Kapitel 36

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L O U I S

Er spürt es.

Er weiß, dass etwas nicht stimmt.

Harry hatte schon immer so etwas wie einen sechsten Sinn. Er hat es gespürt, wenn ich mich komisch verhielt. Ich bin ein guter Schauspieler, ich kann Gefühle und Emotionen in Schach halten, wenn es nötig ist, aber wenn es um Harry geht, wird mir diese Fähigkeit gänzlich entzogen.

„Wie wäre es, wenn wir spazieren gehen?", schlage ich vor, als Harry sich umzieht. Er hat sich von mir weggedreht, etwas, dass er sonst nicht macht. Nachdem wir aufgewacht sind, ist er sofort aus dem Bett geklettert und hat sich aus jeglichen Versuchen, ihn zu umarmen, gekonnt herausgeschlungen. Das gemeinsame Frühstück in der Küche war ebenso komisch.

Das Band seiner Socke prescht mit voller Wucht gegen seine Haut, doch sein Ausdruck bleibt weiterhin emotionslos. „Cam holt mich in zehn Minuten ab. Wir gehen Brunchen."

Ich schnappe mir die Bettdecke und lege sie mir um meinen Körper, da ich mir mit einem Mal völlig entblößt vorkomme. Meine Augen verfolgen ihn auf jedem Schritt. „Okay. Darf ich mitkommen?", frage ich vorsichtig.

Er zieht die Augenbrauen in Verwirrung zusammen. „Nein"

Autsch. Mir rutscht das Herz in die Kniekehlen. Der Harry, den ich kenne, war mir gegenüber nie so empathielos. „Viel Spaß. Ich warte auf dich, dann können wir heute Nachmittag in die Mall." Ein erneuter Versuch, irgendwie zu ihm durchzudringen. Und...

Sein Blick gleitet in den Spiegel, als er seine Haare richtet und mir noch immer keinen Blick schenkt. „Geht nicht. Cam und ich gehen Fußball gucken."

...er scheitert kläglich.

„Du hasst Fußball." Ich bedenke ihn mit einer nachdrücklichen Miene.

„Tja, das habe ich vielleicht, aber fehlende Erinnerungen verändern Menschen manchmal.", spuckt er mir gereizt entgegen, als hätte ich ihm die Amnesie verpasst. Könnte ich sie auf mich nehmen, würde ich es tun, doch dazu bin ich nicht fähig. Ich hätte sogar den Tod auf mich genommen, hätte es ihn vor diesem Schuss und dem Aufprall und all der Prügelei und dem Koma, die die Amnesie verursacht haben, retten können.

Ich kaue auf der Unterlippe und beiße meinen Kiefer schließlich so heftig zusammen, dass es schmerzt. „Gut. Dann gehe ich alleine in die Mall. Was soll ich für heute Abend kochen?", frage ich leise nach und bin kurz davor, völlig loszuheulen. Kann Harry nicht einfach zu mir kommen, mich umarmen und mir sagen, dass alles gut wird?

„Plan mich nicht mit ein. Wir gucken Fußball in einem Pub und gehen danach eventuell noch in einen Club." Sein Handy klingelt und sofort schaut er darauf. „Cameron ist da. Bis heute Abend." Und damit rauscht er ab. Kein Kuss. Keine Umarmung. Nichts.

Je mehr Tage ins Land ziehen, desto mehr entfernen wir uns.

Harry ist seit drei Wochen zu Hause und wo wir doch anfangs die Zweisamkeit genossen haben, ist er immer mehr unterwegs. Unsere Beziehung entgleitet uns immer mehr und es gibt Momente, in denen ich mich frage, ob die neue Chance gerechtfertigt war.

Völlig alleine sitze ich in der riesigen Villa und frage mich, was ich tun soll. Ich brauche jemanden zum Reden, aber Glace kann ich nicht fragen. Sie wollte schließlich von Anfang an, dass ich Klartext spreche. Und Clark... nun ja, die Geschichte ist allseits bekannt.

Kurzerhand laufe ich in das Ankleidezimmer, schnappe mir einen Koffer und werfe die Kleidung hinein, die einen Teil von dem Schrank eingenommen hat. Nachdem sie sich grob hineingefunden haben, schließe ich den Koffer und trage ihn nach unten. Ich packe mein Handy in die Hosentasche, meine Papiere und meinen Autoschlüssel. Im Wohnzimmer krame ich einen Block hervor.

When It Is All Over - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt