36

248 13 0
                                    

Nachdem Colin ohne Vorwarnung am Vortag bei Noah und Philip geklingelt hat, ist er kurzfristig eingezogen. Da er erst am Abend zu ihnen gekommen ist und sie keine Zeit hatten, sich noch tiefer darüber zu unterhalten. Das wollten sie heute nach der Schule noch tun. Zu dritt. 

So sitzen sie nun auf den Stühlen in der Küche. Noah hat Colin auf dem Schoß, da sie immernoch nur 2 Stühle besitzen. 

„Also, warum willst du uns mit deiner Anwesenheit beehren?", fragt Philip Colin. Noah, der seine Hand um die Hüfte seines Freundes gelegt hat, spürt wie sich Colin leicht versteift. Offenbar hat ihn ein nicht angenehmer Grund hierher geführt. 

„Ich bin aus meinem Heim abgehauen", erklärt er kurz und schaut auf den Boden. Beruhigend legt Noah seinen Kopf auf seiner Schulter ab. Sogar Philip verfällt in Schweigen. Irgendwann schaut Colin wieder auf und redet weiter: „Ich hab es dort irgendwie nicht mehr ausgehalten. Es hat sich alles so eng und einzwängend angefühlt". 

„Kennen wir. Wir mussten auch von zu Hause weg", meint Philip und versucht Colin ein sanftes Lächeln zu schenken. Der Lockenkopf erwidert es, auch wenn nur ein kleines, trauriges ist. 

„Du bist hier wirklich herzlich willkommen", meint Noah dann und auch er bringt ein Lächeln auf die Lippen. Kurze Zeit sitzen sie friedlich lächelnd in der Stille. Noah fällt auf wie viel Glück er nun doch hat. Er hat seinen Zwilling, der sein Leben für ihn aufgegeben hat und immer bei ihm sein wird. Und er hat nun seinen festen Freund Colin, der sogar bei ihm wohnen wird. Vielleicht ist das die Familie, die er sich immer erträumt hat. Diese Menschen sind die einzigen, die er je brauchen wird. 

„Ich würde vorschlagen, wir feiern heute deinen Einzug", meint Philip feierlich nach ein paar Minuten. Ein leichtes Lachen entfährt Colin und Noah. Philip weiß wirklich, wie man angenehme Stillen unterbricht. „Aber erst holen wir noch ein paar Sachen".

Gesagt, getan. Noah und Colin gehen ins Möbelhaus um einen weiteren Stuhl, Kissen und Decke mit Bezug und noch ein Regal zu holen und Philip hat auf Ebay eine weitere Einzelmatratze gefunden, die er direkt abholen kann. 

„Wie wärs mit dem hier?", fragt Noah seinen Freund und zeigt auf einen kleinen Kinderstuhl in der Farbe pink. 

„Ich weiß, ich bin 2 Jahre jünger. Aber dieser Stuhl passt nun überhaupt nicht in eure Küche". Belustigt schaut Colin Noah zu, wie er weiter durch die Kinderabteilung schlendert und sich begeistert umsieht. 

„Braucht der kleine Noah ein Puppenhaus?", fragt er Noah, als er an einem großen pinken Puppenschloss vorbeigeht. Der Blonde dreht sich um und beginnt direkt zu lachen. 

„Ja, sowas fehlt meinen Puppen". Sie gehen weiter durch die Kinderabteilung und zeigen sich gegenseitig ein paar Kindermöbel, die sie ja ‚gebrauchen' könnten. Irgendwann kommen sie in die Erwachsenen-abteilung und finden was sie suchen, auch wenn sie dafür lange gebraucht haben.

Zu Hause finden sie Philip noch nicht vor, also muss er wohl noch nicht zurück sein. Zu zweit bauen Noah und Colin also das Regal und den Stuhl auf und richten es wohnlich ein. 

Plötzlich hören sie einen Schlüssel, der sich im Wohnungsschloss dreht. Ein paar Sekunden später wird „helft mir mal, ihr faulen Säcke", in die Wohnung geworfen. Eindeutig Philip. Also erhebt sich das Paar vom Boden, auf dem es gesessen hat und eilt in den Flur, um Philip zu helfen. 

Sie legen die Matratze in das Schlafzimmer und beziehen es direkt. Mittendrin lobt Philip noch die Auswahl von Colin und Noah, die sie im Möbelhaus getroffen haben. 

„Eine Frage bleibt noch", beginnt Philip und bekommt so die Aufmerksamkeit von dem Paar ihm gegenüber, „wer schläft auf der Einzelmatratze und wer auf der großen?". Schon ein paar Sekunden später bereut er die Frage. Colin und Noah schauen ihn bittend mit Hundeblick an. 

„Warum frag ich überhaupt?", fragt er eher sich selbst, als die beiden anderen. Dankend stürzen sich Colin und Noah auf ihn und umarmen ihn fest. Sie verweilen ein paar Sekunden in der Umarmung und fühlen sich rundum wohl.

Die drei Jungs bleiben nicht mehr lange wach. Sie haben sich zusammen etwas gekocht und gegessen und ihren ersten Abend zusammen genossen. Danach haben sie ein paar wenige Stunden auf ihren Matratzen gesessen und sich Geschichten erzählt. Besser gesagt hat Philip Geschichten erzählt. Colin und Noah haben gekuschelt. Der Blonde hat seinen Kopf auf die Schulter seines Freundes gelegt und sich mit jeder Minute näher an ihn geschmiegt. Seine Augen sind irgendwann zugefallen und so haben sie entschieden, dass der Tag zu Ende ist und sind schlafen gegangen. 

Aneinander gekuschelt haben sich Noah und Colin die große Matratze geteilt, während Philip allein auf seiner Matratze liegt. Der jüngere Zwilling war noch am längsten wach. Ihn beschäftigen weiterhin die Anrufe seiner Eltern. Immer einmal am Tag wird er von seiner Mutter oder seinem Vater angerufen. Nie nimmt er den Anruf an oder liest die Nachrichten, die sie ihm ununterbrochen schreiben. Seine Eltern zu blockieren, bringt er dennoch nicht übers Herz. 

Er fühlt sich immernoch in ihrer Schuld. Philip weiß, dass er ihnen nicht schuldig ist und dennoch sagt die Stimme in ihm, dass es falsch wäre, den Kontakt so hart abzuschneiden. Irgendwann vielleicht, dann schafft er es. Aber noch nicht jetzt. Irgendwann. 

Gleichgewicht || NolinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt