Kapitel 60: Ein kleines Buch

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Das Hendrík in Friedos Labor ging und mich dadurch in diesen Gruselgang allein ließ, war mir eigentlich gar nicht recht gewesen. Glücklicherweise kam er aber schnell wieder zurück und betrachtete darauf das Gitter, welches sich im Gang geradeaus vor mir befand.

„Weißt du, was ich mich frage?", sprach Hendrík plötzlich.

Was auch immer er sich fragte, war es auf diese Tunnel bezogen, wollte ich es bestimmt nicht wissen.

„Nein, keine Ahnung und kein Interesse.", stotterte ich. Mir war das wirklich sehr unbehaglich in diesem steinernen Tunnel. Vielleicht konnte es auch daran liegen, dass es mich an den Kerker erinnerte, in welchem mein Vater versucht hatte, mich... aus welchem Hendrík mich gerettet hatte.

Hendrík schaute zu mir. Ich konnte nicht wirklich deuten, was sich hinter seinem ernsteren Gesichtsausdruck befand.

„Doch Lilith, glaub mir! Es wird dich interessieren.", sagte er sanft. Irgendwie war seine Stimme beruhigend.

„Komm her!", rief er und wank mich dabei zu sich.

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein danke."

Im Licht der Fackel waren Hendríks sich verdrehenden Augen leicht zu sehen. Fast schon wollte ich mich dadurch beleidigt fühlen, doch dann sprach er weiter.

„Ich habe nur überlegt... Friedo nannte das hier die ‚geheimen Tunnel'. Was wenn sie vielleicht etwas mit deiner geheimen Bibliothek zu tun haben?", erklärte er.

Sofort überlegte ich.
Abgesehen davon, dass beide Orte einen ähnlichen Namen hatten, fand ich die Zusammenhänge eigentlich nicht sehr überzeugend. „Ich weiß nicht."

Fast glaubte ich, Hendrík kurz Lachen zu hören. Er kicherte auf und rief darauf: „Und warum war dann ein Buch mit der Aufschrift ‚Die geheime Bibliothek' in Friedos Labor?"

Sofort lief ich auf Hendrík zu.

„Wie bitte? Wo?"

Er sah mich schmunzelnd an.

„Hier.", sagte er, während er mir ein sehr kleines, dünnes Buch hinhielt.

Im Licht der Fackel sah es etwas grünlich aus und auch wenn nur schwer, konnte man erkennen, dass ein paar Sätze darauf geschrieben waren. Nun kommen wir aber wieder zu dem Lesen Problem...

Ich schaute hoch zu Hendrík. „Was steht da?"

Fragend blickte er mich an. Es dauerte ein paar Sekunde, doch dann schien die Erkenntnis ihn endlich zu erleuchten.

„Oh stimmt! Du bist ja die ungebildetste Prinzessin aller Zeiten.", lachte er.

Sofort verpasste ich ihm einen harten Schlag auf seinen Arm.

„Aua!", rief er und rubbelte sich mit verkrampftem Gesicht an der Stelle, an welcher ich ihn getroffen hatte.

Gewalt ist keine Lösung. Jedoch will ich nicht leugnen, dass sie vor allem in diesen Moment mehr als gutgetan hatte.
Dieser doofe Trottel...

„Also...", stöhnte Hendrík, „Da steht: Die Geheimnisvolle Bibliothek. Hier befinden sich alle gesammelten Informationen, die Gelehrte unsere Welt über die geheimnisvolle Bibliothek ausfindig machen konnten. Lesen auf eigene Gefahr. Bla bla bla. Es gibt sie nicht wirklich. Verfasst von Allerfred Der'Berti."

„Moment, was?!", rief ich.

Hendrík erwiderte: „Ich weiß. Allerfred ist voll der bescheuerte Name. Wahrscheinlich ist das dieser Ururopa, von dem Friedo gesprochen hatte. Der war bestimmt-"

„Hendrík, nein!", unterbrach ich ihn, „Das interessiert doch keinen! Du sagtest, dort steht, dass es sie nicht wirklich geben würde! Stimmt das?"

Er sah mich nachdenklich an.

„Ich schau mal nach."

Sofort blätterte er durch die wenigen Seiten des Buches. Dabei bemerkten wir auch, dass viele sehr beschädigt waren. Ich betete, dass Hendrík sich einfach nur verlesen hatte.

„Aha!", rief er plötzlich," Also, hier steht... anscheinend ist die geheimnisvolle Bibliothek ein Mythos. Erschaffen wurde dieser so um dieselbe Zeit, wie zu Amoliens Gründungszeiten. Es heißt, dass eine rätselhafte Gestalt, laut manchen ein Kreator, im Schloss der Königsfamilie der einzige Gast der Bibliothek jemals gewesen sei. Und dass sich darin wohl auf magische Weise die Antworten auf alle Fragen befinden. Dieser Allerfred schreibt, dass er vermutet, dass dieses Märchen als eine Art Hoffnungsparabel erschaffen wurde, da es den Menschen in Amoliens Anfängen nicht so gut ging. Die Vorstellung eines Ortes, welcher für alles eine Lösung hat, schien wohl einige am Leben zu halten, so schreibt er es zumindest."

Ich grübelte... waren wir wirklich die ganze Zeit einem Mythos hinterhergejagt?

„Moment!", rief ich, „Steht dort wirklich Wort für Wort ‚geheimnisvolle Bibliothek'?"

Hendrík schaute mit gehobener Augenbraue zu mir.

„Ja.", antwortete er verwirrt.

„Aha! Dann kann das also nicht die Bibliothek sein, nach welcher wir suchen! Denn meine Schwester sprach von einer geheimen, nicht geheimnisvollen Bibliothek!"

„Das ist mit das Dümmste, was du bis jetzt gesagt hast. Und tut mir leid, aber für deine Verhältnisse soll das schon was heißen- AUA!"

Wieder schlug ich ihm auf den Arm.

„Ich bin immer noch eine Prinzessin, klar? Sprich noch einmal so mit mir, und ich werde-"

„Schon gut, schon gut!", Hendrík unterbrach mich mit winkender Hand, „Hab schon verstanden! Du musst aber trotzdem zugeben, dass das etwas bescheuert klingt! Vielleicht hieß es ja von Anfang an ‚geheimnisvoll' und du hast in deinem Traum nicht richtig hingehört... oder du kannst dich einfach nicht mehr richtig daran erinnern, was deine Schwester gesagt hat. Immerhin war es ein ja Traum, da merkt man sich ja nie alles..."

Ich starrte ihn an. Es tat weh, es zugeben zu müssen, doch er hatte Recht. Was wenn ich mich wirklich nicht mehr richtig erinnern konnte? Oder noch schlimmer... was, wenn es wirklich nur ein Traum gewesen war? Wenn unsere Reise auf einer Vorstellung basierte?

„Steht noch irgendetwas hilfreiches in diesem Buch?", fragte ich mit schwacher Stimme.

Hendrík holte tief Luft, doch bevor er noch irgendetwas erwidern konnte... hörten wir es.

Amolien's Geheimnisse: Kampf um den ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt