Das Urteil

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Ein Raunen ging durch die an Deck auf das Urteil wartende Mannschaft der Star of Hope als nach einer gefühlten Ewigkeit der Kapitän und seine zwei Beisitzer wieder an Deck kamen. Alle waren gespannt auf das Urteil, dass nach Meinung vieler an Deck nur auf Tod durch Erhängen lauten konnte, denn auf Vergewaltigung stand die Todesstrafe. Eliza versuchte in den Gesichtern der drei Männer zu lesen wie ihr Urteil wohl lauten würde. Peter Woods sah unzufrieden aus. Eliza war nervös und sah wieder voller Sorgen auf den jungen Angeklagten, der immer noch regungslos mit gesenktem Kopf auf den Decksplanken saß. Schließlich wurde er unsanft hochgerissen. "Die Angeklagten und alle Anwesenden haben sich zur Urteilsverkündung zu erheben!", ertönte es seitens des Steuermanns. "Als Kapitän der Star of Hope vertrete ich hier das Recht und Gesetz unseres Landes an Bord. Laut unserer königlichen Rechtsprechung steht auf Vergewaltigung und Schändung die Todesstrafe." Ein Gemurmel bracht los, Eliza konnte ihren Aufschrei gerade noch unterdrücken. Sie sah wie der Schiffsjunge getroffen zusammensackte und unsanft wieder hochgerissen wurde. Die beiden anderen brachen in wilde Beschimpfungen aus. "Ruuuhe!", donnerte es übers Deck und das Gemurmel verstummte sofort und auch die beiden pöbelnden Angeklagten hielten erschrocken inne. "Daher verurteile ich die beiden Matrosen Jack Winters und Bob McLean zum Tode durch den Strang. Bei dem Jungmatrose Tom Foulder wird von der Todesstrafe abgesehen, da er zum Einen von den Mitangeklagten zur Beteiligung an den Taten gezwungen wurde und an der eigentlich Schändung nicht aktiv beteiligt war wie von ihm und nach Aussage eines Zeugen unserer Meinung nach glaubhaft gemacht werden konnte. Außerdem zeigt sich der Angeklagte zutiefst einsichtig und reumütig. Nach intensiver Beratung kamen wir zu dem Schluß, dass in diesem Fall eine Bestrafung mit 50 Peitschenhieben auf den nackten Oberkörper angemessen ist. Die Urteile sind unmittelbar zu vollstrecken." Die Urteile wurden mit einem wilden Gemurmel quittiert. Eliza war erleichtert, aber trotzdem machte sie sich um den Jungen große Sorgen. Derweil wurden zwei Henkersschlingen an dem Mast der Star of Hope befestigt. Die Angeklagten verfielen wieder in wilde Beschimpfungen auf die Frauen im Allgemeinen und Eliza im Besonderen, aber auch auf den Kapitän und die gesamte Besatzung bis die Henkersschlinge sich um ihren Hals zuzog und sie für immer verstummten. Ihre toten Körper wurden dem Meer übergeben. Danach wurde der junge Matrose mit dem Bauch zum Mast an diesem festgebunden. Bei jedem Schlag johlte die Menge und Eliza zuckte zusammen. Sie litt mit ihm, sie konnte jeden Schlag spüren, als wenn er sie selber träfe. Nach der Hälfte der Schläge verließ sie das Deck, sie konnte es nicht mehr ertragen.
Peter Woods hatte während der ganzen Urteilsverkündung und -vollstreckung Eliza beobachtet. Er war mit der Gnade für Tom Foulder nicht wirklich einverstanden gewesen, aber er würde seinem Vater nie widersprechen und irgendwie bewunderte er ihren Mut sich für andere einzusetzen. Er hatte ihre Gefühlsregungen beobachtet und wie sie mit dem Jungen mitlitt. Kopfschüttelnd sah er hinter ihr her, er konnte sie nicht wirklich verstehen wie man sich mit seinem Peiniger - ob tatsächlich aktiv beteiligt oder nicht spielte für ihn keine Rolle - so emotional verbunden fühlen konnte. Was empfand Eliza wirklich für den Jungen? Es wunderte ihn selber, warum ihm die Klärung dieser Frage so wichtig schien.

Eliza - zwischen Schicksal und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt