Eliza kam aus dem Staunen nicht mehr raus: So viele große prächtige Häuser, so viele Menschen in bunten und prächtigen Gewändern. Es war als tauche sie in eine andere Welt ein. Tom beobachtete sie und lächelte die ganze Zeit dabei. Er zeigte ihr die Stadt und am Ende der Stadtführung standen sie vor einem kleinen Geschäft in einer Seitenstraße etwas ab von dem ganzen Trubel. Eliza atmete tief durch, die Ruhe tat gut nach dem ganzen Gewusel in den Straßen und den vielen Eindrücken. Fragend sah sie Tom an: "Warum sind wir hier?" Er lächelte sie an: "Dieser Schneider hier soll ein Geheimtipp in Benshep sein und ein wahrer Meister seiner Kunst." Sie sah ihn völlig verwirrt an. "Wir sind in den nächsten Tagen zu einer Gesellschaft eingeladen und ich denke, dass deine graue Arbeitskleidung da nicht so passend wäre. Naja, da du als meine Frau mich nun öfters zu solchen Ereignissen begleiten wirst, könntest du ein kleine Grundausstattung an hübschen Kleidern gebrauchen." Eliza verschlug es die Sprache und sie schnappte nach Luft. Völlig überwältigt liess sie sich in seine Arme fallen. Arm in Arm betraten sie den Laden und eine ältere Dame kam auf sie zu: "Guten Tag, Sir. Mein Name ist Mrs. Wittmore. Wie kann ich ihnen helfen, Sir?" "Ich hatte mich ankündigen lassen, Thomas Foulder und Gemahlin." "Achja, herzlich Willkommen, treten Sie doch näher, Sir." "Mrs. Wittmore, nicht ich bin die Hauptperson sondern meine Frau." "Selbstverständlich, Sir. Sie ist bei uns in besten Händen. Mrs. Foulder, folgen Sie mir in unsere Ankleidezimmer." Eliza zögerte: "Bleibst du nicht hier?" "Nein, mein Schatz, ich habe noch geschäftliche Dinge zu regeln und hier würde ich nur stören. Lass dir ein paar hübsche Kleider machen. Ich hole dich dann nachher wieder ab. Tschüss mein Schatz." Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und verließ den Laden. Noch völlig verwirrt schaute sie ihm nach. "Mylady, kommen sie." Die Dame nahm sie behutsam am Arm und führte sie in die hinteren Räume.
Am nächsten Tag wurde eine Kleidertruhe an Bord gebracht und in den Frauenbereich getragen. Alle Frauen waren neugierig auf die neue Garderobe von Eliza und scharrten sich aufgeregt um Eliza als sie die Truhe öffnete. Die Frauen staunten und Eliza war es ein wenig peinlich. Sie traute sich garnicht eines der Kleider anzuziehen. Tom hatte ihr mitteilen lassen, dass er sie am Abend abholen und sie zu dieser Gesellschaft fahren würden. Mary, die Älteste der Frauen, schickte die anderen weg und half Eliza bei der Garderobe und machte ihr die Haare. Als sie fertig war betrachte sie zufrieden ihr Werk. "Jetzt siehst du aus wie eine Lady.", schwärmte Mary. Eliza drehte sich vorsichtig in dem neuen Kleid. Sie wagte es kaum sich zu bewegen. Es war alles so ungewohnt und ihr Herz schlug ihr jetzt schon bis zum Hals. Hoffentlich würde sie sich nicht blamieren. Da kam Roselyn, sie setzte an etwas zusagen, doch ihr blieb der Mund offen stehen. "Sag, was du zu sagen hast und mach den Mund wieder zu.", herrschte sie Mary an. Roselyn schluckte und stammelte immernoch völlig überwältig: "Tom ist da......" Mary nickte Eliza lächelnd zu: "Nu geh' schon, meine Liebe. Du schaffst das schon." Vorsichtig ging sie mit dem Kleid an Deck, immer mit der Angst auf den Saum zutreten und zu stolpern. Als sie an Deck ankam ging ein Raunen durch die Mannschaft und alle starrten sie an. Eliza errötete und wäre am liebsten im Boden versunken. Dann nahm sie allen Mut zusammen und schritt das Deck entlang auf Tom zu. Jetzt erst bemerkte sie, dass auch er sich rausgeputzt hatte. Er sah aus wie ein Gentleman. Auch er konnte seinen Blick nicht mehr von ihr lassen, so gefangen war von dem Bild was er vor sich sah. Sie lächelte ihn an: "Gefällt dir was du siehst?" Er nickte nur und bot ihr seinen Arm an. Zusammen fuhren sie zu der Gesellschaft.
Sie war selber überrascht wie schnell sie sich in ihrer neuen Rolle zurechtfand. Alle waren fasziniert von ihr und behandelten sie sehr zuvorkommen. Gerade ihre Natürlichkeit kam bei den Anwesenden gut an. Wenn die wüssten, dass ich aus dem Waisenhaus komme, dachte sie sich. Tom dagegen kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Er erkannte seine Frau fast nicht wieder und fragte sich, welche verborgenen Facetten wohl noch in seiner Frau steckten. "Du hast heute abend kaum mit mir gesprochen.", beschwerte sich Eliza mit einem Lächeln. "Du siehst aus wie eine Lady, du verhältst wie eine Lady, ich kenne mich bei dir nicht mehr aus. Wenn ich nicht schon bis in die Haarspitzen in dich verliebt wäre, dann wäre ich es spätestens jetzt." Er zog sie leidenschaftlich in seine Arme und sah sie voller Liebe an. "Nicht doch, hier kann uns doch jeder sehen.", versuchte sie sich lächelnd gegen ihn zu wehren. "Ist mir egal.", antwortete er trotzig, "es darf hier ruhig jeder sehen wie sehr ich meine Frau liebe und bewundere." Lachend aber nachdrücklich befreite sie sich aus seinen Armen. "Du bist bisweilen unmöglich, Tom Foulder, aber ich verzeihe dir." Sie hakte sich bei ihm unter und gemeinsam kehrten sie gut gelaunt zur Gesellschaft zurück.
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Eliza - zwischen Schicksal und Liebe
Historical FictionEliza gehört als Dienstmagd einer Handelsfamilie auch zur Besatzung des Handelsschiffs, der "Star of Hope". Auf einer der Handelsfahrt wird sie brutal von Mitglieder der Crew vergewaltigt. Doch trotz ihres jungen Alters ist Eliza stark und überlebt...