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Mittwoch und wieder ist Noah auf dem Weg zum Sportunterricht wie jede Woche. Seine Sporttasche trägt er in der linken Hand und in der rechten hält er einen Coffee-to-go. Der Zwilling gähnt kräftig und hält sich die Hand mit dem Kaffeebecher davor. 

Vor der Turnhalle stehen schon ein paar seiner Mitschüler, aber noch nicht wirklich viele. Noah stellt sich dazu, ohne jemanden zu begrüßen und wartet in der dunklen Kälte auf Herr Hauser, der sie ins Warme lässt. Noah sieht sich etwas um und bemerkt Lockenkopf, der gerade den Weg zur Sporthalle entlang geht. Er denkt sich dabei nichts, wahrscheinlich wird er eh erstmal zu Julia, Joel und Ava, die schon vor Noah da sein, gehen, um ihnen einen guten Morgen zu wünschen. 

Allerdings kommt er direkt auf Noah zu und lächelt ihn müde, aber dennoch warm an. 

„Guten Morgen", wünscht er leise, als er vor dem Blonden steht. Kurz stockt Noah, weil Colin Stimme noch etwas tiefer als sonst ist und sein Herz setzt einen Schlag aus. Diese Stimme ist schon fast Musik in seinen Ohren. 

„Morgen", antwortet er genauso leise zurück, nachdem er sich gefangen hat. 

„Noah, richtig?", fragt Colin nach und Noahs Blick rutscht auf seinen eigenen Handrücken. Er hat vergessen, ein „N" darauf zu schreiben, allerdings hat Colin ihn ja auch schon erkennen können. Das es an dem Herz des Lockenkopfes, das schneller als gewöhnlich schlägt, liegt, kann er ja nicht wissen. Noah nickt. 

„Wusst' ich", meint Colin grinsend und stupst den Zwilling leicht in die Seite. „Kommst du mit zu Julia, Ava und Joel?", fragt der Lockenkopf dann und zeigt andeutend auf seine Freunde. 

„Joel ist immer noch sauer auf mich, also auf Philips Ich", meint Noah entschuldigend und zuckt mit den Schultern. 

„Soll ich nochmal mit ihm reden?", fragt Colin dann. Noah schüttelt den Kopf. 

„Philip kann das selber gerade biegen. Wenn er mal seinen Stolz beiseite legen würde", antwortet Noah nur und Colin zuckt daraufhin mit den Schultern. 

„Wenn du meinst. Mein Angebot steht trotzdem". Das sind die letzten Worte, die Colin zu Noah sagt, ehe er ihm schnell ein Lächeln schenkt und zu seinen Freunden geht. Er nimmt Julia in den Arm, genauso wie Ava. Bei Joel reicht ihm ein Handschlag, der sehr routiniert aussieht. 

Noah versetzt es einen Stich, nicht bei ihnen zu sein. Bei ihm. Bei Colin. Auch wenn er vielleicht nur 10 Meter von ihm weg steht, scheint er auf einmal ewig weit weg, beinahe unerreichbar.


In der Deutschstunde, die nach Sport folgt, sollen die Schüler eine Gedichtsinterpretation als Übung schreiben. Zum Glück dürfen sie dabei Musik hören. Noah mag Deutsch recht gerne und Interpretationen liegen ihm. Im Gegensatz zu seinem Bruder, der Deutsch am liebsten schwänzen würde. 

Plötzlich wird es an der Tür geklopft und Herr Zech den Raum betritt. Wie immer trägt er einen schicken Anzug und seine wenigen Haare liegen ordentlich auf seinem Kopf. 

„Joel Lucas?", fragt er und der Angesprochene schaut panisch nach hinten zu Colin. Dieser zuckt nur mit den Schultern und dann meldet sich Joel. 

„Könntest du kurz mit vor die Tür kommen?", bittet Herr Zech ihn freundlich und schon ist der Brillenträger aufgestanden und dem Lehrer aus dem Zimmer gefolgt. 

„Wir werden nicht warten, bis Joel wieder hier ist. Bitte schreibt weiter", wird die Klasse angewiesen und jeder macht sich halbherzig wieder an die Arbeit. Colins Kopf und auch Noah gehen ungewöhnlich oft zur Tür, in der Hoffnung, Joel würde wieder das Zimmer betreten und sagen, dass es nur um etwas banales, wie die Schülerzeitung geht. 3 Minuten vergehen, ohne das etwas passiert und dann noch weitere 2. Erst dann kommt Herr Zech mit etwas verlorener Miene wieder ins Zimmer. 

„Colin, bitte pack deine und Joels Sachen. Du begleitest ihn bitte nach Hause, ihr seid für den restlichen Tag freigestellt", meint Herr Zech und irritiert befolgt Colin, was der Lehrer gesagt hat, wenn auch mit zittrigen Fingern. Er packt Joels Zeug an, während Noah anbiete, sein eigenes einzupacken. 

Ein paar Sekunden später ist Colin mit 2 Rucksäcken vor der Tür und sieht seinen besten Freund im Schock auf dem Boden sitzen. Stumm laufen Tränen über seine Wange und Colin ist sich nicht sicher, ob Joel das überhaupt merkt. Vorsichtig geht er auf den Brillenträger zu und wischt ihm sanft die Tränen aus dem Gesicht. 

„Was ist los?", fragt er vorsichtig und kniet sich vor seinen besten Freund. Herr Zech ist wahrscheinlich im Sekretariat, um die beiden als ‚abwesend' einzutragen. Joel hört Colin nicht, seine Sicht ist unklar und verschwommen und sein Herz pocht laut und stark gegen seine Brust. Es ist das einzige, was er mitbekommt. Sein Herzschlag wird mit jeder Minute schneller und lauter. Die Beine hat er angewinkelt und er schaut in eine willkürliche Richtung ohne zu wissen, was genau er ansieht. 

„Joel? Bitte rede mit mir", bittet Colin und legt seine Hände mit Druck auf Noahs Schultern, um ihn zu sich in die Realität zu holen. Ein paar Sekunden probiert er noch, Joel wieder ansprechbar zu machen, bis Herr Zech wieder auf die beiden Jungen zukommt. 

„Herr Zech, was ist mit ihm?", fragt Colin mit etwas Panik in der Stimme. 

„Ich habe einen Anruf seines Vaters erhalten. Offenbar hatte seine Mutter einen Schlaganfall und ist nun im Krankenhaus. Ihr Umstand soll sehr kritisch sein". 

Gleichgewicht || NolinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt