Kapitel 58: Die geheimen Tunnel

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So sehr wie ich auch von Friedos Geheimgang hinter seinem Bücherschrank beeindruckt war, mit jedem Schritt, welchen ich weiter hineinlief, wurde es mir trotzdem immer ungeheurer. Es war so stockduster und eiskalt darin. Zwar hatte Friedo eine Fackel mit dabei, mit welcher er ebenfalls ein paar Kerzen an den Wänden anzündete, doch trotzdem konnte ich mit nur schwer eingeschränkter Sicht erkennen, wohin genau wir grade liefen.

Als wir das Ende der Treppe erreicht hatten, waren wir an einer Gabelung von mehreren Gängen angekommen. Der eine führte in... tiefste Finsternis. Wenn es so etwas wie reines Nichts auf dieser Welt geben sollte, dann in diesem Gang.
Der andere, genau geradeaus vor uns, war eine Sackgasse. Mit einem Gitter davor. Wie einem Gefängnis. Überhaupt nicht gruselig...
Der letzte jedoch... das konnte ich nicht erkennen, da dieser etwas weiter um die Ecke ging und dadurch die Wand davorstand.

Friedo lief von hinten an uns vorbei und stellte sich vor mich und Hendrík.

„Also...", stammelte er wieder, „Niemand, abgesehen von mir und meinen engsten Freunden, weiß von diesen Tunneln. Und... es wäre wirklich gut, wenn das auch so bleibt. Dass sie geheim sind... das ist, was mich am Leben hält. Deswegen, bevor ich euch hier allein lassen kann, eine wichtige Regel: Verratet niemals jemals irgendwem auch nur von der Existenz dieser Tunnel, ok?"

Ich schaute zu Hendrík. Arme zuckend stimmte er Friedo mit einem leichten Nicken zu.

Darauf versprach ich: „Niemand wird je hiervon erfahren, das schwöre ich!"

„Gut, gut!", nuschelte Friedo. Er schwenkte die Fackel ein wenig herum, weswegen ihr Licht leicht flackerte.

„Oh, und bevor ich es vergesse!", rief er nun, „Eine weitere Regel gäbe es da auch noch! Zweite wichtige Regel: geht auf gar keinen Fall diesen Tunnel dort entlang!"

Er zeigte auf den einen Gang, welcher so dunkel wirkte, als könnten die schlimmsten Monster darin hausen.

"Zum einen bewahre ich dort alle Mixturen auf, die noch reifen müssen, weswegen es dort etwas nach Verwesung stinkt..."

Nicht nur dort, dachte ich.

„Und zum anderen führt dieser Tunnel zu einem kompletten Tunnelsystem, welches sich über die halbe Stadt ausbreitet! Ein paar Bierbrauer hatten sich damals, beim Erbauen des geheimen Labors, mitangeschlossen und sind etwas sehr... kreativ geworden. Sie wollten ihr Bier in Ruhe hier unten brauen und dabei auch keinen zu langen Arbeitsweg haben, weswegen sich auch immer mehr Gänge bildeten. Und sagen wir so, kennt man sich da unten nicht aus, wird es auch sehr schwer, sich irgendwie zurecht zu finden. Es muss ein schrecklicher Tod sein. Ganz allein. Verloren in einem Labyrinth aus leblosem Stein. Ohne Essen. Ohne Trinken. Ohne Gesellschaft..."

Friedo starrte ins Leere. Leicht ließ er dabei die Fackel auch sinken, wodurch sich ein gruseliger Schatten über sein Gesicht legte. Plötzlich spürte ich, wie mein Körper wieder anfing zu zittern.

„Friedo?", fragte ich verängstigt.

Er schien sofort aus seiner Starre zu erwachen und lächelte mich an.

„Außerdem, wichtige Regel Nummer drei: Fast nichts in meinem Labor an! Keine der Mixturen, keiner meiner Instrumente, lasst bitte einfach alles so liegen, wie ich es hinterlassen habe!
Na dann! Frohes schaffen meine Lieben! Ich muss jetzt hoch, ein bisschen im Laden aufräumen. Ich schaue später nochmal vorbei, wir sehen uns!"

Damit drängelte er sich auch wieder an uns vorbei, übergab dabei die Fackel an Hendrík und lief die steile Treppe wieder nach oben.

Wenig später hörte man ein lautes Schallen, welches durch das Schließen der schweren Bücherschranktür entstanden war. Ich zuckte zusammen.

Da waren wir nun.

Sicher.

Allein.

Nur wir zwei.

Würde uns irgendetwas hier unten passieren... ich bezweifelte, dass auch nur irgendjemand unsere Schreie hören würde. Selbst nicht, wenn man sich in Friedos Laden befände.

Amolien's Geheimnisse: Kampf um den ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt