Eliza war aufgeregt und hatte die Nacht kaum geschlafen. Sie freute sich darauf, einen ganzen Tag mit Tom verbringen zu können und versuchte, die schmerzhaften Gedanken an den bevorstehenden Abschied zu verdrängen. Sie hatte ein hübsches hellblaues Kleid mit weißer Spitze geliehen bekommen und sass nun auf einem Stuhl und ließ sich von Rose die Haare machen. Zum ersten Mal würde Tom sie ohne Haube und Arbeitskleidung sehen. Wie würde er wohl reagieren?
Sie waren gerade fertig, als ihnen mitgeteilt wurde, dass Eliza erwartet wurde. Rose drückte ihre Freundin noch, bevor diese hinüber eilte in das Kapitänshaus. Als sie den Flur entlang Richtung Eingangshalle lief, hörte sie bereits die Stimmen von zwei Männern. Ihr Herz klopfte schneller, Blut schoß ihr in die Wangen. Im Eingangsbereich standen Peter und Tom in ein angeregtes Gespräch vertieft, so dass sie die Anwesendheit von Eliza zunächst nicht bemerkten. Tom hatte sich auch herausgeputzt und sah in ihren Augen umwerfend aus. Sie war so fasziniert von seinem Anblick, dass sie garnicht bemerkte, wie ihr Vater den Raum betrat und bemerkte: "Gentlemen, dass ist aber unhöflich, einer Frau keinerlei Aufmerksamkeit zu schenken, zu mal wenn sie dazu noch so hübsch ist." Der alte Herr ging auf Eliza zu, lächelnd nahm er ihre Hand, küsste sie und bemerkte mit ein wenig stolz: "Du siehst wunderschön aus, meine Liebe. Ich wünsche dir einen schönen Tag." Der Kaptän verließ den Raum. Erst jetzt bemerkte sie, dass Peter und Tom sie völlig fasziniert anstarrten. Peter fing sich als erster wieder und ging lächelnd auf sie zu: "Ich ahnte ja schon, dass unter dieser grauen Haube eine wunderschöne Frau stecken muss. Schwesterchen, du siehst umwerfend aus." Er verbeugte sich und küsste ihre Hand. Dann drehte er sich um, legte ihren Arm auf seinen und führte sie zu Tom. "Schade, dass du ja heute schon etwas vorzuhaben scheinst, sonst würde ich dich bitten, mich zum Lunch zu begleiten." Peter zwinkerte Tom zu und entfernte sich. Eliza und Tom standen sich gegenüber und er war immernoch völlig von ihrem Anblick gefangen. Er stammelte: "Du ... bist ..... so.....so.....wunderschön....wie ein Schmetterling." Sie lächelte und merkte, wie ihr wieder das Blut in die Wangen schoß. Schließlich nahm er ihren Arm und sie verließen gemeinsam das Kapitänshaus.
Mit einem Wagen ging es die Küste entlang zu einer Stelle oberhalb einer Steilküste mit einem wunderschönen Blick aufs Meer. Er half ihr aus dem Wagen und holte Decken, Kissen und einen großen Korb aus dem Wagen. Während sie den Ausblick und den Wind, der ihr Kleid umspielte, genoss, bereitete Tom das Picknick vor. Nachdem alles fertig war, gesellte er sich zu Eliza, schlang seine Arme um ihre Hüften und sog dabei den Duft ihrer Haare ein. Eliza lehnte sich glücklich an Tom, spürte seine Wärme und sein Herzschlag. Sie schloß die Augen und ließ sich auf der Woge des Augenblicks davontragen. Tom küsste sie sanft in den Nacken und flüsterte ihr ins Ohr: "Madam, es ist alles bereitet." Sie lächlte und ließ sich von Tom zum Picknickplatz führen. Tom hatte keine Kosten und Mühen gescheut und für sie beide war es ein Festmahl. Nach dem Essen gingen sie Hand in Hand spazieren. Sie unterhielten sich lange über die Vergangenheit und die Zukunft wobei zwei Themen vermieden wurden, die schrecklichen Ereignisse auf der Star of Hope und sein bevorstehender Abschied. Aber sie lachten und scherzten auch ausgelassen und ungezwungen miteinander wie Kinder. Sie genossen beide jede Minute ihres Zusammenseins.
Später ruhten sie sich gemeinsam auf der Decke aus. Eliza hatte sich an Tom gekuschelt und schlief. Während er ihren Schlaf bewachte, liebkoste er ihre Wangen und strich ihr sanft über das Haar. In diesem Augenblick war ihm die Größe seines Glücks so richtig bewusst. Es bestärkte ihn aber auch in seiner Entscheidung, diese letzte Fahrt noch zu machen, obwohl auch sein Herz schwer wurde bei dem Gedanken an die lange Trennung und Eliza hier zurücklassen zu müssen. Doch er hatte ein Ziel und für ein gemeinsame glückliche Zukunft musste er diesen Schritt tun. Inzwischen war Eliza wieder wach und nach einer Zeit des Schweigens fragte sie besorgt: "Musst du wirklich fort?" "Ja, Eliza, aber ich tue es für uns." Eliza seufzte leise. Wenn es jetzt schon so schmerzte, wie musste es sich dann erst anfühlen, wenn er weg war? Sie versuchte diese Gedanken so gut wie möglich zu verdrängen und stattdessen jeden Augenblick ihres Zusammenseins in sich aufzunehmen und in ihrem Herzen einzuschließen.
Die Sonne senkte sich bereits über dem Horizont als Tom und Eliza ihren Picknickplatz wieder verließen und mit dem Wagen zurück zum Haus des Kapitäns fuhren. Dort hob er sie vom Wagen und zog sie eng an sich. Er sah ihr in die Augen und sie hatte das Gefühl, dass ihm noch etwas auf der Seele brannte. Tom holte tief Luft: "Verzeih' mir meine vielleicht törichte Frage, aber ich möchte gerne deine Worte in meinem Herzen einschließen und mit auf die Reise nehmen. Sie werden mir jeden Tag aufs Neue helfen, die Trennung von dir zu überstehen." "Welche Frage?", fragte Eliza neugierig. Tom holte abermals tief Luft: "Eliza, liebst du mich?" Sie sah ihn und strich ihm über das Haar. "Ja, Tom, ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr, dass für mich höchste Glückseligkeit und tiefster Schmerz nahezu Eins ist." Überwältigt von ihren Worten küsste er sie voller Leidenschaft. Langsam trennten sie sich. Doch nach drei Schritten blieb sie plötzlich stehen, drehte sich nochmal um und sah Tom mit feuchten Augen an: "Denke immer daran, Tom Foulder, egal wo hin dich dein Weg führt und egal wie lange es dauern wird, ich warte auf dich." Dann eilte sie davon. Tom stand da und sah ihr nach. Er blinzelte und seine Augen bekamen einen leicht silbrigen Schimmer.
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Eliza - zwischen Schicksal und Liebe
Historical FictionEliza gehört als Dienstmagd einer Handelsfamilie auch zur Besatzung des Handelsschiffs, der "Star of Hope". Auf einer der Handelsfahrt wird sie brutal von Mitglieder der Crew vergewaltigt. Doch trotz ihres jungen Alters ist Eliza stark und überlebt...