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Nachdem Philip Joel ins Bett geschickt hat, ist er zurück in die Küche gegangen. Wenn das möglich ist, liegt nun noch mehr Mehl auf dem Boden als vorher. 

„Alva, was soll ich machen?", fragt er das Mädchen mit dem Nudelholz. Madita und sie sind immernoch dabei, den Teig dünn auszurollen. 

„Du kannst mit Amalia das Wohnzimmer aufräumen. Ich mach hier weiter", weist sie ihn an und deutet mit ihrem weißen Finger durch einen Türrahmen ins Wohnzimmer. 

„Amalia, hilf Noah bitte beim Aufräumen", befielt Alva nun ihrer kleinen Schwester, die vorher an der Kücheninsel saß und gemalt hat. 

„Okay", meint sie leise und lässt den blauen Buntstift fallen. Sie führt Philip ins Wohnzimmer und beginnt eifrig Bücher, die auf dem Boden herumliegen, ins Regal zu räumen. Philip steht etwas verloren herum, ehe er beginnt alle Puppen einzusammeln und in eine mit ‚Puppen und Zubehör' beschriftete Box zu packen. Danach leert er den Couchtisch von jeglichem Geschirr und Amalia bringt es alles in die Küche, während der Blonde die Sofakissen ordentlich hinlegt. Amalia kommt mit Besen und Kehrblech wieder zurück und Philip versteht sie direkt. Während Amalia auf dem Sofa sitzt, ein Buch liest und wartet bis Philip fertig ist, kehrt er das Wohnzimmer komplett durch. 

Sobald er damit fertig ist, rutscht Amalia von dem roten Möbelstück herunter und greift nach dem grünen Kehrblech mit passendem kleinen Besen und kehrt den Dreck auf und bringt ihn in den Müll. Zurück kommt sie mit ihren 3 Schwestern Wilma, Nora und Madita. Alva läuft hinter den 4 Mädchen hinterher und in der Hand trägt sie eine Schüssel mit den fertigen Keksen. Alle Mädchen sehen müde und erledigt aus. Sie machen es sich auf dem Sofa bequem und Alva stellt die Keksschüssel auf dem Couchtisch ab und lässt sich dann auf einen der zwei Sessel fallen, die jeweils links und rechts neben dem Sofa stehen. 

„Noah, setzt dich ruhig. Wir schauen noch einen Film", meint Alva und deutet dem Blonden dann an, sich auf den anderen Sessel zu setzten. Leicht angespannt setzt sich der Zwilling und schaut dem brünetten Mädchen dabei zu, wie sie die Fernbedienung herbeizaubert und einen Disneyfilm einschaltet. 

Die 4 Mädchen haben sich auf ‚Arielle' geeinigt und decken sich alle zusammen mit einer weißen Strickdecke zu. Dann nehmen sie sich jeweils noch eine Keks und verfolgen dann gespannt das Geschehen auf dem Fernseher.


Etwa eine Stunde später liegen Wilma, Amalia, Nora und Madita schlafend und kuschelnd auf dem Sofa, während Ursula Prinz Erik um ihren Finger wickelt. Alva schaut den Film, allerdings fallen ihr die Augen auch zu. Man merkt ihr die Müdigkeit direkt an und Philip würde sie gerne darauf hinweisen, dass sie schlafen darf und sich nicht wachhalten muss, nur weil er da ist. 

Philips Augen haben sich auf das Mädchen gelegt. Ihr Körper sieht gut aus, das muss er zugeben. Sie ist dünn, aber nicht zu dünn und ihre Arme haben eine gute Bräune. Ihr Gesicht zieren neben der Brille noch ein paar leichte Sommersprossen und ihre Augen strahlen eine warme Bräune aus. Philip findet sie wirklich hübsch. 

Bevor er und Noah abgehauen sind, hatte er nur eine Freundin gehabt. Sie waren knapp 1 Jahr zusammen, ehe er die Sache beendet hat, nachdem er realisiert hat, dass er die Gefühle verloren hat. Sie hat ihn verstanden und nun sie sind nach ein paar Monaten wieder Freunde geworden. 

Sie sah komplett anders aus als Alva. Sie war eher klein, hatte lange blonde Haare, die sie immer offen getragen hatte und eisblaue Augen, die eine gewisse Härte in sich trugen. Es war, als würde man von kleinen Messern angeschossen werden, wenn man ihre Augen traf. Alva ist relativ groß, nur ein paar Zentimeter kleiner als er. Sie trägt ihre braune Wellen immer im Dutt und Philip realisiert, dass er sie nie anders gesehen hat. Ihre brauen Augen geben Sicherheit und man fühlt sich irgendwie geborgen, wenn man mit ihr Augenkontakt aufbaut. Ihr warmes Lächeln, dass ihre Lippen fast immer ziert, verstärkt dieses Gefühl um weiteres.

„Du kannst schlafen, wenn du müde bist. Der Film geht ja noch eine Weile, ich weck' dich dann", hört sich der Blonde plötzlich selbst sagen. Er hat nicht realisiert , dass er die Worte laut ausgesprochen hat. Erst als Alva ihren Kopf zu ihm dreht und sie ihn unsicher anschaut. 

„Sicher? Ich will echt nicht unhöflich sein", meint sie nur. Philip allerdings nickt. 

„Ja, bin ich. Du siehst wirklich müde aus. Ich pass hier schon auf", versichert er ihr und bekommt ein dankbares, ehrliches Lächeln zurück. Ein paar Minuten schauen die beiden den Film zusammen weiter, bis Philip merkt, dass Alva tief und fest auf dem Sessel schläft. Er schaut sich kurz um und bemerkt eine Truhe, die neben dem Fernseher steht und von Decken überquillt. 

Leise steht er auf und holt eine blaue Strickdecke daraus hervor und legt sie sanft über Alva. Ihr Atem ist ruhig und gleichmäßig und ihr Mund leicht geöffnet. Drei Sekunden lang prägt Philip sich das Bild ein, bis er merkt, dass das schon an Stalking grenzt und setzt sich dann wieder auf den leeren Sessel und schaut den Film weiter. Er sieht zu, wie Ursula den Prinzen für sich gewinnt und Arielle verzweifelt. 

In dem Moment, als König Triton Ursula wieder in die Meerhexe verwandelt betritt ein verschlafener Joel ohne Brille das Wohnzimmer. 

„Du bist ja immernoch hier", stellt er nüchtern fest. 

„Bin ich. Soll ich gehen?", fragt Philip und ist schon im Begriff aufzustehen. 

„Nein, passt schon", widerspricht Joel. Nach ein paar Sekunden fügt er noch „danke, dass du hier bist", leise hinzu. 

„Kein Ding. Colin hat mich geschickt", erklärt er und sieht wie sich Joel leicht anspannt. 

„Hat er gesagt, warum?", fragt er. Philip schüttelt den Kopf. 

„Nein, er meinte nur familiäre Probleme. Den Rest soll ich dich fragen". 

„Tja, zu Schade, dass dich das nichts angeht". Joels Ton hat etwas giftiges in sich, was Philip natürlich direkt auffällt. 

„Ich hab auch nichts von dir verlangt", versucht er sich zu verteidigen. 

„Hat sich aber so angehört". 

„Da hast du Pech gehabt. Dein Leben ist echt nicht meine höchste Interesse in meinem. Es ist dann doch eher uninteressant für mich". 

„Wenn das so ist, warum bist du dann hier?", fragt Joel sich. Philip liegt überlegend eine Hand an das Kinn - aus purer Ironie natürlich. 

„Gute Frage", meint er. 

„Wenn mein Leben so uninteressant ist, dann kannst du ja auch wieder gehen". 

„Vielleicht sollte ich das. Du hast die Probleme, nicht ich". 

Mit diesen Worten, geht Philip aus dem Wohnzimmer durch die Küche in den Flur, zieht sich seine Schuhe an und tritt aus der Tür in die inzwischen Abendsonne. Er schaut auf seine Handyuhr. 18:49. Zeit nach Hause zu gehen. 

Zumindest wäre das Philips Vorhaben, wenn Colin nicht bei Noah wäre. Also entscheidet sich der Zwilling dazu, eine große Runde spazieren zu gehen und Noah danach zu schreiben, ob er nach Hause kommen kann. Während er durch den Park läuft, fragt sich Philip, warum sein Kopf die ganze Zeit das Bild einer schlafenden Alva vor seinen Augen abspielt. 

Gleichgewicht || NolinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt