Um möglichst bald wieder Ruhe in die Mannschaft zu bekommen, sollte bereits einen Tag später über die drei Männern ein Urteil gefällt werden. Da dem Kapitän an Bord auch die Gerichtsbarkeit obliegt, würde der Kapitän der Star of Hope über die Angeklagten zu Gericht sitzen und das Urteil fällen. Er ernannte seinen Sohn und den langjährigen Steuermann der Star of Hope zu seinen Beisitzern. Die Gerichtsverhandlung fand öffentlich an Deck statt. Den Angeklagten wurde die Anklage verlesen und bekamen die Chance sich dazu zu äußern. Die beiden älteren Männern zeigten keine wirkliche Reue, im Gegenteil. Sie äußerten sich abfällig über Frauen und lästerten darüber, dass die Star of Hope mit dem schamlosen Weibsvolk an Bord sowieso dem Teufel gehöre. Lediglich der Jüngste zeigte sich demütig und reuig. Er war gerade mal 18 Jahre alt und schwor, von beiden anderen zum Mitmachen gedrängt worden zu sein. Er beteuerte auch, an dem sexuellen Missbrauch selber nicht beteiligt gewesen zu sein, was durch entsprechende lästerliche Bemerkungen der beiden anderen Angeklagten indirekt bestätigt wurde. Zum Schluss fleht er um Gnade und sah dabei Eliza, die sich unter den Zuschauern befand, verzweifelt und hilfesuchend an. Dieser Blick berührte ihr Herz, sie glaubte seinen Beteuerungen. Sie hatte Mitleid mit dem jungen Mann. War es wirklich nur Mitleid? Oder war da noch etwas anderes, was sie dazu veranlasste, ihm großzügig zu verzeihen? Warum krampfte sich ihr Herz zusammen bei dem Gedanken, dass auch er zum Tode verurteilt werden würde?
Der Kapitän und seine beiden Beisitzer hatten sich zur Beratung zurückgezogen. Nervös wartete sie mit den Anderen an Deck auf das Urteil. Immer wieder wanderte ihr Blick auf den Jungen, der zusammengesunken und gesenktem Kopf da saß und auf die Besiegelung seines Schicksals wartete. Sie konnte nicht länger warten, sie eilte unter Deck zur Kajüte des Kapitäns. An der Tür blieb sie stehen und lauschte. Sie konnte die Männer reden hören, verstand aber nicht, wo rüber sie sprachen. Es waren Schritte zu hören und ein Stuhl wurde gerückt. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und klopfte an die Tür. Die Tür wurde geöffnet und Peter Woods sah sie überrascht an. "Eliza?" Sein Gesicht verdunkelte sich: "Wir haben unser Urteil noch nicht abschließend gefällt. Was gibt es so wichtiges, dass es keinen Aufschub duldet?", fragte Peter Woods ungeduldig. "Bitte Herr, hört mich an bevor ihr euer Urteil fällt." Sie sah dabei bittend an Peter Woods vorbei den Kapitän an, der gegenüber der Tür hinter seinem Schreibtisch dass. "Peter, lass sie uns anhören.", antwortete der Kapitän und nickte Eliza zu. Zögernd ging Peter zur Seite und schloß die Tür hinter ihr. Eliza stand nun mitten im Raum, drei Augenpaare auf sie gerichtet. "Herr, ich weiß, dass hier ein klares Urteil gesprochen werden muss. Dennoch möchte ich sie inständig darum bitten, bei dem Schiffsjungen Gnade walten zu lassen. Er bedauert zu tiefst und ich glaube ihm, dass er nur gezwungenermaßen mitgemacht hat und an der eigentlichen Schändung nicht aktiv beteiligt war." Sie sah die Männer flehend an. Von Peter Woods war nur ein verächtliches Schnauben zu hören, dann ergriff der Kapitän das Wort. "Ich finde es schon bemerkenswert, dass sich das Opfer für seinen Peiniger einsetzt. Ich weiß, dass du ein großes Herz hast, Eliza. Bedenke aber auch, dass er nun mal an der Tat beteiligt war, es nicht gemeldet und die zweite Freveltat damit auch nicht verhindert hat. Der Gerechtigkeit muss genüge getan werden." "Ja Herr, ich weiß. Doch flehe ich euch an, bei ihm wenigstens von der Todesstrafe abzusehen und Milde walten zu lassen.", sagte sie leise flehend. "Nun gut, wir werden deine Einwände bei der Urteilsfindung berücksichtigen." Wieder kam ein leicht verächtliches Schnauben von Peter Woods. "Oh, Danke Herr.", antworte sie erleichtert. "Lass uns jetzt bitte allein." Sie nickte dem Kapitän zu und verließ den Raum ohne Peter Woods noch eines Blickes zu würdigen.
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Eliza - zwischen Schicksal und Liebe
Historical FictionEliza gehört als Dienstmagd einer Handelsfamilie auch zur Besatzung des Handelsschiffs, der "Star of Hope". Auf einer der Handelsfahrt wird sie brutal von Mitglieder der Crew vergewaltigt. Doch trotz ihres jungen Alters ist Eliza stark und überlebt...