Kapitel 26

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L O U I S

Ich weiß, dass Harry ein Arschloch ist. Ich weiß es, seit ich sechsundzwanzig bin. Aber ich hätte nie gedacht, dass er so ein herzloser Mensch ohne jeglichen Anstand sein würde. Ich bin in den letzten Tagen oft in die Vergangenheit zurückgeworfen worden, aber das hier tut wohl am meisten weh. Meine Finger zittern, und das Blatt zwischen ihnen bebt mindestens genauso heftig.

„Wo hast du das her?", fragt er mit fester Stimme und ich erkenne nun auch die Tränen in seinen Augen.

„Ich wollte mir deine Kuschelsocken leihen, weil mir kalt war und ich dachte, wir wären auf einer Ebene, auf der ich nicht fragen muss. Also bin ich einfach in den Ankleideraum gegangen und habe deine Socken durchgeschaut und dieses Bild unten unter deinen Socken gefunden. Ich meine, ist das wirklich dein Ernst? Nach allem, was passiert ist?" Meine Stimme bricht vollends, als ich ihm mit möglicher Festigkeit entgegen blicke. Aber alles in mir schreit nach einem Zusammenbruch. Als würde mein Herz Cut! schreien und wollen, dass ich diesen ganzen schlechten Film endlich beende. Dass ich mich aus diesem Horror befreie und endlich in mein altes, friedliches Leben zurückkehre.

Harrys Gesicht versteinert sich, als er richtig zu begreifen scheint, dass ich das Foto gefunden habe. Seine Augen weichen meinen Blicken aus, und ein unangenehmes Schweigen breitet sich zwischen uns aus.

Ich kann das Bild in meiner Hand kaum ansehen. „Ganz im Ernst? Du hast das Bild sogar ausgedruckt? Ist es deine Trophäe?" Ich knalle ihm das Bild wutentbrannt an die Brust. „Du ekelst mich an. Nachdem du mich verloren hast, hättest du wenigsten den Anstand zeigen können und das Bild verbrennen und von deinem Handy löschen können." Ich sehe Harry an und merke, dass es immer noch weh tut.

Es ist das Bild, das er gemacht hat, nachdem er mich betrogen hat. Es zeigt seinen Hals, der voller Knutschflecken ist. Sie sind in einer widerlichen violetten Farbe, die zeigt, wie neu sie an diesem Punkt waren. Bis heute weiß ich nicht, wann er begann, mich zu betrügen. Es könnte viel früher gewesen sein, bevor ich das Bild gefunden habe. Vielleicht war er mir nie treu. Vielleicht waren wir eine Lüge.

Ich kann sein frontales Gesicht auf dem Bild nicht erkennen, aber das reicht mir. Ich möchte sein siegessicheres Grinsen nicht sehen. Er fühlte sich vielleicht so verdammt unantastbar, soviel ich weiß. Ich versuche mich immer daran zu erinnern, dass es ihm nicht leid tat, als ich nichts davon wusste.

So.

Viele.

Verdammte.

Lügen.

Damals wünschte ich mir, ich wäre das, was er wollte, aber jetzt, wo ich dieses Bild wiedersehe, erinnere ich mich daran, wie er mich gebrochen hat und dass ich, egal was passiert, nicht mehr das sein will, was er will. Ich bin mehr wert als er. Mehr wert, als ein Mann, der betrogen wird.

„Halt dein verdammtes Maul, du Arschloch! Du hast doch-" Cameron brüllt. Er brüllt sich die verdammte Seele aus dem Leib und sieht aus, als würde er mich umbringen wollen. So richtig. Als würde er mir im nächsten Moment die Hand um die Kehle legen und mir den Hals umdrehen. Dass er mich nicht mag, ist nichts Neues, doch dass er dermaßen aus seiner Haut fährt, habe ich noch nie erlebt.

Harry legt ihm eine Hand auf die Schulter, um ihn zurückzuziehen. „Es ist okay, Cam. Du hast recht, Louis. Ich hätte die Bilder verbrennen sollen." Er zerknüllt das Bild, als würde es die letzten Jahre ungeschehen machen. So. Viele. Verdammte. Lügen.

Cameron keucht nach Luft und versucht, sich zu beruhigen, während ich den Blick zwischen ihm und Harry wechsle. „Nein, Harry, nichts ist okay. Sag ihm die scheiß verdammte Wahrheit!" Der Zorn, der in der Luft zu flirren scheint, lässt mich frösteln.

When It Is All Over - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt