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Charles POV:

Auch wenn ich Lauras Blick so sehr auf mir kleben spürte, musste ich mich konzentrieren. Ich bekam erst jetzt die Gelegenheit, mich mit Carlos zu unterhalten. „Hast du das jetzt endlich geklärt?", wollte er wissen. „Ja. Ich habe es endlich beendet. Es war nicht leicht, aber... längst überfällig", sagte ich in Gedanken versunken. Gedanklich war ich schon beim Festival di Sanremo. „Erde an Charles, ich habe dich was gefragt!", fuchtelte Carlos mit seiner Hand vor meinen Augen herum, als wir gerade zum Grid gingen. „Sorry, was?" „Ich habe gefragt, wer denn die Frau mit dem Kind in deiner Box ist. Woher kennst du sie?" „Achso, ihr Kind ist gestern beim Autogramme geben von Zaun gestürzt in der Fanzone. Hab ich dir doch erzählt. Als Entschuldigung habe ich ihnen ein Upgrade gegeben. Süß, die Kleine", schwärmte ich und bekam einen kritischen Seitenblick von meinem Teamkollegen zugeworfen. „Du hast vor nicht mal einen Tag schlussgemacht, dann hast du schon die nächste Frau am Start?" Das klang eher nach einem Vorwurf. „Carlos, ich kann mir nicht helfen, sie ist mir schon auf der Bühne aufgefallen. Sie hat einfach eine Ausstrahlung, die selbst mich umhaut. Und du weißt, wie selten mich etwas umhaut. Außerdem läuft da gar nichts!", rechtfertigte ich mich. „Hast auch wieder Recht. Und weiter? Was geschieht dann nach heute? Werdet ihr euch wieder sehen?" „Ja, sie geht mit mir zum Festival di Sanremo. Sie wohnt dort. Und ich habe ja noch eine Karte übrig."

Wir waren bereits bei unseren Autos angekommen. „Können wir das Ding nach Hause fahren?", sprach Carlos. „Hoffen wir es doch! Wir werden uns Mühe geben." Mit diesen Worten stiegen wir in die Autos und kurz darauf ging es zur Formation Lap los. Ich war etwas nervöser als sonst, weil die Hoffnung ganz Italiens auf dem Rücken von Carlos und mir lastete. Dann reihten wir uns in unsere Startpositionen ein und warteten, bis die Lichter ausgingen. Den Start hatten wir sehr gut erwischt. Die erste Schikane war überwunden und ich zog vom Rest des Feldes davon. Das Auto lief, die Strategie passte und auch die Boxenstopps waren gut. „Bring it home!", erklang es durch den Funk meines Renningenieurs. Ich gab auf den letzten Metern nochmal alles und fuhr als Sieger durchs Ziel. Das bedeutete Ausnahmezustand in Monza. Carlos konnte den zweiten Platz halten und das bedeutete noch mehr Ausnahmezustand. „And that is P1, P1, congratulations!", hörte ich meinen Ingenieur im Ohr. „Yes! Fucking yes! What a hell of a ride! Thank you so so much! Questa vittoria è per voi tifosi!", bedankte ich mich. Kaum hatte ich mein Auto in der Boxengasse abgestellt, dachte ich wieder an Laura. Wie sie wohl auf diesen Sieg reagiert hatte. Ich würde es zu gerne wissen. Doch jetzt stieg ich aus dem Auto aus und wurde fast schon als Held gefeiert.

Nachdem ich der Menschenmenge zugewunken hatte, die mittlerweile auf die Strecke gestürmt war, rannte ich zu meinem Team und schmiss mich fast schon über den Zaun. Die Freude war so groß, dass ich mir ein paar Freudentränen nicht verkneifen konnte. Ich hatte einfach das geschafft, was mir zuletzt 2019 gelungen war und darauf war ich verdammt stolz. In Gedanken murmelte ich: ‚Papa, Jules, der Sieg war für euch!' Nach den Interviews ging es erst mal in den Cool-Down Room mit Carlos und Max zusammen, der auf Platz 3 gelandet war. „Gratuliere! Du hast da draußen wirklich alles gegeben!", gratulierte mir Max auf dem Weg. „Danke! Es war hart, aber es hat sich so sehr gelohnt. Ich bin so unfassbar glücklich!"

