Kapitel 53: Zum Tausch gegen das Geheimnis

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„Leo ist eine meiner absoluten Lieblingskundinnen, warum sagtet ihr nicht gleich, dass sie euch schickte?", rief Friedo fröhlich.

Etwas sehr überrascht von Friedos Euphorie blickte ich langsam zu Hendrík, welcher genauso baff wie ich war.

Keiner von uns sagte etwas und so redete Friedo weiter: „Was braucht sie denn dieses Mal von Onkel Friedo, etwa wieder das Poliermittel für ihre Goldkette? Ja, das habe ich mir gedacht! Was Gold angeht, bin ich der Experte, wartet kurz, ich hole es schnell!"

Grade als Friedo sich aufgeregt umdrehte und genau auf ein Gemälde, welches neben dem Regal an der Wand hing, zusteuerte, unterbrachen ich und Hendrík ihn sofort und riefen ihm zu.

„Nein, wartet!", sagte ich.

„Wir brauchen eure Hilfe!", fuhr Hendrík fort.

Mit zusammengekniffenen Augen sah Friedo uns fragend an.

„Hilfe?", wiederholte er in einem ernsteren Ton, „Ihr? Ihr wollt meine Hilfe? Die grade eben noch über meine Hilfsmittel gelacht haben?"

Ich schaute zu Boden. Wo er recht hatte...

„Ihr müsst verstehen!", versuchte Hendrík zu erklären, „Wir brauchen jemanden, der uns hilft, uns zu verstecken. Und Eleonore sagte uns, dass ihr dafür perfekt wärt!"

Friedo sagte darauf nichts. Da ich noch immer zu Boden guckte, konnte ich auch nicht erkennen, was genau er nun tat.

„Wir sind in Gefahr, versteht ihr? Und wir haben keinen Zufluchtsort.", redete Hendrík weiter.

Auch wenn er sich ordentlich Mühe gab, war ich mir nicht sicher, ob seine Überredungskunst hier noch irgendetwas bringen würde. Allerdings fing ich auch an, das gar nicht mehr so schlimm zu finden. Ich meine, brauchten wir denn noch ein Versteck? Die Woche im Wald hatten wir zwar nur schwer, aber wir hatten sie überlebt! Ein zwei Mal sind wir vielleicht auf Soldaten getroffen, jedoch konnten wir uns immer im letzten Moment noch vor ihnen verstecken. Die eine Woche Frist, welche meine Amme aufgestellt hatte, war nun auch vorbei. Wir könnten auch einfach loslaufen, nur eben in die andere Richtung und mussten dabei hoffen, dass irgendwie alles wieder gut gehen würde. Außerdem, wenn wir uns wirklich erstmal verstecken sollten, wollten wir das dann tatsächlich ausgerechnet hier tun? Es gab keine weiteren Türen, also schien dieser Raum auch alles zu sein, was Friedo hatte. War eine so offene Apotheke mit nur einem Tresen als Versteckmöglichkeit die beste Option, erstrecht, wenn sie so stank und von so einem Mann geführt wurde? Meine Zweifel wurden immer größer.
Plötzlich meldete Friedo sich wieder zu Wort.

„In welcher Art Gefahr steckt ihr?", fragte er mit gedämpfter Stimme.

Ich schaute zu Hendrík. In seinem Blick konnte ich gleich erkennen, dass er nicht gleich die ganze Wahrheit preisgeben wollte. Was definitiv auch besser so war. Selbst wenn wir versuchen würden, ihm von meiner wahren Identität zu berichten, warum sollte er uns glauben? Ich hatte zufällig kein Diadem als Beweis dabei und zusätzlich sah ich mit meinen braun gefärbten Haaren auch überhaupt nicht wie die Prinzessin aus, welche unser Land außerdem immer noch für tot hielt!

Leicht nickte Hendrík mir zu. 

„Wir wurden zu Unrecht zu einem Verbrechen schuldig gesprochen.", womit er irgendwo auch recht hatte. Er und seine Familie wurden für meinen angeblichen Tod verantwortlich gemacht, „Seitdem sind wir auf der Flucht vor der Todesstrafe. Eleonore und ihre Leute hatten versucht uns zu helfen, aber man hat uns trotzdem schnell gefunden. Und sie meinte, dass ihr uns als nächstes Unterstützen würdet! Bitte."

Mit großen Augen schaute er Friedo an. Dieser streichelte grade nachdenklich über sein Kinn, wobei sich ein paar der Krümmel in seinem Bart lösten. Ekelhaft.

„Aha, sehr interessant.", murmelte er. Er schaute uns intensiv an. Keine Ahnung, ob er uns glaubte und vor allem nicht, ob er uns helfen würde. Hendríks Ausrede war definitiv eine Realistische, aber würde Friedo solche Art Leuten überhaupt helfen?

„Nun.", sagte er schließlich in einem ernsten Ton, „Wenn Eleonore euch schickt, muss es wirklich ernst sein. Ich werde euch helfen!"

Sofort fing mein Herz an schneller zu schlagen. Ich spürte Hoffnung. Mit einem leichten Lächeln schaute ich zu Hendrík, welcher meines auch sofort erwiderte. Friedo klang überzeugt. Er musste einen genauen Plan haben, wie er uns helfen konnte. Im selben Moment fing ich an ihm zu vertrauen.

Doch dann...

„Allerdings!", rief Friedo, „Natürlich nur im Gegenzug für etwas Anderes!"

Und da war er auch schon. Der Hacken an dem Ganzen. Natürlich gab es einen. Sofort verlangsamte sich mein Herzschlag wieder, blieb dabei aber sehr laut. Ich bekam Angst.

„Ich werde euch das beste Versteck in ganz Amolien beschaffen, unter einer einzigen Bedingung!"

Gespannt schauten wir, Hendrík und ich, zu dem alten Mann. Geld hatten wir nicht. Das Wertvollste, was ich besaß, war das Haarband, welches ich aus dem Stoff von Cassandras Kleid gemacht hatte. Und ich bezweifelte, dass dies ausreichen würde, wenn Friedo nach einer Bezahlung fragte. Jedoch sagte er dann...

„Ich verstecke euch, wenn ihr mir den wahren Grund nennt, warum und vor wem genau ihr euch versteckt!"

Hendrík schaute mit einem leichten Seitenblick zu mir herüber. „Deine Entscheidung.", wollte er mir quasi damit sagen. Ich wusste aber nicht, was wir machen sollten.

Konnte ich Friedo mein Geheimnis anvertrauen? Meine wahre Identität? Meine Identität, welche Grund allein für mein Todesurteil war?

Ich schloss kurz die Augen und atmete einmal intensiv durch. Alles in meinem Kopf drehte sich.

Ich sah meine Schwester, meine vielleicht sogar noch am Leben seiende Schwester, welche laut ihrer eigenen Worte nie wieder kommen würde, aber welche auf mich zählte, dieses ganze Chaos zu lösen.

Ich sah meine Brüder. Johntimo, welcher ohne Liebe aufwachsen würde. Amadeus. Mein kleiner Amadeus. Mein Bruder, welcher alles aufgeben müsste, um eine weitere Marionette unseres Vaters zu werden.

Ich sah das brennende Dorf. Die verzweifelten Menschen. Den Tod. Diesen ganzen, unnötigen und ungerechten Tod.

Ich sah meinen Vater. Das schlimmste Monster, welches unsere Welt jemals produziert hatte. Der Mann, welcher mich unter schlimmsten Bedingungen großzog, getränkt in den ungerechtesten Verboten, welcher aber trotzdem mein Vater war. Von wem ich trotz Allem noch Erinnerung hatte, welche mich vor nicht allzu langer Zeit zum Lächeln gebracht hätten. Erinnerungen, in welchen er mich in den Arm genommen hatte, in welchen wir gelacht hatten. Sie waren wenige, doch sie waren da. In mir war immer noch ein winziger Teil, welcher meinen Vater liebte. Und das war Grund genug, dass ich alles tun musste, um das Monster in ihm mit allen Mitteln aufzuhalten.

Dieser Moment grade, diese Entscheidung, ob ich mich Friedo anvertrauen würde... das war womöglich eine der Wichtigsten unserer ganzen Reise. Alles, was wir bis jetzt durchmachen mussten, könnte dadurch umsonst sein. Genauso aber könnte es auch umsonst werden, würden wir nun einfach verschwinden und sofort draußen erwischt werden.

Und schließlich blieb alles stehen. Ich spürte das Blut in meinen Adern fließen, hörte jedes ach so kleine Geräusch. Ich war mir nun sicher. Ich wusste, was ich tun würde.

Amolien's Geheimnisse: Kampf um den ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt