Kapitel 35

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H A R R Y

Nach fünf Wochen Krankenhausaufenthalt werde ich endlich aus diesem Sumpf entlassen. Ich habe mich noch nie so sehr auf frische Luft und mein eigenes Bett gefreut. Und all das nur, weil ich Milliardär werden musste und es einen Menschen gab, der mir den Ruhm nicht gegönnt hat.

Louis hat mir erzählt, dass ich mit einer Waffe in meinem Büro angeschossen worden bin, weil ein Kerl es auf mein Geld abgesehen hat. Er meint, er sei jetzt verhaftet worden und er kümmere sich um den Rest. Ich solle mich erst einmal auf meine Genesung konzentrieren.

Das, was mich allerdings am meisten geschockt hat, ist, dass wir getrennt waren. Durch die Amnesie erinnere ich mich an eine Zeit vor dem Unfall nicht, weshalb ich davon ausgegangen bin, dass Louis und ich noch immer ein glückliches Ehepaar sind. Doch dem ist nicht so. Wir waren getrennt. Vier Jahre lang. Dann bin ich ihm gefolgt und habe meinen Verlag in Nashville erweitert.

Seitdem ich aufgewacht bin, haben wir kaum über uns gesprochen. Ständig lag der Fokus auf mir und dass ich gesund werde, aber ich möchte endlich wissen, was nun zwischen Louis und mir ist. Möchte er mich überhaupt zurück? Denn ganz offenbar sind wir offiziell noch getrennt.

Als er meinen Koffer durch die Tür schiebt und mich ins Wohnzimmer begleitet, um mich auf die Couch zu verfrachten, sehe ich zu ihm. „Können wir reden?"

Er lächelt leicht. „Gleich, okay? Ich gehe kurz das Bett frisch beziehen, damit du dich hinlegen und ausruhen kannst."

„Mir geht es gut. Du musst mich nicht wie ein rohes Ei behandeln.", erwidere ich daraufhin leicht entnervt, da ich allmählich das Gefühl habe, er entgeht einem Gespräch mit Absicht. Er lässt den Kopf hängen und setzt sich schließlich zu mir. Allerdings entgeht mir nicht, dass er einen gewissen Abstand zwischen uns hält. Während er physisch vielleicht nur ein halber Meter ist, sind wir mental Ozeane voneinander entfernt.

„Ich behandle dich nicht wie ein rohes Ei.", entgegnet er mir lediglich, was womöglich nicht der beste Konter auf meine Aussage ist. Ich habe Louis viel wortgewandter in Kopf.

„Louis, du wolltest mich im Krankenhaus sogar füttern, weil ich ausversehen meine Gabel fallen gelassen habe. Das passiert jedem mal. Außerdem redest du mit mir, als hätte ich vor zwei Minuten der Hölle einen Besuch abgestattet."

Er schüttelt fassungslos den Kopf. „Du wurdest angeschossen und hast deine Erinnerungen verloren."

„Das ist fünf Wochen her. Es geht mir gut."

Er lacht aus. „Willst du mich verarschen, Harry?", brüllt er plötzlich und mit einem Mal scheint der Damm zu brechen. Die starke Fassade, die er über die letzten Wochen aufrechterhalten hat, bröckelt zusammen. Er springt von der Couch auf und baut sich vor mir auf. „Du hast nicht nur deine Erinnerungen verloren... ich habe auch beinahe dich verloren, verstehst du das nicht? Du hast nur um Haaresbreite überlebt, du lagst im Koma, dein Leben war am seidenen Faden. Es geht nicht darum, dass ich dich wie ein rohes Ei behandle, sondern darum, dass ich dich nicht noch einmal verlieren möchte. Vier Jahre und dieser Scheißunfall waren genug."

Meine Augen werden vor Erstaunen groß, als ich endlich verstehe, worum es ihm wirklich geht. „Aber du hast mich nicht verloren. Ich bin hier.", hauche ich und spüre, wie es hinter meinen Lidern zu brennen beginnt. „Ich gehe nicht mehr."

„Wir wollten die Scheidung einreichen. Du wolltest wieder zurück nach New York gehen."

Ich schlucke hart. „Ich mag zwar nicht wissen, wie die letzten Jahre für mich waren... ob ich dich vermisst habe oder über dich hinweggekommen bin, aber ich kann dir sagen, was ich jetzt fühle. Ich liebe dich, Louis und ich kann dir jetzt eine riesige Liebeserklärung vor die Füße werfen, aber es reicht nicht aus. Meine Liebe wird immer größer sein, als ein ‚Ich liebe dich' und auch wenn mein Kopf sich nicht mehr an dich erinnert... Mein Herz tut es.", flüstere ich. 

When It Is All Over - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt