Die Mary Lane war inzwischen schon mehrere Monate unterwegs, hatte viele Häfen angelaufen und viel Ware transportiert. Als sie den letzten Hafen verließen, stand Eliza vorne am Bug und sah auf das weite Meer hinaus. Die Sonne näherte sich dem Horizont, es schien eine klare Nacht zu werden. Eliza war in den letzten Wochen nachdenklich geworden und eine innere Unruhe quälte sie. Inzwischen hatte sich Tom zu ihr gesellt. "Der Kapitän und ich haben beschlossen, dass es nach vielen guten Geschäften Zeit wird, wieder nach Hause zurückzukehren.", teilte Tom ihr freudig mit. Er schlang von hinten sein Arme um ihre Hüften und fragte: "Freust du dich?" Er ahnte nicht, welch eine Last er Eliza mit dieser Nachricht gerade von den Schultern genommen hatte. Sie atmete erleichtert tief durch: "Ja. Ich hätte dich sonst darum gebeten, bald wieder nach Hause zurückzukehren. Ich habe doch Rose verprochen, bei der Geburt ihres Babys dabei zu sein." Eine lange Pause folgte. Tom hatte irgendwie den Eindruck, dass dies nicht der einzige Grund war und sie irgendetwas beschäftigte. Etwas unbeholfen fragte er schließlich: "Geht es dir gut, mein Schatz oder stimmt irgendetwas nicht?" Sie schüttelte sofort vehement den Kopf: "Nein, mir geht es gut, alles bestens." Seinem Eindruck nach fiel ihre Reaktion jedoch etwas zu heftig aus und klang zudem nicht besonders überzeugend. Doch er wusste, dass es zwecklos war, weiter zu fragen, da sie scheinbar nicht gewillt war, sich ihm mitzuteilen. Er schlang seine Arme noch etwas enger um ihre Hüften und merkte wie sich ruckartig ihr Körper verspannte. Er ging darüber hinweg und bemerkte stattdessen leicht amüsiert: "Sag mal kann das sein, dass das exotische Essen und die zugegebenermassen beschränkte Bewegungsfreiheit deine Hüften etwas runder werden ließen?" Die Worte waren kaum seinem Munde entschlüpft, da rieß sie sich ruckartig los, sah ihn kurz mit einem Gesichtsausdruck an aus einer Mischung von Wut und Verzweiflung, dann rannte sie unter Deck. Noch von der völlig unerwarteten Heftigkeit ihrer Reaktion überrascht sah er ihr fassungslos hinterher. Er bereute seine harmlos gemeinte Stichelei zu tiefst, doch er konnte überhaupt nicht verstehen, warum sie darauf so heftig reagiert hatte.
Eliza war selber geschockt über die Heftigkeit der Gefühle, die Toms kleine Stichelei bei ihr plötzlich ausgelöst hatte. Sie lag auf ihrer Koje und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie verstand nicht, was mit ihr los war, was in den letzten Wochen sich bei ihr verändert hatte. Sie hätte jetzt dringend den Rat ihrer besten Freundin gebraucht. Zum ersten Mal seit Wochen hatte sie richtig Heimweh und fühlte sich allein. Plötzlich spürte sie eine Hand sanft durch ihr Haar streichen: "Lass deinen Kummer raus, Liebes. Nach einer dunkelen Nacht scheint immer wieder die Sonne." Mary hatte sich neben sie gesetzt. Ihre Worte und ihre sanfte Stimme taten ihr gut. Langsam beruhigte sie sich wieder. Mary machte anstalten wieder zu gehen. "Bitte, kannst du nicht noch etwas bei mir bleiben?", bat Eliza. Mary lächelte: "Ein wenig Zeit werde ich noch haben. Magst mit mir teilen, was dich so quält?" "Ich weiß ja nicht, was mit mir los ist, das ist ja was mich so verwirrt.", antworte Eliza etwas ratlos. "Na Liebes, dann fang doch einfach mal mit dem Offensichtlichen an.", meinte Mary mit einem aufmunternden Lächeln. Eliza schaute sie verwirrt an: "Was meinst du?" Sie folgte Marys Blick und hielt reflexartig ihre Hand schützend über die leichte Wölbung ihres Bauches. Mary nickte: "Doch Liebes, tief in dir drin weißt du es längst. Du hast es nur schon zu lange verdrängt. Warum wehrst du dich so dagegen? Du müsstes doch glücklich sein. Du hast einen Mann, der dich liebt und nun hat der liebe Gott eure Liebe beschenkt. Es ist das Natürlichste der Welt, wenn zwei sich lieben." Wieder liefen Eliza die Tränen über die Wangen. Mary hatte recht, sie hatte es einfach nicht wahr haben wollen. Nun war es endlich raus. "Du hast recht, ich habe schon länger irgendwie geahnt, dass ich ein Kind in mir trage. Aber ich habe es verdrängt, weil ich Angst habe. Ich weiß nicht, ob ich schon bereit dazu bin, ob ich die Verantwortung für so ein Wesen tragen will und kann. Ich hätte es mir so gerne erst mal bei Rose angeschaut. Ich dachte, ich hätte noch etwas mehr Zeit gehabt mich auf dieses neue Abenteur vorzubereiten." Mary nahm Eliza's Hand und antwortete: "Der Herrgott schickt uns neue Aufgaben mit denen wir wachsen und er weiß genau, wann wir bereit dazu sind, uns diesen Aufgaben zu stellen. Hab Vertrauen, lass dich darauf ein und vorallem freue dich, mein Liebes." Eliza nickte: "Ich werde es versuchen. Aber bitte, sag niemandem etwas davon. Ich möchte es zu einem geeigneten Zeitpunkt selber mitteilen." Mary nickte ebenfalls: "Versprochen! Aber nur wenn du mir versprichst, dass du ab jetzt etwas mehr noch auf dich Acht gibst. Ich werde jedenfalls ab jetzt ein wachsames Auge auf dich haben." Eliza lächelte: "Tu das ruhig. Aber ich werde nun besser auf mich aufpassen, versprochen. Ich möchte mein Geschenk keinesfalls verlieren." Mary sah Eliza aufmunternd an: "So ist's recht, mein Liebes. Und nun raus mit dir an die Arbeit, damit wir bald nach Hause kommen. Ich hätte nämlich auch nichts dagegen, nach so langer Zeit wieder unser geliebtes Bendton wiederzusehen." Sie hielt Eliza ihre Hand hin und half ihr aufzustehen. Sie nahm Eliza liebevoll wie eine Mutter in die Arme. Anschließend verließen sie beide gut gelaunt den Frauenbereich.
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Eliza - zwischen Schicksal und Liebe
Historical FictionEliza gehört als Dienstmagd einer Handelsfamilie auch zur Besatzung des Handelsschiffs, der "Star of Hope". Auf einer der Handelsfahrt wird sie brutal von Mitglieder der Crew vergewaltigt. Doch trotz ihres jungen Alters ist Eliza stark und überlebt...