Sie stand an der Reling und sah aufs blaue Meer hinaus. Als sie bemerkte, dass sich jemand von hinten näherte, zuckte sie zusammen. Sie durfte im Moment eigentlich garnicht hier oben sein. Ruckartig drehte sie sich um und sah in das Gesicht von Peter Woods, dem Sohn des Kapitäns. Er sah sie forschend an und stellte sich dann neben sie an die Reling. Nach einer gefühlten Ewigkeit des Schweigens fragte er, ohne sie dabei anzuschauen: "Warum?" "Ich verstehe nicht.", antwortete sie verwirrt. "Warum für einen Schänder einsetzen, der mitgeholfen hat sie schwer zu verletzen, um ihn vor dem Todesurteil zu bewahren?" "Er ist noch zu jung, um die volle Verantwortung für die Tat zu übernehmen. Allein wäre er zu sowas nicht fähig gewesen. Er hat seine Strafe bekommen und eine zweite Chance verdient.", antwortete sie leise aber bestimmt. Er sah sie von der Seite an: "Sie haben ein viel zu großzügiges Herz." Es schien für sie so als wäre eine gewisse Sorge in seinem Unterton. Aber warum sollte ihn schon groß ihr Schicksal interessieren. Sollte da etwa mehr sein als nur vages Interesse an ihrer Person? Sie schüttelte innerlich den Kopf ob der Gedanken die ihr ganz kurz durch den Kopf schossen. Sie drehte sich eilig um und verschwand wieder unter Deck.
Er blieb noch eine ganze Weile an der Reling stehen in Gedanken versunken. Das Schicksal des Mädchens und wie sie damit umging, berührte ihn. Trotz ihrer jungen Jahre war sie stark und unbeirrt in ihrem Denken und Handeln. Und dennoch verspürte er das dringende Bedürfnis, sie zu beschützen. Seine Gefühle für sie verwirrten ihn. Sie war doch bloß eine Dienstmagd, der das Schicksal übel mitgespielt hatte. Nein! Da war mehr.... Er würde sie in Zukunft beschützen! Niemand würde ihr wieder etwas antun! Er seufzte. Voller widerstreitender Gefühle verließ er schließlich auch das Deck.
Eliza kehrte eilig zu den anderen Frauen unter Deck zurück. Gedankenverloren nahm sie ihre Näharbeit wieder auf, brachte aber kaum einen Stich zu Stande. "Eliza! Was ist denn heute bloß los mit dir?", fragte Rose ihre Freundin inzwischen bereits zum vierten Mal, nun mit lauter Stimme. Eliza zuckt fürchterlich zusammen. Sie war mit ihren Gedanken weit weg gewesen. "Ähm, ich weiß nicht. Mir ist heute irgendwie sonderbar.", antworte Eliza leise und nachdenklich. Rose sah ihre Freundin besorgt an. Irgendetwas schien Eliza schwer zu beschäftigen. "Kann ich dir helfen? Wenn du dir etwas von der Seele reden magst, ich bin jederzeit eine gute Zuhörerin." Rose legte ihrer Freundin den Arm auf ihre Schulter und zog sie sanft zu sich. "Ich weiß.", flüsterte Eliza. Dankbar lehnte sie ihre Kopf an Rose Schulter und schloss die Augen. "Ich bin so verwirrt.", flüsterte Eliza leise. "Mir ist ganz schwindelig. So viele Gedanken und Gefühle, die ich nicht zu deuten vermag..... " Rose strich ihr sanft übers Haar und lächelte.
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Eliza - zwischen Schicksal und Liebe
Historical FictionEliza gehört als Dienstmagd einer Handelsfamilie auch zur Besatzung des Handelsschiffs, der "Star of Hope". Auf einer der Handelsfahrt wird sie brutal von Mitglieder der Crew vergewaltigt. Doch trotz ihres jungen Alters ist Eliza stark und überlebt...