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Laura POV:

Das Qualifying verlief gar nicht wie geplant. Charles musste in Q2 den rauchenden Ferrari abstellen und das brachte eine rote Flagge mit sich. Mit einem traurigen Blick sah ich mir das Ganze in der Box an und hörte ihn in meinem Headset fluchen. Es wurde nicht besser, als er zu Fuß zurück an die Box kam. Er hatte seine Helm bereits ausgezogen und lief schnurstracks an mir vorbei, ohne mich auch nur zu begrüßen. Ich dachte mir, dass er wohl kurz einen Moment für sich brauchte, jedoch vibrierte keine drei Minuten später mein Handy in der Handtasche.

Kannst du bitte in den Driver's Room kommen? Will gerade nicht allein sein.

Noch nie hatte ich so schnell alles liegen und stehen gelassen. Ich sprintete schon fast zurück ins Ferrari Motorhome, tapste die Treppen nach oben und klopfte vorsichtig an die Tür. „Charles? Ich bin's, darf ich reinkommen?", sprach ich und zur Antwort wurde mir die Tür geöffnet. Ein sichtlich trauriger und angeschlagener Monegasse stand vor mir. Ich bekam richtig Mitleid mit ihm. Seine letzte Saison war so scheiße gewesen, da hatte er natürlich Angst, dass jetzt alles wieder von vorne anfangen könnte. „Ach Charlie", seufzte ich und breitete meine Arme aus, um ihn herzlich zu umarmen. „Das ist doch alles scheiße! Verdammt, warum fängt das jetzt wieder an?", fluchte er vor sich hin, während er mich fest an sich drückte. „Charlie, es wird alles gut!", sagte ich in derselben Tonlage, in der ich mit Isabella immer sprach, wenn sie zornig war. Da mein Ohr an seiner Brust lag, hörte ich seinen rasenden Herzschlag immer ruhiger werden. „Es war nicht deine Schuld, du hast alles richtig gemacht. Und dir ist auch nichts passiert", fuhr ich fort und strich ihm über den Rücken.

Ein tiefes Seufzen entfuhr ihm nach einigen Minuten, in denen wir uns nur im Arm gehalten hatten. „Danke, das habe ich irgendwie gebraucht", bedankte sich Charles und ließ sich auf das Sofa fallen. „Du bist zu hart zu dir selbst...", meinte ich, als ich mich neben ihn setzte. Erneut bekam ich ein Seufzen zur Antwort. „Kein Mensch ist perfekt. Wo Menschen arbeiten, passieren nun mal Fehler. Wenn im Auto etwas nicht richtig verbaut ist, ist das meist die Schuld eines Menschen. Aber es war definitiv nicht deine. Du hast es versucht und manchmal geht einfach nicht mehr." Meine Worte schienen ihn etwas aufgemuntert zu haben, denn er lächelte mich von der Seite an. „Was glaubst du, wie oft ich gedacht habe, dass ich als Mutter versage? Dass ich es nicht schaffe, mein Kind ohne Vater großzuziehen? Wenn du dir einredest, dass du versagen wirst, dann wird das auch so eintreten. Aber wenn man auf sein Können und sein Umfeld vertraut, ist alles möglich. Und ich traue mich zu sagen, dass ich als Mama keinen schlechten Job mache." „Du machst einen fabelhaften Job als Mama, die Kleine sieht dir sehr ähnlich, sowohl in Verhalten als auch in ihrer äußeren Erscheinung, und ich bin mir sicher, sie wird eine mindestens gleich tolle Frau wie du", schmunzelte Charles. Wieder wurde es still.

„Sag mal, möchtest du auch mal eine Familie haben?", unterbrach ich die Stille. „Selbstverständlich! Ich würde gerne mal Kinder haben und heiraten. Wie sieht das bei dir aus?" „Ich hätte gerne ein bis zwei Geschwister für Bella. Sie blüht immer sehr auf, wenn andere Kinder mit ihr spielen", fing ich an zu erzählen. „Das klingt schön!" „Ja, aber es tut mir schon ein bisschen weh, dass Isabella ohne Vater aufwächst. Es ist bestimmt nur eine Frage der Zeit, bis sie nach ihrem Papa fragen wird. Vor allem, wenn sie andere Familien mit Geschwistern auf den Spielplatz sieht. Und ich weiß nicht, was ich ihr dann sagen soll", seufzte ich und legte meinen Kopf in den Nacken. „Tja, in dem Alter wird es schwierig sein, ihr die Wahrheit zu erklären", kam es von Charles. „Mir wird schon was einfallen, wenn es soweit ist." Wir hatten beide etwas Frust abgelassen und irgendwie war ich froh, meine Sorge losgeworden zu sein. Scheinbar ging das Charles genauso.

„Musst du nicht zu den Interviews bevor die Top-Fahrer dort eintrudeln? Jetzt nicht böse gemeint, du bist ein Top-Fahrer, aber heute war nicht dein Tag", meinte ich, als das Qualifying dem Ende zuging und wir den Rest im TV im Motorhome verfolgten. „Ja, sollte ich." „Na dann, husch husch! Wir wollen nicht, dass du Ärger bekommst! Ich warte hier auf dich, egal, wie lange es dauert", schmunzelte ich und scheuchte ihn auf. „Bis später!", grinste er schelmisch und ich wartete im Motorhome geduldig auf seine Rückkehr.

Jedoch kam Carlos zuerst herein und entdeckte mich. Deshalb kam er zu mir gelaufen. „Hey!", begrüßte mich der Spanier. „Hey, gratuliere zur ersten Startreihe", lächelte ich. Carlos hatte es auf den zweiten Startplatz geschafft, was medial gesehen Charles' Fahrkönnen und den Zwischenfall in den Schatten stellte. „Danke, war wirklich ein Höllenritt, diese letzte fliegende Runde." „Kommt Charles gleich? Oder muss er noch irgendwo antanzen, weil er zu spät war?" Der letzte Teil meines Satzes brachten Carlos zum Schmunzeln. „Warum war er denn zu spät, hm?" Ich würde ihn gerade am liebsten erschlagen für diesen Blick. „Nein, nicht das, was du jetzt denkst! Außerdem finde ich 5€ als Wetteinsatz immer noch ziemlich wenig, hättest ruhig 100 setzen können, weil da wirklich nichts läuft", stellte ich klar. „Wer's glaubt...", kam es zwinkernd von ihm. „Ach ja, er ist in fünf Minuten fertig, hat er mir vorhin gesagt. Und noch was, morgen kommt meine neue Freundin vorbei zum Rennen. Sie wird auch in der Box stehen und dann bist du nicht ganz allein", erklärte Carlos. „Oh, das ist ja toll, wie heißt sie denn?" „Rebecca heißt sie, sie kommt aus Schottland. Es wäre für sie vielleicht auch ganz angenehm, wenn sie nicht alleine in der Box stehen müsste", druckste er herum. „Mach dir keine Sorgen, Carlos! Ich werde mich um sie kümmern, damit sie nicht allein da stehen muss", zwinkerte ich und mit einer kurzen und leichten Berührung an meiner Schulter verabschiedete er sich, um sich umziehen zu gehen.

Kaum fünf Minuten später kam Charles im Motorhome eingetrudelt. „Wir können gleich gehen, hast du alles?", wollte er sicherstellen. „Ja, ich bin fertig. Brauchst du noch was?" Er schaute an sich herunter und schüttelte dann den Kopf. „Nö, wir können gehen. Was möchtest du essen? Ich bestelle uns was auf dem Weg zurück. „Auf jeden Fall Sushi! Ich liebe Sushi!"

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