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Philips Kopf schaut aus dem Badezimmer heraus, Noahs Herz rutscht in die Hose und Colins Kinnlade liegt auf dem Boden. 

„Fuck", ist das erste, was Philip von sich gibt, nachdem sie sich alle nur ein paar Sekunden wortlos angestarrt haben. Colin kann nur mit weit aufgerissenem Mund zwischen den Zwillingen hin und herschauen, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Und Noah weiß nicht, wo ihm der Kopf steht. Er starrt auf den Boden und betet, dass das gerade nicht passiert. Philip hat seinen Kopf wieder zurück ins Badezimmer gezogen und direkt abgeschlossen. 

„Wa...Was ist hier los?", fragt Colin stotternd und zeigt auf die Stelle, wo Philip gerade noch zu sehen war. „Das ist ne längere Geschichte", antwortet Noah und führt Colin vorsichtig ins Wohnzimmer, wo er ihn auf einem Stuhl platziert. 

„Warte kurz, okay?". Noah holt ein Handtuch aus dem Regal im Schlafzimmer und bringt es Philip. Gerade als der jüngere Zwilling sich den Stoff um die Hüften gebunden hat, hören sie die Tür ins Schloss fallen. Noah rennt direkt ins Wohnzimmer und sieht nur 2 leere Stühle. Colin ist abgehauen. 

Das sagt er auch Philip, der sich nur durch die Haare fährt. „Wir müssen sichergehen, dass er es niemanden erzählt", überlegt er. Noah hat schon sein Handy in der Hand und wählt Colins Nummer. Er wartet, allerdings springt nur die Mailbox an. Dann probiert er es nochmal, wieder nur die Mailbox. 

„Philip, wir sind am Arsch".


Am nächsten Tag geht wieder Noah zur Schule. Mit einem stark mulmigen Gefühl im Bauch. Er muss umbedingt mit Colin reden. In der ersten Stunde haben sie Mathe und Noah könnte kotzen. Mathe ist schlimmer als alles andere, zusammen mit Französisch. Wie gut, dass sie das direkt danach haben...nicht. 

Eigentlich hätte Noah lieber Philip in die Schule geschickt, aber er muss die Sache mit Colin klären. Eigentlich müssen die Zwillinge das zusammen machen, allerdings weiß Noah besser, wie er zu Colin durchkommt.

Mitten im Unterricht, als Herr Chung zum Kopierraum muss und der Klasse Aufgaben gegeben hat, traut sich Noah Colin anzusprechen. „Das was gestern passiert ist, wir müssen darüber reden. Bitte". Colin reagiert erst nicht und Noah denkt, dass er ihn womöglich nicht gehört hat, aber der Lockenkopf dreht seinen Kopf schlussendlich doch noch zu ihm. 

„Ich musste gestern weg, aber ich hätte schon gerne noch eine ausführliche Erklärung. Kann ich nach der Schule mit zu dir?". Noah nickt und versucht es mit einem Lächeln. Colin versucht ebenfalls dieses zu erwidern, allerdings bildet sich auf seinem Gesicht nur eine schmale Linie.


Noah schließt die Tür auf und gewährt Colin den Eintritt. Dieser stellt erst seinen Rucksack in eine Ecke, dann zieht er die dünne Jacke aus und stellt seine Schuhe zu den anderen. „Willst du was trinken?", fragt Noah und stellt seine Tasche zu Colins. 

„Ja, ein Wasser", antwortet Colin und zusammen gehen sie in die Küche, wo Noah Colins Wasser vorbereitet. Ein paar Sekunden später tritt Philip dazu, mit leicht gesenktem Kopf. Er trägt seine Haare offen, damit Colin sie nicht die ganze Zeit verwechselt. 

„Hi, Colin", begrüßt er den Lockenkopf. Wieder liegt etwas Schock in Colins Augen, allerdings nicht so großer. Er hat die beiden schon zusammen gesehen, er weiß, dass es sie zweimal gibt. 

„Hey", flüstert er und stellt sein Glas auf das Regal, der in der Küche steht. Zu dritt gehen sie ins Schlafzimmer und setzte sich auf die Matratze. Philip und Noah sitzen nebeneinander bei den Kopfkissen und Colin nimmt ihnen gegenüber am Fußende Platz. 

„Also, wir sind Zwillinge", fängt Noah an. 

„Hätte ich echt nicht gedacht", meint Colin daraufhin nur trocken. 

„Ich bin Noah und das ist Philip", erklärt Noah unbeeindruckt weiter und deutet auf sich und seinen Bruder. „Wir sind zu Hause rausgeworfen worden und sind nach Erfurt gekommen. Ich hab mich bei einer Schule beworben und Philip bei einem Job. Seitdem wechseln wir uns ab. Manchmal geh ich unter meinem Namen zur Schule oder unter seinem Namen arbeiten. Und andersrum", erklärt Noah weiter. Die Details lässt er weg, er muss Colin noch nicht alles erzählen. 

„Krass". Das ist die einzige Reaktion, die sie von Colin bekommen. Ihm kommt diese ganze Sache nur verwirrend vor. 

„Ich hab ultra viele Fragen, aber eine ist wirklich wichtig", sagt er dann. Noah und Philip verstehen, dass er viele Fragen haben muss. 

„Welchen von euch hab ich geküsst, welcher hat mich gekorbt und in wen hab ich mich verliebt?", stellt Colin seine Fragen. Noahs Herz beginnt bei dem Wort ‚verliebt' schneller zu schlagen. Colin hat sich wirklich in ihn verliebt. 

„Also, du hast mich geküsst, Noah hat dir aber den Korb gegeben. Und in Noah hast du dich auch verliebt-zumindest hoffe ich das", erklärt Philip nun. „Und wegen den Fragen, wenn du willst, kannst du hier schlafen. Dann haben wir genug Zeit, alles zu klären", schlägt der jüngere Zwilling noch vor. Colin nickt dankbar. 

„Ich ruf schnell meine Betreuerin an und kläre das ab". 

Wieder das Wort ‚Betreuerin'. Noah will wirklich wissen, was es damit auf sich hat, aber er ist höflich genug, nicht einfach zu fragen. Colin soll es ihm erzählen, wenn er dafür bereit ist.

„Wer ist älter?", fragt Colin. Sie essen gerade zu dritt Abendessen und Colin hat mit dem Fragenhagel begonnen. Allerdings sind es eher Standartfragen, die man Zwillingen stellt. Später kämen die komplizierten. 

„Also, das tut doch gar nichts zur Sache. Wir sind Zwillinge und damit gleich alt", meint Philip und spießt sich eine Nudel auf die Gabel. 

„Ich", haut Noah stumpf raus und erntet dafür einen wütenden Blick von Philip. Colin grinst. Es ist wirklich lustig mit den beiden. 

Und trotzdem weiß er, dass er Noah doch etwas mehr mag. Der Abend und die Nacht werden definitiv interessant werden. 

Gleichgewicht || NolinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt