das dann zu viel und wir haben in getrennten Betten übernachtet", gestand ich und spielte mit meinem „Forza Ferrari"-Armband, das mir mal ein Fan geschenkt hatte. „Glaubst du, sie ist eifersüchtig auf deine weiblichen Fans?" Da machte es in meinen Gedanken Klick! Natürlich, es lag auf der Hand. Noch bevor ich weiterdenken konnte, ging die Tür auf und wir waren hinter der Bühne in der Fanzone angekommen.

Antoine und Joris waren auch da. Sie waren mit der Kamera da, um ein paar Videos für meinen Vlog zu machen, der dann im November wahrscheinlich online gehen würde. Ich begrüßte sie und wir besprachen, was wir für Szenen haben wollten. Dann wurden Carlos und ich schon auf die Bühne gerufen. Mit tosendem Applaus empfingen uns tausende Fans, die bestimmt ewig gewartet hatten. So viele Menschen auf einem Haufen hatte ich zuletzt auf einem Konzert gesehen. Und sie sind alle da, um Carlos und mich zu sehen. Ich winkte in die Runde und mir kam hohes Gekreische von meinen weiblichen Fans entgegen. Gleich schweifte mein Blick durch die erste Reihe, in der sich einige Plakate blicken ließen. Doch meine Augen blieben an einer Person ganz besonders hängen. Es war eine junge Frau mit braunen Haaren und einem kleinen Mädchen im Arm, das nicht älter als drei Jahre sein konnte. Sie schätzte ich in meinem Alter. Das kleine Mädchen saß nach einigen Minuten auf dem Zaun, damit es alles sehen konnte. Das Kind war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.

Mir wurde ein Mikrofon in die Hand gedrückt und somit hieß es wieder volle Konzentration auf die Fragen, die mir gestellt wurden. Es waren die klassischen Fragen, die es zu beantworten galt. Demnach konnte ich meinen Blick wieder auf die auffallend gutaussehende Frau in der ersten Reihe werfen. Ich hatte den Streit mit meiner Freundin völlig vergessen und erst recht, dass ich überhaupt eine Freundin hatte. Nach dem Interview auf der Bühne gingen wir nach vorne, um den Fans in den ersten paar Reihen eine Freude zu machen. Carlos ging zur linken Seite, ich fing rechts an. Genau dort, wo die Frau mit ihrem Kind stand. Es herrschte ein wildes Gedränge und ich bemerkte, dass das kleine Mädchen der Brünetten zu weinen begonnen hatte, weil sie gegen den Zaun gedrückt wurden. „Geht zurück! Ihr quetscht da vorne die Leute ein!", rief ich in die Menge, in der Hoffnung, ich könnte irgendwas damit bewirken. Plötzlich sah ich aus dem Augenwinkel, dass das kleine Mädchen über den Zaun gefallen war und nun am Boden lag und weinte. Sofort ließ ich meinen Stift fallen und ging hin. „Hey Kleine! Alles gut!", meinte ich in einer ruhigen Tonlage und hob das Kind hoch, um es zu seiner Mutter zurückzugeben. Diese stand bereits halb auf dem Zaun und wollte rüberklettern. „Hier, bitteschön! Die Leute sind manchmal sehr rücksichtslos", meinte ich lächelnd und überreichte der jungen Frau ihr Mädchen. „Vielen Dank, Charles!", kam es von ihr und auch die Tränen des Mädchens waren inzwischen versiegt und es schenkte mir ein breites Lächeln. Kurzerhand nahm ich meine Cap von meinem Kopf und zog einen neuen Stift hervor. „Wie heißt du denn, kleine Maus?", grinste ich das Mädchen an. „Sie heißt Isabella", antwortete die Mutter. Ich schrieb ihren Namen mit meiner Unterschrift auf die Cap und setzte sie dem Mädchen auf. Dieses hatte eine riesen Freude damit und klatschte begeistert in die Hände. „Danke!", kam es von dem Mädchen. „Bittesehr!", zwinkerte ich und nachdem ich ein Foto mit dem Kind und seiner Mutter gemacht hatte, ging ich weiter. Mir war nicht bewusst, dass mir das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht wich bis wir wieder in den Van einstiegen und zum Paddock gefahren wurden.

„Oh Mann, das war ein Gedränge! Ein Kind aus der ersten Reihe ist sogar über den Zaun gefallen...", seufzte ich. „Wirklich? Habe ich nicht mitbekommen", entgegnete Carlos. „Das hat mich so wütend gemacht! Ich habe sogar den Leuten gesagt, sie sollen nicht so drängen, doch das war denen egal. Aber dem Kind ist Gott sei Dank nichts passiert. Ich habe ihm meine Cap geschenkt. Das war vielleicht ein süßes Mädchen!", schwärmte ich. „Du und Kinder!", lachte Carlos kopfschüttelnd und schon stiegen wir erneut aus. Dieses Mal aber im Paddock, wo wir nicht so sehr von Fans belagert wurden. Wir begaben uns gleich in den Hospitalitybereich, da wir vor der Quali noch etwas Zeit hatten. Antoine und Joris waren auch da und schauten sich das Videomaterial an. Auch meine Freundin Alexandra war da. „Hey!", meinte ich vorsichtig zu ihr. Sie schenkte mir nicht die geringste Beachtung. „Es tut mir leid, dass du dich unwohl fühlst, wenn mich so viele Frauen belagern. Aber ich kann dagegen leider nicht viel tun, das musst du auch verstehen...", fing ich an und wollte ihre Hand nehmen, doch sie zog sie weg. „Du musst sie ja nicht alle umarmen und weiß Gott wie nahe zu dir ziehen, wenn ihr Bilder macht...", fauchte sie und starrte immer noch gegen die Wand. „Das tue ich doch auch nicht! Können wir das bitte später besprechen. Gleich ist Quali und ich kann jetzt beim besten Willen keine Wut gebrauchen, sonst schieße ich das Auto in die Wand."

Gerade kam meine Rettung, nämlich meine Mutter, bei der Tür herein. „Maman! Hier sind wir!", winkte ich sie zu uns. „Bonjour, hast du gut geschlafen?", wollte sie wissen. Ich konnte jetzt nicht mit der Wahrheit herausrücken. „Jap! Nimm dir was zu Trinken mit und wir gehen in den Driver's Room. Ich muss mich noch umziehen." Ich drückte meiner Mutter eine Flasche Wasser in die Hand und verabschiedete mich von Joris und Antoine, die vertieft im Videomaterial waren. Zum Schluss drückte ich meiner schmollenden Freundin einen flüchtigen Kuss auf den Haaransatz. „Wir sehen uns gleich in der Garage!", flüsterte ich ihr zu und verließ mit meiner Mutter den Hospitalitybereich.

„Maman, ich muss mit dir reden. Ich brauche deinen Rat", fing ich an und setzte mich auf die Couch in meinem Driver's Room. „Aber natürlich, chéri! Was liegt dir auf dem Herzen?" Ich fuhr mir mit den Händen durchs Gesicht, da ich wirklich ratlos war. „Alex ist verdammt eifersüchtig, weil so viele weibliche Fans hinter mir her sind. Ich kann dagegen nichts tun. Aber sie will es nicht einsehen, dass ich machtlos bin. Mein Gott, was soll ich tun? Es sind immer diese Kleinigkeiten. Ist nicht das erste Mal, weshalb wir uns genau darüber streiten." Ich klang verzweifelter als ich es wollte. Seufzend ließ sich meine Mutter neben mich auf das kleine Sofa fallen. „Liebst du sie wirklich? Liebst du sie so sehr, dass du deine Fans hinten anstellen kannst?" Gute Frage. Das mit uns ging gerade einmal vier Monate und sie war schon eifersüchtig. „Maman, hier geht es nicht um Liebe. Es geht darum, das ich nichts falsch gemacht habe und sie überreagiert", entgegnete ich und starrte an die Wand. „Diese Diskussionen rauben mir meine Nerven. Und eigentlich sollte das nicht passieren. Ich glaube, wir verlieren uns gerade", fuhr ich leise fort. „Dann rede mit ihr und ihr müsst das beenden, wenn ihr auf keine Einigung kommt." Es war wie ein Stich ins Herz. Es war das Letzte, was ich wollte, doch irgendwie sah ich keinen anderen Ausweg aus dieser Situation.

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