Kapitel 64: Versteckte Waldlichtung

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Nachdem wir ewig lange diese Tunnel entlanggelaufen waren, hatte uns Mikara schließlich auch zu einem Ausgang geführt. Zwar mussten wir dafür einen Gully hochklettern, doch tatsächlich landeten wir dadurch am äußeren Rand der Stadt. Dort sammelten sich nur noch vereinzelte, größere Häuser an. Desto weiter wir von der Stadt wegliefen, umso weniger wurden es auch. Während wir immer weiter in den Wald gingen, waren bald auch nur noch die Silhouetten der vielen Gebäude Arnsdens zu erkennen. Und auch konnte man winzige Schatten erkennen, welche sich am Stadtrand plötzlich sammelten.

„Mikara!", rief ich. Sie drehte sich sofort um und sah zu mir. Fragend hob sie ihre Augenbrauen, worauf ich auf die kleinen Schatten zeigte.

„Sind das-"

„Soldaten, ja.", beendete sie meinen Satz, „Wir sind ihnen dem Anschein nach grade so entkommen. Muss aber nicht so bleiben, also los, wir müssen schnell weiter!"

Wir setzen unseren Weg zügig fort. Ob es mir recht war, schon wieder durch diesen endlosen Wald zu laufen? Nun, nachdem ich eine Woche lang durch diesen hilflos spaziert war und ihn erst heute morgen wieder verlassen durfte, enttäuschte es mich schon ein winziges bisschen, nun schon wieder hier zu sein. Auch weil ich nicht wusste, wo genau es nun hinging. Mikara hatte nicht viel über unser Ziel verraten. Wir wussten nur, dass es angeblich sicher war und dass auch andere Verbündete dort noch auf uns warten würden. Was mir einerseits Hoffnung gab, aber mich auch verwirrte.

Wenn wir wirklich so viele Menschen auf unserer Seite hatten, wo kamen sie dann so plötzlich her? Und warum haben sie nicht schon früher etwas gegen meinen Vater unternommen? Warum mussten sie das Schicksal unseres kompletten Landes nur auf meinen Schultern sitzen lassen? Vom Blute her war ich Prinzessin, ja, aber sonst war an mir nichts besonders. Ich war ein Mensch, wie sie auch. Nicht mal eine Blitz oder Akrabitz war ich. Was wenn sich unser Land eine Retterin in mir erhoffte, von der ich wusste, dass ich sie nicht sein konnte?

In meinen Gedanken versunken merkte ich nicht, wie wir immer weiter in einen sehr dichten Teil des Waldes liefen. Jegliche Pfade hatten wir schon lange verlassen und nun führte Mikara uns zwischen dicke Wurzeln und Äste, unter und über welche Hendrík und ich verzweifelt versuchten durchzuklettern. Mikara schaffte es aber mit Leichtigkeit hindurch, was mich vermuten ließ, dass wir entweder auf ein oft besuchtes Versteck, wenn nicht sogar ihr zu Hause zu liefen.

„Ich glaub da war grad ein Wolf!", rief Hendrík erschrocken aus dem Nichts. Wir drehten uns in die Richtung, auf welche er mit ängstlichem Gesicht zeigte, aber abgesehen von einem abgerissenen Ast war dort eigentlich nichts zu sehen.

Ich verdrehte die Augen und rief: „Hendrík, in solchen Momenten frage ich mich immer, wie weit ich schon gekommen sein könnte, hätte mich eine kompetente Person aus dem Kerker gerettet."

Er sah mich beleidigt an.

„Da war wirklich etwas!", versuchte er sich zu verteidigen.

Mikara kicherte wieder.

„Damit habt ihr sogar recht!", erklärte sie belustigt.

Fragend sah ich zu ihr.

„Das waren wahrscheinlich die Kinder. Sie spielen hier gerne verstecken, den lieben langen Tag. Und jetzt weiter, wir sind schon fast da!"

Mikara führte sofort ihr zügiges Tempo fort, ich allerdings wartete noch kurz, bis Hendrík näher bei mir stand und flüsterte ihm zu: „Selbst ich habe noch nie Kinder mit Wölfen verwechselt."

Er schaute mich nicht einmal an.

„Haha, sehr lustig. Jetzt geh schon!", nuschelte er monoton.

Die letzten Meter liefen wir still weiter. Tatsächlich konnte man ab und zu hinter den Bäumen ein Rascheln hören, so als würde sich dort jemand verstecken. Schließlich kamen wir an einer großen Waldlichtung an, eine kleine, hüglige Landschaft, welche von den nun wirklich sehr dicken und dichten Bäumen eingezäunt war. Von dem, was meine Augen erkennen konnten, schien die kleine Lücke zwischen zwei Bäumen, durch welche wir uns grade zwängten, die einzige zu sein, durch welche man hindurch klettern und auf diese Lichtung gelangen konnte. Nur ein einziger Eingang, fast so, als wäre dieses Versteck nicht von der Natur, sondern einem denkenden Wesen erschaffen worden, welches dringend ein wirklich gutes Versteck gebraucht hatte.

Als wir die Lichtung betraten, wurde ich sofort von dem Licht der Sonne geblendet. Ich konnte erst nicht viel erkennen, nur ein paar Personen, welche laut auf uns zu kamen.

Unter dem Stimmengewirr hörte man so einiges: „Mikara!" „Du bist wieder da!" „Ist sie das?" „Die Prinzessin!"

Na super. Gar nicht unangenehm.

Mikara lief freudig auf eine Gruppe von Menschen zu, welche alle in ihrem Alter zu sein schienen. Währenddessen sammelten sich vor mir und Hendrík Menschen aus allen Altersklassen: Kinder, Senioren, Erwachsene...

Sie wirkten alle wie normale Menschen. Einfache Bauern, welche zurückgezogen im Wald lebten. Desto klarer meine Sicht wurde, umso besser konnte ich auch die verschiedenen Häuser auf der Lichtung erkennen. Sie waren zwar nicht so beeindruckend wie die Häuser in Arnsden, aber definitiv robuster gebaut als die Holzhütten in Akrabitzes Dorf. Immerhin hatten die Hütten hier richtige Dachziegel und manche sogar Schornsteine.

Ein älterer Mann trat aus der Gruppe Menschen hervor und verbeugte sich mit großer und langer Bewegung vor mir.

„Eure königliche Hoheit! Es ist uns eine Ehre, euch hier willkommen zu heißen!", rief er dabei mit krächzender Stimme.

Die Situation brachte mich schnell in Verlegenheit und ich machte mir schon Sorgen darum, dass der arme Mann unter seinen schwachen Knien bald umfallen würde. Tatsächlich schaffte er es aber ohne Hilfe wieder hoch und trat mit erfreutem Lächeln wieder nach hinten.

Immer mehr Menschen murmelten ein „Eure Hoheit" und „Willkommen". Wobei ich bald auch den Überblick verlor und hilfesuchend zu Hendrík rüber schaute. Er hatte sich etwas weiter weggestellt und beobachtete, wie die Menschen mich alle freudig begrüßten.

In ihren Gesichtern stand größte Fröhlichkeit, vielleicht sogar Hoffnung und definitiv ein großer Teil Erleichterung, fast so, als hätten sie alle schon lange auf mich gewartet.

Plötzlich trat Mikara wieder neben mich und hielt meine Schulter. Mein Herz schlug immer schneller.

„Am besten geht ihr euch erstmal ausruhen.", flüsterte sie.

Ich nickte ihr dankbar zu.

Amolien's Geheimnisse: Kampf um den ThronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt