When It Is All Over - Larry Stylinson

Kapitel 4

L O U I S

Es ist das erste Mal seit vier Jahren, dass ich mich vor einer Party drücke. Und das muss etwas verheißen. Schließlich liebe ich das Gefühl, mit dem Beat mitzuschwingen und für einen Moment das Universum zu vergessen. Mich zu fühlen, als sei ich die Welt, die sich um ihre eigene Achse dreht. Als würde ich schwerelos im Weltall schweben, als würde nichts eine Bedeutung hätte, außer das Jetzt.

Aber ich weiß genau, was dieser Abend bedeuten wird.

Und es tut weh.

Ich brauche eine ganze Stunde, um mich in Bad zu fertigzumachen. Eine halbe Stunde, um mir ein Outfit auszusuchen und die Musik, die währenddessen läuft, pumpt in keiner Weise durch meine Adern. Sie fließt aus mir hinaus, wie eine Flüssigkeit, die nicht in meinen Körper gehört.

Und dann stehe ich vor Mr. Hayes Tür und mir wird bewusst, dass der Abschied in dieser Sekunde beginnt. Es ist der Anfang vom Ende und der Gedanke bereitet mir Bauchschmerzen.

„Louis, Sie sind hier!", sagt mein Chef erfreut, als er den Eingang aufreißt und mich sofort in den Flur durchwinkt.

Ich lache leise. „Aber natürlich. Ich würde die Feier um keinen Preis verpassen." Dass mein perfektes Lächeln mehr Lüge als Wahrhaftigkeit trägt, muss mein Chef nicht wissen. Er nimmt mir die dunkelgrüne Bomberjacke ab und hängt sie an die Garderobe. Der Herbst ist über Nashville eingebrochen und da ich schon bei einer leichten Brise eine Eiseskälte verspüre, komme ich um eine Jacke nicht drum herum.

Meine Beine tragen mich hinein. Das Haus ist nicht besonders groß. Ein typisch städtischer Bungalow mit tiefen Decken und einem einladenden modernen Interieur. Die Einrichtung ist hell und minimalistisch, was dem Raum ein Gefühl von Luftigkeit verleiht. Die Wände sind in sanften, neutralen Farben gestrichen.

Mein Blick fährt zielgerichtet auf ein Objekt, das mir durch den Flur ins Wohnzimmer ins Auge sticht. Mr. Hayes riesiges Bücherregal. Vermutlich das einzige Möbelstück in diesem Haus, das vollbeladen und kurz davor ist, einzukrachen. Doch mir gefällt der Bruch in der eigentlich reduzierten und leisen Atmosphäre.

Große Fenster lassen das letzte Tageslicht hereinströmen und geben den Blick auf einen kleinen, gepflegten Garten frei.

„Soweit ich weiß, sind Levi, Roman und Sebastian aus ihrem Team bereits da.", sagt er, als er sich mir zuwendet und mich kurzerhand in die Küche führt, um mir ein Getränk anzubieten.

Ich nehme dankend einen Orangensaft an. „Sie haben einen gemütlichen Bungalow, Mr. Hayes.", entgegne ich ihm und sehe mich demonstrativ um.

„Vielen Dank, Louis. Nennen Sie mich doch Wallace. Der ganze professionelle Kram ist sowieso dahin."

Ich bin ein wenig überrascht davon, dass Mr. Hay- Wallace mir das Du anbietet, wo wir doch Jahre miteinander verbracht haben und er für mich immer Mr. Hayes war. Doch heute Abend ist nicht nur der Anfang vom Ende, sondern vielleicht auch ein Anfang für etwas ganz Neues. „Es ist eine Freude, dich kennenzulernen, Wallace.", erwidere ich gespielt freundlich und strecke ihm meine Hand entgegen.

Er lächelt titanisch breit und blasiert, ebenso gespielt aufgesetzt und schüttelt meine Hand. „Die Freude ist ganz meinerseits, Louis."

Mich überschwemmt das Gefühl, dass der Abend nicht ganz so schlimm werden würde, wie ich es mir ausgemalt habe. „Hast du schon einen Flieger gebucht, um deinen Urlaub gebührend einzuweihen? Ganz weit weg von dem Stadtleben."

Ihn zu duzen, fühlt sich ganz seltsam auf meiner Zunge an.

Er lächelt schmal, aber das Glitzern in seinen Augen verrät mir, dass er glücklich mit seiner Entscheidung ist. „Meine Frau und ich werden nach Harpers Ferry ziehen. Mein Ruhestand hat nicht weit entfernt gelegen und jetzt, wo mir keine andere Wahl überlassen worden ist, haben wir uns gemeinsam dazu entschlossen, unsere Jahre in einer ländlicheren Gegend als Nashville zu verbringen. Es ist alles in trockenen Tüchern und die Schlüssel für unser neues Zuhause wurden uns zugeschickt. Meine Frau freut sich. Sie wollte schon immer ein Haus im viktorianischen Stil besitzen."