Wir setzten uns auf unsere Stühle, wobei niemand dort saß, wo er eigentlich hingehörte, und quatschten über Dinge, die während des Rennens passiert waren. „Ihr müsst los!", kam es nach einigen Minuten von einem FIA-Delegierten. Da wir in umgekehrter Reihenfolge aufs Podium kamen, hatte ich ein wenig Zeit, die Menschenmenge von der Tür aus zu beobachten. Ich sah ein riesiges Ferrari-Banner und tausende Menschen rundherum. Und dann wurde mein Name ausgerufen. Ich sprintete beinahe zum Podium und hörte die Menschenmenge unter mir ausrasten. Es war so ein unglaubliches Gefühl. Dann stellte ich mich auf das oberste Treppchen und suchte im Publikum unten in der Boxengasse nach meinen Leuten. Doch bevor ich meine Mutter oder Mechaniker fand, sah ich Laura, die Isabella auf ihren Schultern hatte. Das kleine Mädchen klatschte eifrig in die Hände und selbst aus dieser Entfernung konnte ich ihre Augen funkeln sehen. Ich wusste nicht, wen ich süßer fand, Isabella oder Laura.

Dass die monegassische Nationalhymne gespielt wurde, bedeutete mir verdammt viel und nach der Preisvergabe durften wir endlich die Champagnerflaschen in den Himmel schießen. Ich richtete meine Fontäne direkt auf meine Leute unten in der Boxengasse. Alle versuchten zu fliehen, doch es war zwecklos, ich erwischte sie alle. Auch Laura und Isabella. Ich hoffte, sie würden mir nicht böse sein.

Nach der Siegerehrung ging ich zurück in die Garage, wo meine Familie und Freunde auf mich warteten. Vor allem meine Mutter war verdammt stolz auf mich, denn sie hatte Tränen in den Augen, als sie mich in den Arm nahm. Doch zum Schluss beglückwünschten mich meine Zufallsbekanntschaften Isabella und Laura. „Cha, Cha!", rief die Kleine aufgeregt. „Ja, Cha ist wieder da! Und er hat einen großen Pokal gewonnen!", sprach Laura zu ihrer Tochter und diese sah meine Trophäe mit großen Augen an. „Lass dich umarmen, Charles! Das war ein Hammer Rennen! Herzlichen Glückwunsch, du hast es nach einer so verpatzten letzten Saison wirklich verdient!", meinte Laura und nahm mich in den Arm. Selbst die Umarmung meiner Mutter kam nicht an diese heran. Sie war fast schon zu herzlich und lang dafür, dass wir uns gerade mal einen Tag kannten. „Danke, diese Worte habe ich gerade gebraucht", gestand ich. „Immer wieder gerne!", kam es von ihr und sie ließ mich los. „Kannst du mir einen Gefallen tun?", bat ich sie. „Klar, was ist es?" „Nimmst du mir bitte die Trophäe und den Champagner mit in den Hospitalitybereich und wartest dort auf mich? Ich werde mich beeilen mit den Interviews, aber ich würde gerne noch etwas Zeit mit euch verbringen, wenn dir das passt." Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich hatte es ausgesprochen. „Ich weiß nicht... also die Trophäe und den Champagner nehme ich dir gerne mit rüber, aber Isabella scheint müde zu sein. Ich werde wohl mit ihr zurück ins Hotel fahren. Aber ich werde auf jeden Fall einen Babysitter engagieren. Wir könnten uns danach nochmal treffen, wenn das denn hier in Monza irgendwie möglich ist." Mir gefiel es, dass sie so vorausplante. „Klar, klingt nach einem Plan! Was hältst du davon, wenn ich dich gegen acht abholen komme und wir etwas essen gehen? Und danach könnten wir noch eine Runde mit dem Auto herumfahren. Wie klingt das?" Wie gut, dass ich mir schon Gedanken gemacht hatte. Jetzt musste mein Plan nur noch aufgehen. „Sehr gerne! Ich schicke dir den Standort von meinem Hotel. In diesem Fall werde ich aber gleich dorthin fahren. Es gibt nichts Schlimmeres als müde und trotzige Kinder. Und Bella wird definitiv ungemütlich, wenn sie müde ist. Isabella, sag auf Wiedersehen zu Charles!" Da die Kleine auf dem Tisch saß, streckte sie die Arme aus und ich drückte sie fest an mich. „Tschüssi Cha!", flüsterte sie mir ins Ohr. „Tschüssi Isabella!", lachte ich. Ich hatte dieses kleine Mädchen unglaublich liebgewonnen. „Wir sehen uns", zwinkerte ich Laura zu und ging zu meinen Mediaterminen.

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