Die Wochen vergingen und Eliza's Sehnsucht wurde immer größer. Je mehr Zeit vergangen war um so mehr sehnte sie den Tag herbei, an dem Tom zurückkommen würde. Manchmal spielten ihre Sinne auch einen Streich und sie meinte Tom's Stimme gehört zu haben, vertraute Schritte oder seinen Geruch wahrzunehmen. Wenn Rose und Peter sie nicht immer wieder nötigten, an Vergnügungen teilzunehmen, wäre die Sehnsucht sicherlich noch schwerer zu ertragen. So wurde sie immer wieder von ihrer Sehnsucht abgelenkt und konnte dann auch für ein paar Stunden vergnügt und ausgelassen sein. Rose war auch jetzt in dieser schweren Zeit des Wartens und der Ungewissheit so oft wie möglich an Eliza's Seite. Eliza genoss diese Nähe mehr denn je, denn mit der neuen Liebe blühte Rose richtig auf und auch Peter tat die Verbindung sichtlich gut. "Ich habe meinen Sohn seit dem Tod seiner Mutter nicht mehr so gelöst und heiter gesehen.", stellte der Kapitän gegenüber Eliza erfreut fest. "Ich freue mich auch sehr für die beiden.", erwiderte Eliza und ergänzte: "Sie geben ein wunderbares Paar ab." Der Kapitän sah Eliza an. Das Lächeln aus ihrem Gesicht war mit einem Mal verschwunden. "Oh Papa, er fehlt mir so sehr.", schluchzte sie. Der Kapitän nahm seine Tochter in die Arme und Eliza vergrub dankbar ihr Gesicht an seiner Schulter. "Ich weiß mein Kind." Beruhigend strich er ihr über die Haare und wiegte sie sanft in seinen Armen. An manchen Tagen fühlte sie sich fürchterlich allein mit ihrer Sehnsucht und ihren Ängsten und dann war sie in solchen Augenblicken unendlich dankbar eine Familie zu haben, die ihr Geborgenheit gab.
Doch seit kurzer Zeit, immer wenn sie das Woods'sche Anwesen verließ, beschlich Eliza wieder ein Gefühl, welches sie schon lange nicht mehr gefühlt hatte, aber ihr beklemmend bekannt vorkam. Es war dieses ungute Gefühl von jemandem beobachtet zu werden, der nichts Gutes im Schilde führte. Unsicher sah sie sich um, konnte aber zunächst niemand entdecken. Sie war immer froh, wenn sie zum Anwesen des Kapitäns zurückgekehrt war. Eines Abends erzählte sie Rose davon. "Bist du dir sicher? Wer sollte dich denn hier verfolgen? Ich sehe keinen Grund, warum jemand einen Groll auf dich haben sollte.", wunderte sich Rose. "Ich weiß ja auch nicht. Aber als ich das letzte Mal dieses ungute Gefühl hatte....nun, ja, du weißt was dann passiert ist." Rose sah Eliza entsetzt an: "Eliza, an das darfst du gar nicht mehr denken!" "Ich habe eigentlich auch keine Angst, zumal ich ja auch nirgendwo alleine hingehe.", versuchte Eliza ihre entsetze Freundin mit einem Augenzwinkern zu beruhigen. "Nachdem, was du mir gerade erzählt hast, lasse ich dich erst recht nicht mehr aus den Augen.", erwiderte Rose bestimmt. Eliza lächelte: "Ich habe nichts dagegen." Sie bemühte sich nach außen Gelassenheit auszustrahlen, doch in ihrem Inneren war sie einigermaßen beunruhigt. Doch die Tage vergingen und nichts Nennenswertes passierte, außer dass dieses ungute Gefühl beobachtet zu werden ihr ständiger Begleiter war sobald sie das Haus verließ.
Es war wieder Markttag in Bendton und die beiden Frauen liefen durch die mit Menschen dicht gedrängten Gassen, um frisches Gemüse und Gewürze einzukaufen. Eliza versuchte dieses ungute Gefühl so gut es eben ging zu verdrängen, da sie sich mit Rose an ihrer Seite und in dem Gedränge einigermaßen sicher fühlte. Die beiden Frauen wanderten von Stand zu Stand und bestaunten das reichhaltige Angebot, besonders von fremdländischer Ware. Exotische Früchte, feinste Stoffe und fremdländische Handwerkskunst zogen die beiden besonders in ihren Bann. Doch schließlich mahnte Rose wieder sich den eigentlichen Aufgaben zu zuwenden. Rose strebte einem Stand eines Bauern zu, der seine frischen Feldfrüchte feilbot und prüfte die Ware, während Eliza neben ihr stand und sich das bunte Treiben anschaute. Plötzlich stand eine fremde Frau vor ihr, die sie nie zuvor gesehen hatte, aber aus deren Gesicht der blanke Hass Eliza entgegenschlug. Im Bruchteil einer Sekunde war Eliza klar, dass dieses ungute Gefühl der letzten Tage von dieser Frau ausging. Sie musste es gewesen sein, die Eliza die ganze Zeit beobachtet und verfolgt hatte. Doch ihr Motiv war ihr in diesem Augenblick noch völlig unklar, aber das änderte sich in den folgenden Sekunden. Die Frau beugte sich vor und kam dabei Eliza's Gesicht unangenehm nahe. "Wie lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet. Endlich kann ich den Tod meines Bruders rächen, du Hure! Nimm das dafür!, schmetterte die Frau hasserfüllt Eliza ins Gesicht. Noch während dieser Worte spürte Eliza einen stechenden Schmerz im Unterleib. Geschockt von den Worten und erschrocken von dem Schmerz sah sie wie die Frau etwas Metallenes in der Hand hielt und an ihrem Rock abwischte. Eliza presste ihre Hände auf die schmerzende Stelle und sah wie das Blut zwischen ihren Händen hervorquoll. Hilfesuchend sah sie sich um, keiner der Menschen um sie herum hatte etwas bemerkt und die Frau war bereits wieder in der Menge verschwunden. In diesem Augenblick drehte sich Rose um und sah in Eliza's entsetztes, schmerzverzerrtes Gesicht. "Eliza, was ist los?" Dann sah sie das ganze Blut auf ihrem Rock, an ihren Händen und ließ mit einem entsetzen Aufschrei den Korb fallen. Eliza merkte wie ihr die Sinne schwanden. Alles klang immer dumpfer und die Worte von Rose kamen nur noch kaum wahrnehmbar durch einen Schleier bei ihr an. Ihre letzten Gedanken bevor sie das Bewusstsein verlor, waren "Tom, hilf mir". Rose kniete verzweifelt neben ihr nieder und schluchzte: "Eliza, du darfst nicht schlafen. Neiiiin, Eliza bleib bei mir.", während sie sich angestrengt bemühte, die Blutung zu stoppen. Eliza jedoch konnte Rose Worte nicht mehr hören.
DU LIEST GERADE
Eliza - zwischen Schicksal und Liebe
Historical FictionEliza gehört als Dienstmagd einer Handelsfamilie auch zur Besatzung des Handelsschiffs, der "Star of Hope". Auf einer der Handelsfahrt wird sie brutal von Mitglieder der Crew vergewaltigt. Doch trotz ihres jungen Alters ist Eliza stark und überlebt...