16|old habits

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Cayden

Wir haben Freitag und der Tag will einfach nicht vergehen.

Gestern Nacht habe ich auf Saphira am Strand gewartet, auch wenn ich wusste, dass sie nicht kommen würde. Und das ist sie auch nicht. Bei jedem noch so kleinen Geräusch bin ich hellhörig geworden. Ich habe gehofft, dass sie es doch sein würde. Am Ende war sie es kein einziges Mal. Ich wollte mir ihr nochmal sprechen, an unserem Ort, wo wir unsere Masken fallen lassen können. Wo wir einfach nur zu zweit sind, umgeben von der Dunkelheit, abgeschirmt von dem Rest durch den Schleier der Nacht.

Aber sie war nicht da. Saphira ist nicht gekommen.

Ich konnte spüren, wie mir die Hoffnung nach und nach entglitten ist. Ich habe so lange auf sie gewartet, dass Lydia mich hatte holen müssen, da ich sonst womöglich noch eingeschlafen wäre.

Inzwischen ist es die vierte Stunde. Die Stunde davor hatte ich Mathe mit Saphira. Als wir uns vor der Türe unterhalten haben, musste ich mich jede Sekunde daran erinnern, dass wir nicht mehr zusammen sind. Zur Begrüßung hatte ich sie tatsächlich küssen wollen, so sehr ist es schon Routine für mich geworden. Es ist mir besonders schwer gefallen, klar im Kopf zu bleiben, als ihr Parfüm mir mit voller Wucht entgegengeschlagen ist. Ich musste für eine Sekunde innehalten, bevor ich irgendetwas anderes machen konnte.

Gott, ich vermisse sie so sehr.

Auch jetzt noch, fast eine Stunde später, spüre ich ihre weiche Wange auf meinen Lippen und habe den Duft ihrer Haut in der Nase. Es ist zum Verrücktwerden.

Sie zum Essen einzuladen war eine reine Schnapsidee. Jetzt, im Nachhinein, könnte ich mich dafür treten. Einen Abend neben ihr sitzen zu müssen ohne sie zu berühren wird Folter. Auch in der Stunde vorher konnte ich meine Augen nicht von ihr lassen. Ich liebe es, wie sie mit ihrem Stift spielt. Wie süß sie die Stirn runzelt, wenn sie sich konzentriert. Ich liebe es, wie ihre Augen aufleuchten, sobald sie eine Antwort gefunden hat.

Ich weiß nicht, wieso ich nach der Stunde auf sie gewartet habe, aber auf einmal finde ich es gar nicht mehr so schlimm, wenn Saphira mich zum Essen begleitet. Ich will sie bei mir haben. Die ganze Zeit, jede Sekunde, für jeden Moment. Ich habe sie eingeladen, weil ich es nicht ertrage, auch nur eine Minute von ihr getrennt zu sein.

Freunde...

Saphiras Stimme lässt mich zusammenzucken. Ich konzentriere mich wieder auf den Lehrer vor mir, doch ich verstehe ihn nicht. Ich höre einzelne Wörter, denen jeder Zusammenhang fehlt.

Freunde, rufe ich mir selber ins Gedächtnis. Ich zwinge mein Herz etwas langsamer zu schlagen.

Saphira wird mit mir und meinen Eltern gemeinsam essen, wenn Caroline zu Besuch kommt. Und da setze ich mich wieder aufrechter hin. Der Gedanke trifft mich wie ein Blitz, denn ich habe vergessen, Caroline Bescheid zu geben. Oder sie überhaupt zu fragen.

Unauffällig fingere ich mein Handy aus der Hosentasche. Dieses entsperre ich, ehe ich auf Carolines Chat gehe. Ich formuliere die Nachricht immer und immer wieder um, bis ich mich letzten Endes doch für die direkte Variante entscheide.

Cayden: Hey. Meine Eltern haben dich für Samstag zu uns zum Essen eingeladen. Passt es bei dir gegen Nachmittag?

Ich warte gar nicht auf die Antwort, sondern lege das Handy beiseite. Ihre Antwort ist mir nämlich nicht ganz so wichtig wie die von Saphira. Und auch wenn Caroline nicht kommen könnte, wäre es für alle Beteiligten besser. So viel Stress und Drama könnte vermieden werden. Ich weiß nur, dass es eine Katastrophe werden wird.

Wyatt stößt mich mit seinem Fuß an, sodass ich zusammenzucke.

Verwirrt runzle ich die Stirn.

Mein bester Freund sieht mich fragend an.

Desire-Deep as WaterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt