Ich hörte ein Knirschen und plötzlich tauchte Hendrík hinter einem Baum wieder auf. Er hielt einen Berg von Stoffen vor sich, welche ihm die Sicht versperrten.
„Prinzessin, ihr werdet nicht glauben, was ich gefunden habe!", rief er laut. Er ließ alles, was sich in seinen Händen befand, mit einem Mal vor sich fallen und grinste mich stolz auf sich selbst an.
Sein grinsen verschwand allerdings ziemlich schnell, als er mich ansah. Genauer gesagt, als er mein Haar ansah.
„Neuer Look?", fragte er in einem etwas verwirrten Ton.
Ich Zucker mit den Schultern. „Ich habe mir an euch ein Beispiel genommen."
Nachdem ich aus dem Bach getrunken hatte, waren meine Haare mir so hässlich, dass ich sie am liebsten ganz abgeschnitten hätte. Leider hatten wir aber weder an eine Schere, noch ein scharfes Messer gedacht, als wir aus dem Schloss geflohen waren. Gar nichts hatten wir mitgenommen. Ich hatte nichts, außer Cassandras Haarband und die halbe Zofenuniform bei mir. Also musste ich etwas anderes finden, um mein weißes Haar verstecken zu können. Und da fielen mir Hendríks mit Ruß überdeckten Locken ein. Aus unserem gelöschten Feuer hatte ich ein Stück verbranntes Holz genommen und mit dessen Asche versucht, meine Haare so gut es ging schwarz zu färben. Es wär nicht perfekt, aber sah trotzdem sogar viel besser aus, als ich es mir zugetraut hatte.
„Beispiel an mir? Euer Haar ist.. dreckig.", erwiderte er.
Ich schnalzte mit der Zunge. „Und was ist eures?"
Hendrík sah mich scharf an. „Ich bin aus einem Kerker geflohen, in welchem die Überreste verbrannter Gefangener gelagert wurden, was ist eure Ausrede?"
Und erst dann wurde mir auch klar, dass ich nie auch nur darüber nachgedacht hatte, wie Hendríks Familie ermordet worden war. Ich hatte angenommen, dass einer nach dem anderen geköpft wurde oder etwas anderes schnelles. Aber nein, sie waren lebendig verbrannt worden. Und Hendrík musste jeden von ihnen gehen sehen.
Er war ein Küchenjunge und ich hatte einfach von Anfang an angenommen, dass er immer so verschmutzt aussah. Wobei mir jetzt klar wurde, dass er lediglich von den Überresten seiner Familie bedeckt war.
„Oh, das tut mir schrecklich leid! Ich... Ich hatte keine Ahnung."
Aus irgendeinem Grund schien mir Henrdrík aber sofort zu verzeihen: „Ist schon gut. Und eigentlich ziemlich schlau von euch, eure Haare zu verstecken. Sonst würden die Menschen im Dorf euch ja sofort erkennen!"
„Im Dorf?", fragte ich.
Hendrík zeigte hinunter auf die auf dem Boden geschmissen Stoffe.
„Nicht weit von hier habe ich ein Dorf gefunden. Sie haben eine Heilerin, welche sich eure Füße ansehen wird. Außerdem gibt es eine Gruppe von Wanderern, welche in der Nähe davon ein Lager aufgebaut haben. Und anscheinend haben sie vor kurzem erst Wäsche gewaschen, denn auf einer Leine hängen fand ich das hier."
Ich sah hinunter auf die Stoffe und erkannte schließlich, dass sie mehr als nur ein paar „Stoffe" waren. Geschockt rief ich: „Ich habt ein Kleid gestohlen?"
„Nicht nur ein Kleid! Sogar mit neuem Unterrock und -Kleid zusammen!"
„Aber diese Menschen brauchen ihr Kleid doch bestimmt selbst! Wie könnt ihr einfach"
Hendrík unterbrach mich.
„Wollt ihr in nur einem halben Kleid in ein Dorf gehen? Ihr zieht schon genug Aufmerksamkeit auf euch, mit euren verstaubten Haaren! Na los, zieht euch jetzt an und dann lasst uns gehen!"
Rechthaberischer Idiot... aber aus irgendeinem Grund hörte ich auf ihn.
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Amolien's Geheimnisse: Kampf um den Thron
FantasíaEin grausamer Krieg, Jahrhunderte lang. Lilith ist Prinzessin des Landes Amoliens, doch man verstoßt sie. So muss sie sich auf eine große Reise und Suche mit dem erst fremden Hendrík machen, um ihr Land und ihre Familie retten zu können. Hinter all...