Kapitel 46: Waldgespräche

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"Wusstet ihr, dass jeder vierte Mensch auf dieser Welt sich einsam fühlt?", fragte mich Hendrík.

Genervt schüttelte ich den Kopf.

"Das hat meine Mutter mir erzählt. Sie ließt gerne solche wissenschaftlichn Bücher. Ich meine.. laß. Naja, jedenfalls, sie meinte, dass selbst ein Mensch, welcher von hundert Anderen umgeben ist, sich einsam fühlen kann."

"Glaub ich ihr gerne.", sagte ich. Ich wusste sonst nicht, was ich dazu sagen sollte.

Wir waren nun schon die komplette Nacht unterwegs gewesen. Eigentlich hätte ich mich irgendwann gerne endlich einfach nur hingelegt, aber es war unklug so nah am Dorf noch schon stehen zu bleiben. Hendrík versprach, dass wir bei Sonnenaufgang weit genug weg sein sollten, um endlich eine Pause einlegen zu können. Und bis Sonnenaufgang sollte es eigentlich nicht mehr lange dauern, da der Himmel langsam auch wieder heller wurde.

Leider aber war Hendrík beim Laufen langweilig geworden. Und das musste er natürlich an mir auslassen...

"Vor allem wenn man älter wird, soll man einsam sein. So ab 60 oder sowas in der Art. Meine Mutter meinte, es lege daran, dass sich immer weniger Verwandte und Freunde melden. Da haben ich und meine Geschwister uns dann so schlecht gefühlt, dass wir sofort einen Brief an unsere Großeltern geschrieben hatten!"

Er wollte einfach nicht aufhören weiter zu reden. Langsam bekam ich wieder das Bedürfnis, ihm einen Tritt zu verpassen, aber dafür war ich viel zu müde und erschöpft. Eine ganze Nacht. Eine ganze komplette Nacht waren wir nun schon gelaufen!

"Habt ihr eigentlich viel Kontakt zu euren Großeltern oder sind sie auch... etwas mörderisch?"

Ich atmete einmal tief aus. Womit hatte ich diesen Jungen nur verdient?

"Nein. Sie sind tot."

"Oh, stimmt."

Ich starrte ihn ungläubig an. Ihm müsste doch klar sein, dass ich keine Großeltern hatte. Sonst würde ja auch nicht mein Vater auf dem Thron sitzen. Ich wollte ihn wirklich, wirklich gerne treten. Aber auch wollte ich mich endlich hinsetzen.

"Naja, und wegen das mit der Einsamkeit... ich habe mich immer gefragt, wenn wirklich jeder Viert-"

"Hendrík!", rief ich und unterbrach ihn damit, "Könnt ihr bitte für eine Minute ruhig sein! Ich kann nicht mehr! Wirklich, ich kann nicht mehr!"

Kurz blieb er stehen und schaute mich verdattert an. Er starrte eine Weile, bis er schließlich mit den Armen zuckte und weiter voran lief.

Erleichtert atmete ich aus. Wir liefen vielleicht zehn Minuten still nebeneinander. So still, bis mir klar wurde, dass die Stille mich nur noch müder machte. Ich entscheid mich endlich eine wirklich wichtige Frage mit ihm zu klären.

"Hendrík? Was machen wir nun?"

Er schaute mich fragend an.

"Wir brauchen eine Woche in diese Stadt! Und bei unserem Tempo würde es mich nicht wundern, wenn es plötzlich zwei werden! Meine Amme wartet doch...", erklärte ich.

Kurz starrte er ins Nichts.

Schließlich sprach er: "Es wird bestimmt einen Grund geben, warum Eleonore uns genau nach Arnsden hin geschickt hat. Wenn es dort so sicher angeblich ist. Ich bin mir sicher, dass eure Amme auch noch ein bisschen länger warten kann!"

Enttäuscht blickte ich zu Boden.

"Aber kann es auch Amolien?"

Darauf antwortete er nichts mehr.

Nun blieb es wirklich erstmal still für eine Weile zwischen uns. Wir liefen noch vielleicht eine Stunde, bis wir uns endlich drauf einigen konnten eine Pause zu machen und endlich eine Runde zu schlafen. Was mir trotz harter Waldboden doch recht leicht fiel.

Amolien's Geheimnisse: Kampf um den ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt