Im hinteren Teil der Lichtung, genau hinter einem etwas höheren Hügel, war eine etwas abgelegenere, aber auch hübschere Hütte. Sie war aus einem hellen Birkenholz, welches sehr einladend wirkte, weswegen es mich auch etwas freute, als Mikara diese Hütte als meine Unterkunft vorstellte.
„Die ist für besondere Anlässe. Hochzeiten oder große Feiern zum Beispiel, oder eben wichtige Gäste.", erklärte sie, während sie mir die Tür öffnete. Ich war ohnehin schon beeindruckt, doch vom Inneren, welches ich nun sah, war ich es erst recht. Es war kaum mit den Standards zu vergleichen, mit welchen ich großgeworden war. Natürlich gab es hier keine bemusterten Tapeten mit Goldverzierungen oder geschwungene Möbel, trotzdem waren die Wände sauber und die Einrichtung, wenn auch schlicht, fast schon reizend. Es fehlte nur noch ein heißes Bad und ich hätte mich fast schon wie zu Hause gefühlt.
„Dahinten habe ich euch bereits ein Eimer Wasser und ein Handtuch hingelegt, damit ihr euch waschen könnt.", erklärte Mikara freundlich, fast so, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
Nachdem sie mir noch ein bisschen mehr von der Hütte zeigte (also die restlichen drei Ecken) und auch noch erklärte, dass sie mich in ein paar Stunden zum Abendessen abholen würde, ließ sie mich auch allein zurück.
Ganz allein. So war ich schon lange nicht mehr gewesen... ich hatte es kaum vermisst, weswegen ich auch sofort anfing nach Beschäftigung zu suchen, um mich von diesen Gedanken abzulenken. Und als erstes fiel mir da ein, dass ich mich wirklich dringend von dem widerlichen Wald- und Schweißgeruch retten musste.
Auch wenn das Waschen mit kaltem Wasser und Handtuch sehr ungewohnt und unangenehm war, war es mehr als bitternötig gewesen. Ich hatte so sehr gestunken, dass ich mir schon fast selbst das Atmen schwer gemacht hatte!
Vor einigen Tagen noch hätte mich allein der Gedanke in einem Bett zu schlafen, dessen Matratze aus Stroh bestand, sofort weniger müde gemacht, doch nach dieser einen Woche Hölle und vielen schlaflosen Nächten, wegen des Schmerzes durch das Schlafen auf dem Boden, wirkte es fast wie eine kuschlige Wolke, auf welcher ich so schnell einschlief, dass ich es nicht mehr mitbekam.
Erst träumte ich nicht. Ich war mit einem Mal komplett weggewesen, in endloser Schwärze, welche ich dank ihrer erholsamen Wirkung mehr als begrüßte. Ich fühlte mich geborgen. Sicher. Der Realität endlich entkommen.
In meinem Hinterkopf wusste ich, dass es aber kein wirkliches Entkommen geben konnte. Dass ich irgendwann aufwachen musste. Dass ich irgendwann wieder meinem Vater gegenüberstehen würde. Doch bevor das passieren sollte, war ich dankbar für die ersten paar Träume, welche sich in meinen Schlaf schlichen.
Cassandra.
Ich sah sie zum ersten Mal seit ihrer letzten Botschaft. Nur war es dieses Mal anders. Sie sah genauso wie zu ihren Lebzeiten aus. Sie hatte nicht mehr dieses... himmlische, vielleicht sogar magische Etwas an sich. Und eine Nachricht, so wie letztes Mal, hatte sie auch nicht für mich.
Es war nur ein Traum. Nur ein kurzer, schöner Traum. Wir waren zusammen im Schlossgarten. Nur wir beide. Wir saßen mit unseren riesigen Kleidern auf dem leuchtend grünen Gras, lachten, redeten. Und als ich grade dachte, dass es nicht noch schöner hätte werden können, setzte sich mit einem Mal eine dritte Person zu uns.
Auch wenn ihre bleiche Haut genau die gleiche wie meine war, ließ ihre sie durch die pfirsichfarbenen Wangen wie ein lebensfroher Mensch und nicht, wie bei mir, wie eine wandelnde Leiche aussehen. Ihr weißes Haar hing in sanften Wellen, bis zu ihrer Taille, offen hinunter, fast als würde Nebel von ihrem Kopf fallen. Und ihr Lächeln. Es war noch immer so strahlend, so liebevoll und so zuversichtlich, wie beim Letzten Mal, als ich es gesehen hatte. Meine Mutter, einst der wichtigste Mensch in meinem Leben, setzte sich zu uns und lachte sofort mit. Wobei der Klang ihre Stimme mich mit einer Art Euphorie erfüllte, welche mir gleichzeitig auch sofort bewusst machte, wie sehr ich sie vermisst hatte.
Seit sie gestorben war hatte ich meine Mutter häufig noch in meinen Träumen gesehen. Doch meistens hatte es mich immer trauriger gestimmt, nicht so ermutigt, wie jetzt. Vielleicht, fing an Teil von mir an zu denken, liegt es auch daran, dass ich früher den Tod meiner Mutter wenig begriffen und kaum akzeptiert hatte.
Ich genoss diesen Traum, dieses Treffen mit den Menschen, welche ich am meisten liebte, aber vielleicht für immer verloren hatte. Es war so schön, dass es unendlich schmerzte, als ich meine Augen wieder öffnete.
Es wurde nur noch schlimmer, als ich begriff, dass man mich sogar geweckt hatte.
Es war Mikara. Mit einem leichten Lächeln im Gesicht hatte sie mich an der Schulter geschüttelt. Ihr Duft stieg sofort in meine Nase auf. Es hatte etwas von Honig. Und feuchtem Holz. Es war angenehm.
Machte die Situation trotzdem nicht besser. Auch nicht, als mir auffiel, dass noch jemand in der Hütte war.
„Es tut mir leid, dass ich euch wecken musste.", sprach Mikara mit gedämpfter Stimme, „Wir haben euch so lange schlafen lassen, wie es ging, aber bald wird nichts mehr vom Abendessen übrig sein, ihr müsst euch doch noch stärken!"
Ich nickte ihr verständnisvoll zu. Ich nahm fast nur jedes zweite Wort auf, welches sie sagte. Wahrscheinlich war ich noch im Halbschlaf oder sowas. Grade, als ich mich streckte, sprach Mikara auch wieder: „Außerdem ist da noch jemand, den ihr treffen solltet."
Ihr Blick ging nach hinten, zu der anderen Person. Das Gesicht konnte ich erst noch nicht richtig erkennen, dafür war ich zu müde. Ich erkannte aber, dass sie aufgeregt wirkte, was mich nur etwas mürrischer machte. Essen, gut, dafür wache ich auf. Aber eine Person, die auch noch länger hätte warten können? Ich weiß ja nicht...
Ohne meinen Kopf zu bewegen, da ich für das Benutzen meiner Muskeln noch zu schlapp war, schaute ich seitlich in das Gesicht der Person. Auch wenn meine Mutter mich so freundlich anlächelte, machte es die Situation nicht-
Moment-
WAS?!
Meine Mutter?!
Entweder die Müdigkeit spielte mir grade den schrecklichsten Streich überhaupt oder sie stand wirklich-
Meine Mutter-
Sie war-
War sie?
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Amolien's Geheimnisse: Kampf um den Thron
FantasyEin grausamer Krieg, Jahrhunderte lang. Lilith ist Prinzessin des Landes Amoliens, doch man verstoßt sie. So muss sie sich auf eine große Reise und Suche mit dem erst fremden Hendrík machen, um ihr Land und ihre Familie retten zu können. Hinter all...