42

415 16 2
                                    

„Danke, dass du heute nochmal hilfst", bedankt sich Alva bei Philip, während sie die Tür aufschließt. Wilhelmine hat die Kinder schon eher abgeholt und nach Hause gefahren. Joel musste irgendwo hin und nun steht Philip mit Alva vor der Tür. Die Bahnfahrt zwischen den beiden war eher schweigsam, aber nicht sehr unangenehm. 

„Ist doch logisch. Ich mag deine Schwestern", meint Philip nur und lächelt das Mädchen mit Dutt an. Sie lächelt ebenso zurück und stößt nun endgültig die Tür auf. Sofort werden sie aus einer Geräuschwolke voller Kindergelächter erschlagen. 

„Oma?", ruft Alva in die Wohnung. Doch statt Wilhelmine kommen Wilma und Nora aus der Küche geschossen, um ihre Schwester umzurennen. Beziehungsweise rennt Nora ihre Schwester um, während Wilma Philip von den Füßen reißt. 

„Noah", freut sie sich und grinst breit zu dem Jungen hinaus. 

„Nicht so stürmisch ihr beiden", belehrt ihre Schwester sie nun und hebt Nora auf den Arm und kitzelt sie leicht. Nora kringelt sich auf ihrem Arm und quengelt zwischen den Lachern, dass sie wieder auf den Boden will. Nach ein paar Sekunden folgt Alva ihrem Wunsch. 

Wilma und Nora rennen in die Küche, aus der es verdächtig nach Tomatensoße riecht. Schnell entledigen sich Alva und Noah von ihren Klamotten, die vor dem Wind und den immer kühleren Temperaturen schützen, und gehen den beiden Mädchen hinterher. 

In der Küche stehen Wilma und Nora neben Wilhelmine, die ein rote Schürze mit weißen Punkten trägt und mit einem Holzlöffel in einem Topf rührt. Eindeutig Tomatensoße Omas Art. Alva läuft das Wasser im Mund zusammen. Sie begrüßt ihre beiden anderen Schwestern sowie ihre Oma, ehe sie die Kaffeemaschine anschmeißt. 

„Noah, willst du auch einen?", fragt sie den Blonden und deutet auf die Maschine. Philip nickt dankbar. Er setzt sich neben Madita, die gerade versucht ihren Satz im Deutschheft zu lesen. Dabei bekommt sie Hilfe ihrer Schwester Amalia, die ebenfalls über dem Heft gebeugt an der Kücheninsel sitzt und ihren Finger über die Buchstaben tanzen lässt. 

„Noah, spielst du nachher mit mir Fußball", fragt Wilma nun und sieht den Zwilling mit Hundeaugen an. Dieser nickt ihr zu. Im Augenwinkel nimmt er wahr, wie Alva über die Geste lächelt und sofort breitet sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus. Alvas Lächeln ist unglaublich warm und ansteckend, wie ihm gerade auffällt. 

„Noah, wir kommen hier nicht weiter", macht nun Amalia den Blonden auf sich und ihre Schwester aufmerksam, die an einem Wort hängen geblieben sind, dass Madita nicht vorlesen kann. Sofort wendet er sich den beiden zu und hilft ihnen. Zwischendurch merkt er, wie eine Tasse neben ihm abgestellt wird und Wilhelmine mit Wilmas Hilfe weiter die Nudeln mit Tomatensoße weiter kocht.

Etwa 10 Minuten später sitzt die Familie und Philip am Esstisch, den sie extra hergerichtet haben, und essen das gekochte Essen. Philip schmeckt es fantastisch und er nimmt sich zweimal nach. 

„Der Junge hat guten Hunger", merkt Wilhelmine darauf nur an und lächelt warm. Gerade als er kurz davor ist die Gabel in seinem Mund zu befördern, erschrickt sich Amalia lautstark und Philip lässt die Gabel in seinen Schoß fallen. Die Tomatensoße hat sich dabei auf seinen weißen Shirt verteilt, das nun deutlich rote Spuren über der Brust hat. 

„Fuck, Noah", ruft Alva aus. 

„Wortwahl, junge Dame", weist ihre Oma sie zurecht, aber Alva kümmert sich nicht um ihre Wortwahl. Sie hat Küchenrolle besorgt, und versucht nun Philip etwas sauber zu machen. Er selbst hat auch ein Blatt der Rolle in der Hand und verschmiert die Tomatensoße. 

„Ich glaub das wird nichts so", bemerkt Wilhelmine und steht langsam auf, um das Missgeschick zu betrachten. Alva hat nun auch aufgegeben und entfernt sich wieder von dem Zwilling, dem sie gerade ungewöhnlich nah gewesen ist. 

„Ich denke, du kannst dir einen Hoodie von Joel holen. Er wird nichts dagegen haben", bietet sie ihm an. ‚Und wie er was dagegen haben wird', denkt sich der Zwilling jedoch. Er kennt Joels Reaktionen auf ihn ganz gut, auch wenn Noah da wieder etwas gut gemacht hat. Er wird das ganze wieder abreißen und seinen Zwilling gegenüber ist das natürlich nicht fair, aber er kann nicht anders. Wenn Joel abfeuert, kontert er. 

Als einzige Reaktion auf Alvas Vorschlag, nickt er dankbar und verschwindet aus dem Esszimmer und macht sich auf den kurzen Weg in Joels Zimmer. Er öffnet einen Flügel des Kleiderschrank, nachdem er sich das schmutzige Shirt über den Kopf gezogen hat und sucht die Schublade mit den Pullovern. 

Auf seiner Suche stößt er ausversehen auf die Schublade mit der Unterwäsche. Am liebsten hätte Philip die Schublade wieder reingeklatscht, allerdings bleibt sein Blick an einer Box mit schwarzen Oberteilen auf. Er hebt eins aus Neugier raus und hält es vor sich. Es ist eher eine Art Sport-BH. Sieht nur sehr eng aus. 

‚Wofür er den wohl braucht?', fragt sich Philip im Stillen. Länger will er sich aber keine Gedanken über Joels Unterwäsche machen, also packt er den schwarzen Stoff wieder in die Box und schmeißt die Schublade wieder zu. 

Dann findet er endlich die Schublade mit Hoodies.

„Was zum KuckKuck machst du da?", hört Philip entgeistert hinter sich. Die Stimme würde er in einem Raum voller Leute wieder erkennen und zur Weißglut treiben. Er dreht sich um und da steht er. Joel. Mit hochrotem Kopf. 

Philip, der halbnackt vor dem Jungen steht, stellt sich ihm gegenüber und versucht ruhig zu bleiben. 

„Ich hab Tomatensoße auf mein Shirt bekommen. Alva meinte, ich kann mir ein Hoodie von dir ausleihen", erklärt er. 

„Tja, kannst du nicht. Und jetzt kannst du auch gehen", meint Joel wütend und seine Augen blitzen den Zwilling an. 

„Was der König will", flüstert Philip und geht. Er verabschiedet sich kurz von den Geschwistern und rauscht dann aus der Tür.

Gleichgewicht || NolinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt