Wir haben überlebt

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Als sie wieder erwachte, herrschte eine gespenstige Stille an Bord. Das Schiff lag ruhig mit leichter Schlagseite. Sie waren also nicht untergegangen. Sie spürte an ihrem Hinterkopf eine schmerzhafte Beule, doch ihre Sorge galt viel mehr den Menschen an Bord. Sie sah sich um, die Frauen schienen vollzählig zu sein und schliefen, immernoch angstvoll aneinander geklammert. Mühsam rappelte sie sich auf, ihr Kopf brummte. Sie tastete sich langsam zur Tür. Auf dem Weg zum Niedergang wäre sie beinahe über zwei Matrosen gestolpert. Sie saßen bzw. lagen an die Wand gelehnt und Eliza dachte zunächst die Männer seien tot. Doch als sie sich zu ihnen herunterbeugte, vernahm sie leise Atemgeräusche. Vorsichtig stieg sie über die Männer und krabbelte den Niedergang hinauf. Sie kniff die Augen zusammen und blinzelte, die Sonne schien ihr hell ins Gesicht. Als sich ihre Augen an das helle Licht gewöhnt hatten, nahm sie erst nach und nach wahr, welche massiven Schäden der Sturm an Deck angerichtet hatte. Sie blickt auf ein Chaos von geborstenem Holz, zerfetzten Segeln und zerstörter Takelage. Doch wo waren die Menschen. Zunächst konnte sie in dem Chaos niemanden von der Mannschaft ausmachen, doch dann hörte sie leise Stimmen und ein Stöhnen. Auf dem Achterdeck fand sie einen Teil der Männer. Alle waren noch sehr erschöpft und einige verletzt, teilweise auch schwer. Sie sah sich suchend um, sie konnte aber weder Tom noch Peter noch den Kapitän entdecken. "Wo ist der Kapitän oder sein Sohn?", fragte sie einen der Männer sorgenvoll. Der Angesprochene starrte sie an und deutete dann stumm auf den hinteren Teil des Schiffes. Sie eilte in die hingewiesene Richtung und fand dort den Kapitän auf dem Boden neben seinem Sohn kniend. Sie kniete sich auf die andere Seite und fühlte nach Peters Puls. War nur sehr schwach fühlbar, aber gottseidank lebte er noch. Dann sah sie den Kapitän an und dieser sah sie flehend an: "Bitte Eliza, hilf meinem Sohn! Er ist mein Ein und Alles, er darf nicht sterben." Dann erst nahm sie die klaffende Wund an Peters Beim wahr, die sein Vater bis dahin notdürftig versucht hatte abzudrücken, um die Blutung zu stoppen. Sie nickte und begann sofort ihren Unterrock in Streifen zu reißen, um die Wunde verbinden zu können. Mit Salzwasser wusch sie die Wunde aus und verband sie anschließend sorgfältig.
Nach und nach sammelten sich alle Überlebenden auf Deck. Nervös suchte sie unter den überlebenden Männern nach Tom. Als sie ihn endlich erspähte, lief sie sofort zu ihm und fiel ihm erleichtert um den Hals. Er flüsterte ihr erschöpft ins Ohr: "Wir haben überlebt, Eliza!" "Ja, und jetzt wird wieder alles gut.", antwortete sie leise. Er nickte, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und befreite sich dann langsam aus ihrer Umarmung.
Am Nachmittag, nachdem alle Verletzten versorgt waren, versammelte der Kapitän die Überlebenden der Besatzung der Star of Hope auf dem Achterdeck, um das weitere Vorgehen zu sprechen. Ein Drittel der Besatzung war entweder tot, vermisst oder verletzt. Ein Mast der Star of Hope war gebrochen, die Takelage schwer beschädigt. Derzeit trieb das Schiff manövrierunfähig mit leichter Schlagseite in den Sonnenuntergang. Es würde eine große Anstrengung aller Überlebenden an Bord nötig sein, das Schiff zumindest wieder notdürftig segelfähig zu machen.

Eliza - zwischen Schicksal und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt