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„Nur über meine Leiche", wirft Philip seinem Bruder entgegen, „das kannst du vergessen". Noah ist direkt von der Schule mit Colin nach Hause gegangen und sie haben Philip ihren Vorschlag unterbreitet. Philip reagiert vorausschauend verärgert. Colin und Noah hätten sich denken können, dass er sich so benimmt, wenn er sich schon wieder mit Joel treffen soll. Alleine. 

„Ich werde nicht zu ihm gehen. Schon gar nicht zum Babysitten". 

„Colin, lässt du uns kurz allein?", bittet Noah den Lockenkopf. Er bekommt Philip schon rum und er weiß wie, nur vor Colin kann er dieses Argument nicht nehmen. 

„Klar", stimmt Colin einfach zu ohne zu zögern und geht aus der Küche ins Schlafzimmer. 

„Bitte Phili", setzt Noah an, sobald Colin weg ist, „ich hab endlich die Chance meine Gefühle zu verstehen. Ich will wissen, was das zwischen Colin und mir ist". 

„Und inwiefern hat das damit zu tun, dass ich zu Joel gehen soll? Ich kann auch einfach in ein Café oder so", meint Philip unbeeindruckt. 

„Weil Colin eigentlich erst zu Joel wollte, aber nun lieber mit mir Zeit verbringen will". 

„Hört sich ja nach einem tollen Freund an". Philips Ton ist sehr trocken, als er das sagt. Noah lächelt Philip einfach nur an und er sieht genau, wie es in dem Gehirn seines Zwillings rattert. Er blinzelt zweimal schnell hintereinander und er hat den Blonden. 

„Boar, na gut Noah. Ich mach's. Aber du schuldest mir was", willigt er ein und findet sich schnell in einer festen Umarmung mit seinem Zwilling. 

„Danke, du bist der Beste", murmelt Noah ihm zu. „Jaja, ich weiß. Jetzt lass mich los und genieß lieber dein Date". Philip schiebt Noah von sich und sieht wie sein Zwilling etwas hibbelig ebenfalls ins Schlafzimmer verschwindet. 

‚Joel, na super'.

Nach einer halben Stunde Fußmarsch steht Philip vor der Haustür, die er leider schon zu gut kennt. Wie landet er hier eigentlich nur immer? Er drückt die Klingel und wartet. Eine Minute steht er dort und wartet, ehe die Tür von einem völlig übermüdeten Joel aufgemacht wird. 

Seine Haare sind zerzaust, seine Brille sitzt nichtmal ansatzweise gerade auf seiner Nase und seine Klamotten gleichen den, den man Elefanten anziehen würden, so groß sind die Sachen, die er trägt. Normalerweise putzt er sich eher heraus, auch wenn er nur in die Schule geht. Unter seinen Augen sitzen tiefe Augenringe und er ist leicht blass im gesamten Gesicht. 

„Hi, Noah", begrüßt er ihn nur. Kein nerviger Unterton, keine ausführlichen Gesten, nichts. Außer Müdigkeit. 

„Hey", meint Philip leicht verwirrt. Er steht dem Brillenträger schon fast schüchtern gegenüber. 

„Colin meint, ich kann dir helfen?", beginnt er dann und Joel sieht nun ihn verwirrt an. 

„Du willst mir helfen?", fragt er erstaunt und scheint auf einmal viel wacher zu sein. 

„So wie du aussiehst, brauchst du Hilfe", antwortet Philip unirritiert mit leichter Ironie in der Stimme. Joel tritt schlussendlich zur Seite, weil er insgeheim weiß, dass Philip Recht hat. Er weiß selber, dass er nicht gerade wie ein Sonnenschein aussieht. Aber auf vier kleine Mädchen aufpassen, die die ganze Zeit Ablenkung brauchen, während man sich selber Sorgen machen muss, das zerrt Nerven. Alva geht es ein wenig besser als ihm, aber auch sie ist erschöpft. 

„Die Kleinen sind in der Küche, wir sind am Backen", erklärt Joel und deutet auf einen scheinbar großen Raum am Ende des Flures. Philip nickt verstehend und entledigt sich von Jacke und Schuhen, ehe er Joel in eine wirklich große Küche folgt. 

Eine Kücheninsel steht in der Mitte und eine ganze Wand ist mit Arbeitsflächen und Wandschränken eingekleidet. Die Küche ist in schlichtem weiß mit immer dem selben Muster an den Küchenschranktüren gehalten und bietet einen gemütlichen Kontrast zu dem dunklen Holzboden, der sich durch das ganze Haus zieht. 

Die Küche im jetzigen Zustand sieht allerdings eher aus wie ein Winterland. Überall liegt Mehl und ein wenig Zucker, dass es aussehen lässt, als hätte es im Haus geschneit. 

„Alva, du kennst doch noch Noah, oder?", fragt Joel seine große Schwester, die gerade einer kleinen Schwester das Nudelholz gibt, damit sie versuchen kann den Keksteig, wie Philip feststellt, ausrollen kann. Alva sieht zu ihm. Sie hat ihre Haare wieder in eine Dutt gesteckt und auch ihre Brille sitzt schief. Dazu hat sie auf der Wange und auf der Nasenspitze über ihren leichten Sommersprossen Mehl. 

„Noah, ja. Wir haben uns schonmal gesehen", meint sie und versucht durch ihre Müdigkeit zu lächeln. 

„Alva, hilf mir bitte", bittet nun das kleine Mädchen, dem Alva das Nudelholz gegeben hat. Sofort geht die Große zu ihrer Schwester und hilft ihr beim Ausrollen. Joel wendet sich wieder Philip zu. 

„Das sind meine 4 Schwestern. Die mit dem Nudelholz heißt Madita, da drüben sitzt Amalia. Und die beiden, die den Teig da vorne ausstechen sind Nora und Wilma", erklärt Joel ihm und zeigt dabei immer auf die Mädchen. Alle von den 4 sehen sich unglaublich ähnlich, fast schon gleich. Wie Zwillinge. Wie er und Noah. Sogar Alva sieht ihren Schwestern unglaublich ähnlich und auch Joel sieht man die Ähnlichkeit zu seinen Schwestern an. 

„Du kannst mit backen, während ich im Wohnzimmer aufräume", bietet Joel dann noch an. Philip allerdings schüttelt den Kopf. 

„Du gehst schlafen, du brauchst das dringend. Ich komm klar, hab mein Praktikum im Grundschulhort gemacht", meint er und schiebt Joel aus der Küche an den Schultern zur Treppe. 

„Bist du dir sicher?", fragt der Brillenträger nach, etwas Sorge schwingt in seiner Stimme mit. Ob er sich Sorgen um ihn oder seine Schwestern macht, kann Philip dabei nicht sagen. 

„Ja, klar. Schlaf dich aus und ich helfe Alva, wo ich helfen kann". 

„Danke, Noah". 

Gleichgewicht || NolinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt