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Nachdem es den ganzen Samstag durchgeregnet hat, wollen Noah und Colin am Sonntag einen kleinen Spaziergang machen, damit sie frische Luft tanken können. 

Philip will zu Hause bleiben und für einen Test lernen, den er am Dienstag schreiben wird. Colin wird erst am Abend dafür lernen. 

Zusammen spaziert das Paar durch einen Wald, der in der Nähe von Erfurt ist. Sie sind erst mit den Bus aus der Stadt rausgefahren und gehen nun über die etwas matschigen Wege des Waldes. Ihre Hände streifen sich beim Laufen und Colin ergreift nach einiger Zeit Noahs und verschränkt ihre Finger miteinander. Sanft lächelt Noah und in angenehmer Stille laufen die beiden weiter.

Auf ihrem Weg begegnen sie nur ein paar Rentnern, die ebenfalls einen Waldspaziergang machen. Mit einer älteren Dame, die sich als Charlotte vorstellt, haben sie sich 5 Minuten unterhalten. Sie hat den beiden erzählt, dass sie sehr einsam ist, seit ihre Frau verstorben ist. Sie erzählt außerdem noch, dass sie zwar über 40 Jahre zusammen waren, davon aber nur 3 verheiratet. Sie wünscht Colin und Noah viel Glück für ihre Beziehung und das bei ihnen alles gut wird. 

Colin hat ihr angeboten, dass, wenn sie sich mal wieder begegnen sollten, etwas länger reden werden. Charlotte bedankt sich überschwänglich für das Angebot und drückt den beiden Jungs dann noch ein Bonbon aus ihrer Tasche in die Hand. Colin und Noah sind froh, dass die Frau sie angesprochen hat und für ein paar Minuten jemanden hatte, mit dem sie reden konnte. Noah war etwas überrascht, als sie ihre Frau erwähnt hat. 

Er selbst hat ausschließlich homophobe Großeltern, die ihn nie akzeptieren würden. Wenn er jemanden wie Charlotte in seinem Leben gehabt hätte, wäre wahrscheinlich alles anders gekommen. 

„Sie ist wirklich nett", meint Colin zu Noah, als sie weitergehen. 

„Die Zeit war unfair zu ihr", sagt der Blonde, ohne wirklich auf die Worte Colins einzugehen. 

„Zu uns wird sie gnädiger sein", versucht Colin seinen Freund aufzuheitern und er lockt ihm tatsächlich ein Lächeln auf die Lippen.


Auf einer Lichtung hält Noah an. Durch ihre verbundenen Hände wird Colin ebenfalls gestoppt. 

„Hörst du das?", fragt Noah und dreht seinen Kopf. Ein paar Sekunden hört Colin in die Stille. Wind, der durch die Bäume fegt, ein paar Vögel, die in der Ferne zwitschern. Das Rascheln herunterfallender Blätter und das Plätschern eines kleines Baches, an dem sie vor ein paar Minuten noch waren. Mehr hört er nicht, nur die Klänge der Natur. 

„Nein", antwortet er. Noah hat seinen Kopf immernoch gedreht und lauscht in eine bestimmte Richtung. 

„Doch, da ist doch was", meint er überzeugt und tritt vorsichtig näher an einen Busch. Colin zieht er einfach an der Hand hinter sich her. 

„Noah, du bildest dir das nur ein", versucht Colin seinen Freund zurückzuhalten, aber Noah ist sich sicher, dass dort etwas sein muss. Allerdings wird er hinter dem Busch nicht fündig. 

„Ich hab doch gesagt, da ist nichts. Komm, lass uns zurück gehen".

Sie sind wieder den gleichen Weg zurückgegangen, über den sie schon zur Lichtung gelangt sind. Der Wind zieht kühl um ihre Köpfe und die Sonne scheint hell vom Himmel. Der Herbst ist in den Wald gezogen und man merkt deutlich, wie der Winter kommen wird. Noah freut sich die Winterzeit mit Colin verbringen zu können. Bei dem Gedanken an gemütliche Filmnächte und Kakao wird ihm warm ums Herz. Dieser Winter wird der beste seines Lebens. 

Noah schaut zur Seite und sieht dort Colin. Seine Haare sind dank des Windes leicht zerzaust, was aber unglaublich niedlich aussieht. Seine Wangen haben einen leichten Rotton wegen der Kälte. Ungewollt beginnt Noah zu lächeln. Was ein Glück er nun zu haben scheint. 

Er hat früher nie gedacht, dass dieses Glück für ihn bestimmt ist, doch nun wird er beinahe davon überschüttet. Er hat Philip und Colin an seiner Seite, er wohnt in Erfurt, hat sich ein Leben ohne seine Eltern aufgebaut. Was könnte er mehr wollen? Und dann wieder dieses Rascheln. Diesmal links neben ihm. Es kommt aus dem Wald. 

„Da ist was", hält er Colin an. 

„Da ist nichts, genauso wie vorhin auch noch nichts war", erklärt Colin und versucht Noah mit sich zu ziehen. Jedoch starrt der Blonde gebannt in den Wald. Er hebt einen Stock auf und wirft ihn in den Wald. Er hat eine Vorahnung, was es sein könnte. 

Colin steht nur irritiert neben ihm und wartet darauf, dass Noah wieder gehen kann. Ein paar Sekunden passiert nichts, nur der Wind, der weiterhin weht, ist der Beweis, dass die Zeit nicht stehen geblieben ist. Und dann näher kommendes Rascheln, die Büsche teilen sich. 

Zum Vorschein kommt ein abgemagerter Hund. Ein schwarz-weißer Boston Terrier, mit Noahs Stock im Mund. Ein paar Meter vor den beiden Jungs legt der Hund den Stock ab und schaut Colin und Noah mit Knopfaugen an. 

„Ich hab doch gesagt, dass da was ist", meint Noah nun lächelnd und tritt ganz langsam näher an den kleinen Hund. 

 „Mach vorsichtig", mahnt Colin nur. Noah aufhalten ist von nun an sinnlos. 

„Er hat kein Halsband. Er scheint ganz verwahrlost zu sein. Ich muss ihn mitnehmen", meint Noah, als er sich zu dem Hund runterbeugt und ihm seine Hand zum Beschnüffeln hin hält. 

„Noah, du spinnst. Wie willst du das denn anstellen?" 

„Mir fällt da schon was ein".

Gleichgewicht || NolinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt