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Der nächste Morgen ist ein verregneter Samstag. Philip ist wie immer der Erste, der wach ist. Leise steht er auf und macht sich einen Kaffee. Der Zwilling setzt sich an den Tisch und schlürft müde sein Heißgetränk. Obwohl er noch todmüde ist, kann er nun nicht mehr einschlafen. 

Also sammelt er die Wäsche auf und bringt sie in den Waschkeller, damit das schonmal erledigt ist. Dann fegt er die Küche und den Flur durch, bis sein Handy vibriert. Ein Blick auf die Nummer verrät ihm, dass es seine Mutter ist. Instinktiv will er auf den roten Hörer drücken, allerdings will er ihr auch sagen, dass sie die Anrufe lassen soll. Kurz entschlossen drückt er also auf den roten Hörer. 

„Wir bezahlen deinen Handyvertrag umsonst, wenn du nie abnimmst, wenn wir anrufen", schimpft ihn seine Mutter direkt zu. Das Philip seinen Handyvertrag selber finanziert, lässt der Blonde einfach außen vor. 

„Also Philip. Du kannst dir denken, warum ich anrufe?", fragt sie ih nun und lässt ihren Sohn nun endlich zu Wort kommen. 

„Ja, deine letzten Versuche haben mir schon so eine Vorahnung gegeben", antwortet er nur.

Zur selben Zeit wacht Colin auf. Seine Blase meldet sich lautstark und deutet ihn an, dass ein Toilettenbesuch angebracht wäre. Also gibt der Lockenkopf seinem Freund einen federleichten Stirnkuss und schält sich aus seinem warmen Armen. Da er die ganze Nacht von Noahs Wärme umgeben war, fröstelt er nun leicht. 

Er steht auf, geht schnurstracks auf Toilette und will eigentlich zurück zu Noah, als ihn Philips Stimme in Richtung Küche lockt. Er lugt durch den Schlitz und versucht herauszufinden, worum es geht.

„Philip, das ist doch lächerlich. Komm doch wieder nach Hause. Wir haben dir doch ein schönes Leben geschenkt", versucht seine Mutter ihren Sohn zu überzeugen. Philip hat sich diesen Satz schon oft genug anhören müssen. 

„Ihr habt mit ein trostloses Leben voller Schnickschnack gegeben, mehr nicht. Noah und ich sind glücklich hier. Wir haben gelernt, wie wichtig es ist, dass wir uns gegenseitig haben, nicht wie wichtig materielle Dinge sind. Vielleicht solltet ihr das auch mal ausprobieren", meint er nur unbeeindruckt. 

„Philip. Wir haben einen wirklich netten Geschäftspartner. Er hat eine Tochter in deinem Alter. Willst du sie nicht einmal kennenlernen. Ihr würdet sicher sehr gut zusammen passen". 

„Nein. Ich komm nicht zurück, nur damit ich eure Wunschbeziehung erfülle und euren schnöseligen Alltag und die blöde Firma übernehme. Das könnt ihr vergessen". Philip wird langsam ungeduldig. Warum kann er nicht einfach aufhören, mit seiner Mutter zu telefonieren, ihren Kontakt nicht einfach blockieren und sie für immer aus seinem Leben streichen? Er fühlt sich in diesem Moment schwach und wie ein Verräter. Ein Verräter Noah gegenüber. 

„Philip, du hörst dir selbst doch gar nicht zu. Bist du dir sicher, dass du dein Leben so wegwerfen willst. Aus dir kann so viel mehr werden, wenn du einfach zu uns zurück kommen würdest. Unsere Tür ist immer offen für dich". 

„Ihr wollt doch einfach nur einen Sohn, mit dem ihr gut dasteht. Ihr wisst selbst, dass euer Ansehen sinkt, wenn ihr keine Kinder mehr habt, wenn sie abgehauen sind". 

„Philip, waren wir denn je schlechte Eltern für dich?", fragt seine Mutter nun und Philip hätte am liebsten geschrien. 

„Ja, das wart ihr. Ihr erwähnt Noah nie, so als würde es ihn nicht geben. Ihr habt uns misshandelt, ihr habt Kindeswohlgefährdung begangen. Ich will nicht zurück und wehe euch, ihr meldet euch noch ein einziges Mal". Mit diesen Worten schafft Noah es endlich aufzulegen und seine Mutter zu blockieren. Genauso tut er es mit der Nummer seines Vaters. 

Plötzlich fühlt er sich viel freier als vorher, so als würde all die Last auf seiner Schulter abgenommen worden sein. Auf einmal knarzt die Tür und Colin betritt die Küche. 

„Hey, Philip", meint er nur und schaut den Zwilling ernst an. Philip versteht direkt. Colin hat das Telefonat mitbekommen.

„Du darfst Noah davon nichts sagen", befielt er dem Lockenkopf. Colin nickt verständnisvoll. 

Philip hat ihm gerade einen kleinen Überblick ihrer Situation gegeben, ohne viele Details. Er meinte bloß, dass seine Eltern sich regelmäßig bei ihm meldeten und ihn zurück haben wollen. Warum sie nur ihn und nicht Noah wollen, verschweigt er. Es ist nicht seine Aufgabe, darüber mit Colin zu reden. Das kann nur Noah. Weiterhin hat er nur gesagt, dass er nie Erfurt ohne Noah verlassen wird. Seine Eltern sind für ihn Geschichte. 

Colin stellt nicht viele Fragen, auch wenn sie ihm auf der Zunge brennen. Philip fällt es schwer über seine Eltern zu reden und wenn das jemand ersteht, dann Colin. 

Gleichgewicht || NolinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt