Kapitel 31

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L O U I S

Im Laufe meines Lebens habe ich viele verschiedene Arten von Wut gespürt. Die eine über mich selbst, als ich meine Hausaufgaben für die Schule vergessen habe. Wut auf meine Eltern, als wir uns wieder gestritten haben und ich das Gefühl hatte, dass sie mich nicht lieben (Nun, Spaßfakt: das haben sie definitiv nie getan), auf meine Geschwister, als sie mir die letzten Süßigkeiten gestohlen haben und besonders auf Harry, als ich das Bild gefunden habe.

Ich habe ihn dafür gehasst, dass er mir immer das Gefühl gegeben hat, mehr zu sein als ich tatsächlich war.

Aber wie ich anfangs schon sagte... es gibt verschiedene Arten von Wut und auch unterschiedliche Schweregrade der Wut. Es ist eine Sache, von einem Beziehungspartner betrogen zu werden, aber von meinem besten Freund hintergangen zu werden, von dem ich nie gedacht hätte, dass er etwas Schlechtes für mich wollen würde, verursacht seltsamerweise mehr Wut.

Auf dem Weg zurück zu Clarks (oder sollte ich ihn Brody nennen?) und meiner Wohnung habe ich viel darüber nachgedacht, wie ich mich in seiner Nähe verhalten würde. In meinem Kopf würde es so aussehen: Clark schläft in seinem Bett, ich packe ihn am Kragen seines Hemdes, ziehe ihn unter der Bettdecke hervor und schlage ihm auf die Wange. Ich würde ihn anschreien und ihm sagen, wie sehr ich ihn dafür hasse, dass er so ein guter Schauspieler ist, aber Tagträume werden nie zur Realität.

Ich schleiche mich in die Wohnung, schnappe mir einen Koffer und packe meine Sachen. Ich beschließe, dass ich ihn nie wiedersehen will. Als mein Koffer bis zum Rand voll ist, verlasse ich mein altes Zuhause und gehe in die kalte, stille Nacht.

Ich stehe ein paar Minuten verloren da und weiß nicht, wohin ich gehen soll. Ich fühle mich so leer und betrogen und es gibt nicht viele Menschen in meinem Leben, auf die ich mich wirklich verlassen kann. Wenn ich ehrlich bin, war es immer nur Clark, aber jetzt, wo ich ihn nicht mehr habe, fühle ich mich so verloren. Ich fische mein Handy aus der Jackentasche und wähle eine Nummer, die ich seit Jahren nicht mehr gewählt habe.

Das Handy bimmelt einige Male, ehe abgehoben wird. Erleichterung durchflutet mich in der Geschwindigkeit des Salto Ángel Wasserfalls.

„Hallo?" Die Stimme ist angenehm vertraut.

„Glace? Ich brauche deine Hilfe. Bitte." Mir entringt ein gequältes Schluchzen. Fühlt es sich so an, wenn man am Boden des Lebens angelangt ist? Wenn man nicht mehr auf Wolke sieben schwebt, sondern den Abgründen entgegenblicken muss. Ich war die meiste Zeit meines Lebens allein. Ich musste alleine kämpfen und ich bin nie wirklich angekommen.

Als ich dann mit Harry zusammengekommen bin und wir uns ein stabiles Leben aufgebaut habe, wir eine feste Freundesgruppe hatten und ich noch zusätzlich meinen eigenen, kleines Kreis hatte, dachte ich, dass es das wäre. Der Moment, in dem ich mich im Leben gefestigt habe.

Es hat sich gut angefühlt, seltsam sicher. Aber eine Sache habe ich gelernt und das ist, dass nichts sicher ist.

Glace scheint überrascht von meinem Anruf zu sein. „Louis? Bist du das wirklich?" Sie ringt nach Luft.

Ich nicke, obwohl sie mich nicht sehen kann. „Ja, es ist... ich bin es wirklich." Meine Stimme bricht, und ich bemühe mich darum, meine Emotionen unter Kontrolle zu halten. Die Kälte der Nacht zieht unter meinen Hoodie. Ich hätte mir eine Jacke überziehen sollen, als ich Harrys Villa verlassen habe.

„Was ist passiert?", fragt Glace besorgt. „Geht es dir nicht gut?" Die Frage ist wohl eher rhetorisch.

„Nein", flüstere ich. Ich schlucke schwer und versuche, meine zitternde Stimme zu beruhigen. „Ich... Ich kann gerade nicht nach Hause zurück und ich weiß nicht, wohin ich soll. Kann ich zu dir kommen?" Ich fühle mich schlecht, weil ich mich jahrelang nicht gemeldet habe, und jetzt, wo ich Hilfe brauche, rufe ich sie an.

When It Is All Over - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt