Santa's Eyes | 5
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll", gestand der Witwer heiser und atmete das erste Mal seit gefühlten Stunden tief durch. „Wie gesagt, jeder verdient hier und da mal ein Wunder." Gott, diese Stimme. Sie prickelte in seinen Adern und wärmte zeitgleich etwas in Adams Inneren. „Ich... Wie kann ich mich... Ich meine, wie kann ich mich erkenntlich zeigen?" „Du lächelst. Das habe ich im Einkaufszentrum vermisst. Du hast so traurig gewirkt. Und als Finn erzählt hat, was passiert ist..."
Adam atmete erneut tief durch, wischte sich durch das Gesicht und schüttelte in einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Unglauben den Kopf, bevor er zum Fondue deutete und flüsterte: „Würde der Mann der Weihnacht mit mir zu Abend essen?" „Das geht mit diesem Bart eher schlecht." Der Schalk glomm in den grünen Augen auf, als er sich näher an den Tisch stellte, um Adam direkt ansehen zu können.
„Der Rasierer ist im Bart", glucksend, spürte Adam, wie alleine dieser Blick ihm eine warme Gänsehaut bereitete. Um sich der Anziehung etwas zu entziehen, drehte er sich in Richtung Küche und holte eine Flasche Rosé und zwei Gläser hervor, während er das Pfännchen unter dem Kessel erneut entzündete. Er versuchte das Rascheln von Stoff hinter sich zu ignorieren. Oder viel eher das Gefühl, was sich bei diesem Geräusch quer in seinen ganzen Körper ausbreitete. Konzentrierte sich demonstrativ auf die kleine Flamme des Anzünders in seiner Hand, bis er ein leises, unglaublich sympathisches Lachen hinter sich vernahm.
„Ich heiße übrigens Nicolai." Das konnte doch nicht wahr sein... Der Weihnachtsmann hieß Nicolai. Was ein Wink des Schicksals. Kurz ging Adam noch einmal in sich, bevor er sich wieder umdrehte. Langsam wanderten seine Augen nach oben und stockten mitten in der Bewegung. Nicolai schien unter seinem Blick etwas verlegen zu werden und fuhr sich mit der Hand über den Nacken. Adam musste zugeben, dass ihm bei dieser Geste noch mehr das Wasser im Munde zusammenlief – was lächerlich war. Schließlich war dieser absolut hinreißende Mann mit den wunderschönen rotbraunen Locken und einer Statur zum Niederknien ja nur hier, um seinen Sohn eine Freude zu machen. Richtig?
Nachdem er sich leise geräuspert hatte, sagte Adam: „Setz dich doch bitte." Mit einem freudigen Lächeln im Gesicht kam sein Gast dieser Aufforderung nach. Adam schenkte ihnen beiden etwas Wein ein und sie spießten die ersten Stücke auf die langen Gäbelchen, um diese in der heißen Flüssigkeit zu versenken.
„Ich muss gestehen, ich bin immer noch etwas sprachlos. Woher weißt du überhaupt, wo wir wohnen?" Dieser Gedanke spukte Adam, seit Nicolai bei ihnen aufgetaucht war, schon im Kopf herum. „Naja... Du warst ja gestern noch mal im Einkaufszentrum und hast eine Karte an den Baum gehangen..." „Du warst da? Ich habe dich gar nicht gesehen." „Ich war ja auch noch nicht verkleidet." „Auf der Karte stand aber nur mein Name und meine E-Mail-Adresse..." „Naja, glaub mir, wenn man weiß, was man damit tun muss, reicht das..." Nicolai fuhr sich erst leicht verlegen durchs Haar und zwinkerte ihm dann zu. Adam schmolz förmlich dahin.
Das ging doch nicht. Er konnte diesen fremden Mann hier doch nicht einfach anschmachten wie ein Teenager. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf seinen Teller, auf dem die ersten kleinen Köstlichkeiten bereitlagen, als er zaghafte Fingerspitzen an seinen spürte. Sofort sah er auf und begegnete diesen schönen grünen Augen, in denen sich eine Frage, aber auch Zuneigung widerspiegelte.
„Falls ich hiermit zu weit gehe, tut es mir leid und ich werde sofort verwinden... Aber... Also... Wenn mich mein Gefühl nicht täuscht, dann ist da irgendwas zwischen uns. Etwas, was ich nicht genau beschreiben kann, sich aber extrem gut anfühlt und..." Adam ging das Herz auf, als sein Gegenüber schüchtern mit den Schultern zuckte und ihn schief anlächelte. Er nahm Nicolais Hand fest in seine und beantwortete ihm so die unausgesprochene Frage, ob er ebenfalls Interesse an ihm hatte. Gott, und wie er das hatte. Adam genoss den Druck, die die Hand nun ebenfalls auf seine ausübte und strahlte den Mann ihm gegenüber an.
Während sie aßen, erzählte Nicolai etwas von sich. Dass er eigentlich Wirtschaftsinformatik studierte und der Job als Weihnachtsmann sein Bafög aufbessern sollte. Im Sommer tat er das als Maskottchen in einem Freizeitpark. „Was genau bist du dann?" „Ein dicker, gelber Bär." Die Vorstellung brachte Adam zum Schmunzeln.
„Und darf ich dich noch etwas fragen?" „Ja, natürlich. Alles, was du willst." Sie saßen mittlerweile auf der Couch und Nicolai sah ihn nun erwartungsvoll an. „Wo, zur Hölle, hast du diese Iron Man-Figur bekommen? Ich hatte seit Wochen kein Glück." Nicolai lachte und sagte: „Ich habe die schon ewig. Eigentlich sollte mein Neffe sie bekommen, aber der hat eh schon so viel Zeug. Ich bin mir sicher, hier ist sie in den besten Händen und wird wirklich wertgeschätzt."
Wieder nahm Adam die Hand des anderen in seine. Daraufhin rückte Nicolai wieder ein Stückchen näher an ihn heran. So nah, dass sie sich an unzähligen Stellen ihrer Körper berührten. Adam war mittlerweile so berauscht von dem anderen Mann, dessen Lachen so einnehmend war und dessen Duft ihn so betörte. Aber dessen Augen... Diese wunderschönen grünen Augen, die ihm nach wie vor den Atem raubten. Wenn sie beim Lachen aufblitzten oder sich in seine legten.
Ebenso nahm sie der Zauber dieser einen Nacht im Jahr gefangen. Die Zeit verging, ohne dass sie es wahrnahmen. Sie erzählten sich aus ihrem Leben. Wie sie zu den Menschen geworden sind, die sie waren. Spürten, dass sich etwas ganz Besonderes zwischen ihnen entwickelte. Doch ebenso wollten sie nichts überstürzen. Zu wertvoll und kostbar schien dies hier zwischen ihnen zu sein. Daher machte sich Nicolai spät in der Nacht noch auf dem Weg nach Hause. Aber nicht, ohne sich von Adam das Versprechen abnehmen zu lassen, am nächsten Abend, nach dem obligatorischen Familienbesuch, wiederzukommen.
Adam begleitete seinen Besuch schon ein bisschen wehmütig zur Tür. Nicolai hielt dabei weiter seine Hand. Die andere legte er federleicht an Adams Wange und streichelte mit dem Daumen über die etwas stoppelige Haut. „Ich freue mich auf morgen. Und alle Tage, die noch kommen mögen", sagte Nicolai zum Abschied. Kurz schien er zu zögern und beugte sich dann doch langsam vor. Gab Adam so die Gelegenheit, sich zurückzuziehen. Doch das wollte er gar nicht.
Sanft berührten sich ihre Lippen. Nur ein liebevoller Hauch. Und doch war es, als würde Adams Welt stillstehen. Ein zeitloser Augenblick. Als würde endlich alles an seinem Platz zurückkehren. Als würde es einfach richtig sein. Noch einmal sah Nicolai ihm tief in die Augen. „Frohe Weihnachten." Damit drehte er sich um und verließ das Haus.
Adam ging zum Fenster und winkte Nicolai, der ihn ansah und breit anlächelte. Nachdem dieser außer Sichtweite war, wanderte Adams Blick nach oben. Immer weiter, bis er bei diesem einem Stern angelangt war, mit dem sein Sohn nun jeden Abend sprach. „Danke, dass du mir diesen Engel auf Erden geschickt hast", wisperte Adam, nachdem er sich die Träne von der Wange gewischt hatte.
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