Kapitel 47: Die Stadt Arnsden

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Das war die vielleicht schlimmste Woche meines ganzen Lebens, eingeschlossen mit den Events die kurz davor passiert waren. Wir liefen und liefen, tagelang, immer mit nur kurzen Pausen, da wir ja auch irgendwie voran kommen mussten. Als wir am zweiten Tag nahe der Hauptstadt liefen, hatten wir einen kleinen Rückschlag erleiden müssen. Eleonore hatte Recht, es waren hunderte Wachen aufgestellt, selbst in den Vororten, weswegen wir auch noch einen großen Bogen drum herum laufen mussten. Ich war eigentlich schon überzeugt gewesen, dass wir uns zu hundert Prozent verlaufen würden, aber laut Hendrík waren wir auf dem richtigen Weg. Glauben tat ich ihm das auch erst, als wir sechs Tage später wirklich vor Arnsden standen. Die Stadt erreichten wir zum Glück auch genau dann, als unsere Vorräte langsam knapp wurden.

Ich war zum ersten Mal in Arnsden. Natürlich hatte ich von der Stadt schon gehört (wirklich), aber Bilder hatte ich nie gesehen. Die Wege waren eng, die Häuser standen schon fast ineinander, so nah, wie sie zusammen gebaut waren und hunderte von Menschen liefen auf den Straßen herum. Nicht jeder von ihnen begrüßte uns, so wie die Leute im Dorf es getan hatten. Eigentlich grüßte uns kaum einer von ihnen. Sie schauten uns nicht einmal an. Hendrík und ich kamen allerdings auch grade von einer einwöchigen Fußreise, ohne Baden zu können, ohne andere Klamotten anziehen zu können, ohne die Haare ordentlich kämen zu können. Wir mussten wie wilde Tiere aussehen, die grade irgendwo ausgebüchst waren. 

„Wo genau finden wir diesen Friedo?", flüsterte ich zu Hendrík.

Er schaute sich um.

„Keine Ahnung. Dazu hatte Eleonore nichts gesagt. Schätze wir müssen die Leute um Hilfe fragen."

Ich nickte.

Die erste Person, welche Hendrík versuchte anzusprechen, war eine großgebaute Frau, welche grade ihren schreienden und rennenden Kinder hinterher lief. Als Hendrík sagte: „Entschuldigt, würdet ihr bitte-", unterbrach sie ihn sofort und rief: „Nein, tut mir leid!"

Und darauf war sie weg.

Ich schaute Henrik verwirrt an.

„Sie hielt uns für Bettler.", erklärte er.

„Oh, wirklich?"

Das war irgendwie verwirrend. Aber gleichzeitig auch einwenig lustig. Von Prinzessin zu einer Bettlerin, wer hätte das gedacht.

Wir versuchten es weiter, auch bei anderen Menschen auf der Straße, als wir aber merkten, dass keiner mit uns reden wollte, entscheid Hendrík, in ein Gasthaus am Ende der Straße zu gehen und den Wirt dort um Hilfe zu fragen.

„Ich komme sofort wieder.", sagte er. Ohne dass ich auch nur irgendetwas erwidern konnte, war er auch schon verschwunden.

Da stand ich nun. Dreckig. Stinkend. Allein.

Ich hoffte Hendrík würde nicht zu lange brauchen, denn auch wenn diese neuen Erfahrungen, wie allein in einer fremden Stadt stehen, doch irgendwie schon ihren Reiz hatten, bekam ich angst, dass sobald ich einen noch dreckigeren Mann als mich sah, welcher auf der gegenüberliegenden Seite der Straße an eine Wand kotzte.

Ich war komplett verstört. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Und keiner kam, um ihm zu helfen! Was, wenn er etwas schlechtes gegessen hatte! Wenn er sich vergiftet hatte! Irgendwer musste ihm doch helfen! Ich hätte es ja gerne getan, aber sein Äußeres war mir etwas zu ungeheuer. Ich wusste natürlich, dass man ein Buch niemals aufgrund des Covers beurteilen sollte, als er aber nach dem Kotzen anfing zu schreien und hüpfend weg lief, war ich mir sicher, dass ich mich diesem Mann nicht nähern wollte.

Was wenn was auch immer er hatte ansteckend war?

Ich schaute dem Mann schockiert hinterher, bis mich schließlich eine Frau mit riesigen Korb unter dem Arm ansprach.

„Dem gehts schon gut. Na gut, bald geht es ihm wieder gut. Na gut, bald geht es ihm erstmal noch viel schlechter, aber dann wird es ihm wirklich besser gehen.", erklärte sie. Unter ihrer Haube schauten rabenschwarze Strähnen hervor, welche ihre dunklen Augen nur noch mysteriöser wirken ließen. Sie lächelte und dass so nett, dass sie mich fast an meine Amme erinnerte.

„Ah, ok.", sagte ich, um wenigstens irgendetwas zu sagen.

„Du siehst ein bisschen heruntergekommen aus. Lange Reise?"

Ich nickte.

„Hab ich mir gedacht. Hast du denn noch einen weiten Weg nach Hause?"

Kurz hob sie ihren Korb etwas höher, wahrscheinlich, weil er ihr langsam etwas schwer wurde. Kein Wunder, darin waren hunderte verschiedene Lebensmittel. Wirklich sehr köstlich aussehende Lebensmittel...

„Nein, also ja... also... ich weiß nicht.", versuchte ich ihr zu erklären.

Noch wirkte sie nicht zu irritiert, also fügte ich gleich hinzu: „Ich, äh... also ich suche noch einem Bekannten. Er soll hier wohnen, aber ich weiß leider nicht genau wo."

Die Frau schmunzelte.

„Nun, die Stadt ist groß, jeden werde ich leider nicht kennen. Aber wer weiß, vielleicht kann ich dir ja trotzdem etwas weiterhelfen. Wie hießt denn dein Bekannter?"

„Friedo."

Plötzlich ließ sie den Korb fallen. Erschrocken wich sie zurück von mir.

„Was ist?", fragte ich.

Entgeistert blickte sie mich an.

Amolien's Geheimnisse: Kampf um den ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt