Kapitel 23: Augen zu und durch

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Erst wusste ich nicht wovon Hendrík sprach, doch dann schaute er zur Seite, in Richtung der Fenster.

„Es ist unsere einzige Möglichkeit.", flüsterte er.

Ich nickte. Hätte er ein paar Minuten vorher versucht mich zu überzeugen aus dem Fenster zu springen, hätte ich ihn für verrückt gehalten. Aber ich vertraute Hendrík.

„Welcher Tag ist heute?", fragte ich.

„Mittwoch, warum?"

Ich schaute auf die Uhr.

„Es ist zwölf Uhr! In dreißig Minuten kommt der Händler und bringt Essen ins Schloss. Wenn wir es von hier aus nach unten schaffen müssen wir nur zum Tor, um dort im richtigen Zeitpunkt in seinen Waagen zu steigen, damit er uns von hier wegbringt!"

Der Plan klang gut. Wir hatten wirklich eine Chance zu überleben. Falls wir auf dem Weg nicht sterben würden.

„Und was machen wir danach? Außerhalb des Schlosses wird uns weder einer helfen, noch glauben!"

„Darüber reden wir später!"

Sofort sprang ich auf und lief zum Fenster. Ich wusste nicht, wie man es öffnen könnte, also nahm ich Vaters Eisenskulptur von seinem Tisch und warf sie ohne weiter drüber nachzudenken aus dem Fenster.

Nun war ein großes Loch darin, doch nicht groß genug, um hinaus zu klettern. Also nahm ich die zweite Skulptur und schlug damit den Rest des Fenster weg.

Darauf schnürte ich mir die Schürze ab und band sie um meine Hände, um das Rest Glases weg zu wischen.

Amadeus und ich hatten vor einigen Jahren auch versucht durch ein Fenster auszubrechen und uns dabei fürchterlich geschnitten, also wusste ich, dass ich aufpassen musste. Damals allerdings war das Fenster im ersten Stock und da Vater uns immer eingesperrt hatte, wollte wir eigentlich nur in den Garten gehen. Aber heute würde ich aus der dritten Etage springen. Als ich sicher war, die meisten Scherben beseitigt zu haben, blickte ich heraus. Ich konnte nur zwei Wachen erkennen, die mit dem Rücken zu mir am Tor standen.

„Das war unglaublich Prinzessin!", rief Hendrík. Doch plötzlich hörte ich Stimmen.

„Was war das?! Hol den König, er hat den Schlüssel!", wir hörten Schritte!

„Beeilung!", rief ich.

Ich wusste nicht, wie wir durch das Fenster auf den Boden kommen sollten. Herunterklettern war schonmal keine Option.

„Wir brauchen eine Leiter!", rief Hendrík.

Ich sah mich um.

„Die Vorhänge!"

Ich nahm eine der Scherben, welche auf dem Boden lag, wickelte einwenig Stoff darum, damit ich mich nicht schneiden würde und stieg dann auf Vaters Tisch, um den einen Vorhang schneiden zu können. Doch ich kam nicht ran. Als ich einen der Stühle auf Vaters Tisch stellte klappte es schließlich.

„Hendrík! Wir müssen uns beeilen!"

Ich gab ihm ein Stück Stoff meiner Schürze, welches ich abschnitt, damit er sich ebenfalls eine Scherbe nahm und mit einem weiteren Stuhl auf dem Tisch den anderen Vorhang Abschnitt. Nach einiger Zeit hatten wir es geschafft.

Ich nahm die zwei Vorhänge und knotete sie zusammen, dass eine Teil band ich um Vaters Tisch, welcher am Boden festgenagelt war. Dann warf ich den Rest aus dem Fenster.

„Es ist nicht lang genug!", rief Hendrík.

Die ganze Zeit hörte ich Schritte. Bald würden wir erwischt werden und es wäre vorbei gewesen.

„Denk nach, komm schon denk nach!", rief ich zu mir selbst.

Und dann bekam ich eine weitere Idee. Ich holte die Vorhänge zurück und band dann den Rest meiner Schürze dazu. Dann zog ich meinen obersten Rock aus, schnitt ihn auf einer Seite auseinander und band ihn ebenfalls dazu. Es reichte noch immer nicht, also musste ich einen weiteren Rock opfern, bis ich nur noch in Unterhose da stand. Für Scham war keine Zeit und in Hosen kletterte es sich wahrscheinlich sowieso besser.

Und endlich reichte unsere Leiter!

„Hendrík, du zuerst!"

„Prinzessin, ihr seid wichtiger, ich-"

„Los jetzt! Geht! Das ist ein Befehl!"

Und endlich stieg er aus dem Fenster und kletterte langsam hinunter.

Dann hörte ich die Stimme meines Vaters.

„Was ist los?!"

„Die Prinzessin hat ein Fenster eingeschlagen."

„Was?!"

Ich musste raus. Sofort musste ich raus!

Stark hielt ich mich am Seil fest. Es war hoch. So hoch! Ich durfte nicht hinunter sehen!

Meine Hände zitterten und ich hatte Angst zu fallen, doch ich hörte schon das Schloss, wie Vater den Schlüssel hineinsteckte.

Also sprang ich hinaus und rutschte einen kleine Teil des Vorhangs hinunter, bis ich mich wieder halten konnte. Meine Hände brannten, ich zitterte vor Angst und wusste, ich hatte nicht genug Kraft, um mich ewig zu halten.

Dann hörte ich wieder Stimmen. Und sie waren lauter.

Vater war nun im Raum!

„Wo ist sie?!", schrie er.

Erschrocken blickte ich hoch.

Sofort sah ich runter zu Hendrík, der schon auf dem Boden stand und mich zu sich wank.

So schnell ich konnte kletterte ich runter, was aber durch meine Angst ziemlich langsam war.

Ich sah Vater aus dem Fenster zu mir blicken.

„Löst das Seil!", rief er.

Ich ließ leicht los und ließ mich wieder einige Meter das Seil hinunter fallen, bis ich drei Meter vor dem Abgrund anhielt. Ich kletterte wieder normal weiter, bis das Seil plötzlich nach gab und nach unten fiel. Es wurde durchschnitten und ich landete hart auf dem Boden, mit den Füßen zu erst. Es schmerzte, doch meine Angst vor dem Tod war stärker. Ich rannte zu Hendrík an die Wand, damit man uns nicht sah.

Amolien's Geheimnisse: Kampf um den ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt