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Kate

Wie es mir geht?
Angst durchfährt meinen Körper, sobald ich einer Person gegenüber stehe. Ich schäme mich dafür, dass ich hier so fragil im Krankenhaus liege und ich bin wütend auf mich selber, dass ich es nicht geschafft habe mich zu wehren- oder wenigstens seine Schläge auszuhalten.
Meine Gefühlswelt ist besiedelt von allen Emotionen außer Fröhlichkeit.
Laut aussprechen werde ich das jedoch nicht.

Also antwortete ich mit einem Schulterzucken, woraufhin die Ärztin seufzte. Das Geräusch war nicht besonders laut, doch es kam plötzlich und ließ mich zusammen zucken. War sie sauer? Enttäuscht? Schnell wandte ich meinen Blick von ihr ab und schaute auf meine Hände mit denen ich nervös auf der Bettdecke spielte. In diesem Moment wollte ich einfach nur im Erdboden versinken, nicht nur vor Scham. Ich wollte nichts mehr spüren. Ich wollte einfach nur aus diesem Alptraum aufwachen. Doch das war nicht möglich und dem war ich mir bewusst. 

"Willst du mir erzählen, wie das passiert ist?", fragte sie vorsichtig und deutete mit ihrem Blick auf meinen beschädigten Körper. Meine Augen wurden weit vor Angst und ich machte mich noch kleiner. Auf keinen Fall werde ich das erzählen und nochmal durchmachen. Nie wieder. Selbst der Gedanke daran löste Übelkeit in mir aus. Unterbewusst begann mein Körper zu zittern und ich rutschte in die Erinnerungen ab.

Bis zwei weiche Hände meine umgriffen war ich gefangen in der Hölle meiner Gedankenwelt. Erschrocken richtete ich meinen Blick auf die Hände und verfolgte sie bis zu ihrem Ursprung. Die freundlichen Augen der Ärztin musterten mich. "Alles gut, Kleine. Du musst es mir nicht erzählen, wenn du noch nicht bereit dafür bist.", sagte sie beruhigend während ihre Daumen über meinen Handrücken fuhren.

Das Grummeln meines Magens durchbrach die nachdenkliche Stille. Ich hoffte sehr, dass die Ärztin die Geräusche ignorieren würde, doch natürlich tat sie das nicht. "Hast du Hunger? Ich kann dir etwas zu essen besorgen? Ich bin gleich wieder da.", sagte sie mehr als sie fragte und machte sich auch schon auf den Weg nach draußen. Meine Antwort lautete natürlich 'nein', aber ich glaube das hätte sie nicht davon abgehalten mir etwas zu essen zu holen.

Nun saß ich alleine in dem beleuchteten Zimmer und meine Gedanken begannen wieder ihre Kreise zu ziehen. Was ist mit meiner Mutter passiert? Werde ich zu ihr gehen können, nachdem ich hier raus bin? Ich weiß ich hätte Angst davor haben müssen, aber innerlich glaubte ich immer noch daran, dass sie mich liebte. Es waren nur die Drogen und der Alkohol, die ihr Wesen veränderten. Niemals würde sie mich nüchtern verletzen. Oder?

Die Tür des Zimmers schlug zu und riss mich aus meinen Gedanken. "Hey, nicht erschrecken. Ich bin's nur.", kündigte die Ärztin an und kam wieder zurück neben mein Bett. "Da die Küche schon geschlossen hat, konnte ich dir leider nur etwas kleines mitbringen.", sagte sie bedrückt, doch für mich waren das die besten Neuigkeiten des heutigen Tages. Sie drückte mir drei Packungen Fruchtmouse in die Hand und zwei Packungen Pudding, einmal in der Geschmacksrichtung Schokolade und einmal Vanille.

Das war ihre Definition von Kleinigkeit? Keine Panik, ich muss strategisch vorgehen. Erst der Pudding, welcher hat weniger Kalorien? Vanille. Mit zitternden Händen griff ich also nach dem Vanillepudding und dem dazugehörigen Löffel. "Du kannst ruhig beide essen. Die habe ich nur für dich mitgebracht.", lächelte die Ärztin und schob mir den anderen Pudding vor die Nase, doch ich lehnte mit vehementen Kopfschütteln ab. "Magst du denn keine Schokolade?", fragte sie verwundert und ein skeptisches Stirnrunzeln durchzog ihr Gesicht. Perfekt, sie hatte mir meine Ausrede gerade vorgegeben. Ich nickte.

"Und wie sieht's aus mit denen hier?", fragte sie und zeigte auf den Fruchtmouse. "Du musst doch bestimmt Hunger haben.", fuhr sie fort.

Ich starb vor Hunger.

Die Auswahl war: Banane, Kirsche und Erdbeere. Mir war klar, dass ich auf keinen Fall alle drei essen würde. Banane war schon von Anfang an raus, ich mochte den Geschmack nicht und die ganzen Kalorien wollte ich meinem Körper erst Recht nicht antun. Ich entschied mich für den Erdbeer-Fruchtmouse und zog ihn mit meiner Hand zu mir. Die Ärztin zeigte Besorgnis, doch überspielte diese gekonnt mit einem Lächeln. War meine Technik so auffällig? "Okay, dann nehme ich den Rest wieder mit. Lass es dir schmecken und schlaf dann ein wenig. Gute Nacht.", sagte sie während des Aufstehens und verließ das Zimmer.

Die Last vor ihr essen zu müssen verließ meine Schultern und ich entspannte mich allmählich wieder. Mein Bauch begann wieder zu grummeln. Ich könnte das Essen einfach wegschmeißen. Die Erwartungen meiner Mutter füllen. Meine Erwartungen füllen. Die Geräusche meines Magens wurden immer lauter. Mit nervösem Schwitzen schraubte ich den Deckel der kleinen Verpackung auf. Ich starrte einige Minuten die Flüssigkeit an die durch mein Drücken leicht aus der Öffnung trat.

Ich konnte es nicht. Verzweifelt drehte ich das Ganze wieder zu und warf die Verpackung in den nahestehenden Plastikmülleimer. Irgendwie war das leere Gefühl in meinem Magen auch angenehm.
Eine Weile lang starrte ich an die Wand vor mir und versuchte meine Müdigkeit zu unterdrücken. Vergebens. Gegen vier Uhr schlossen sich meine Augen wie von alleine und ich hing in der Gewalt meiner Träume fest. 

Bereits zwei Stunden später schlug ich schweißgebadet meine Augen wieder auf. Es war mittlerweile 6.18 Uhr und die Sonne stieg hinter den Hausdächern auf. Ein orangefarbener Schleier zog sich entlang des Horizonts und die Vögel zwitscherten unerträglich laut. Einschlafen konnte ich nicht mehr.

Nach weiteren zwei Stunden in denen ich den Straßengeräuschen lauschte und die aufbrechenden Menschen beobachtete, öffnete sich die Tür zu meinem Zimmer. Panik stieg wieder in mir auf. Eine etwas ältere Frau mit einer Brille trat in den Raum. Hinter sich zog sie einen Wagen mit Essen. Ich weiß nicht was mir mehr Angst machte, die Unbekannte oder das Essen. "Oh, guten Morgen. Du bist ja schon wach. Ich wollte dich gerade wecken.", sagte die Frau überrascht. Sie war wahrscheinlich selber in Gedanken versunken gewesen.

"Ich glaube wir haben uns noch gar nicht kennengelernt. Ich bin die Birgit.", sagte sie lächelnd.
"Hast du gut geschlafen?", fragte sie um der erdrückenden Stille entgegen zu wirken die nach einer Weile entstand. Sie war gerade dabei einige Einstellungen an meiner Infusion vorzunehmen. Zufrieden mit ihrer Arbeit wandte sie sich nun mir zu. "Hier einmal dein Frühstück.", sagte die Krankenschwester und übergab mir ein Tablet mit Brot und Aufstrich. "Ich mach mich dann mal wieder auf den Weg. Guten Appetit." So verabschiedete sie sich. Mit ihr geredet hatte ich nicht. Die Angst mich falsch zu verhalten stand mir im Weg. 

Als ich das Essen betrachtete wurde mir schlecht. Ob es an den Medikamenten lag oder einen anderen Ursprung hatte, wusste ich nicht. Ich schob das Tablet von mir weg und kuschelte mich tiefer in die dicke Decke ein. Sie war mein einziger Schutz vor der Außenwelt und der herbstlichen Kälte die versuchte durch das Fenster zu dringen.

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Endlichhh ein neues Kapitel. Ich hoffe es gefällt euch und wenn ihr bestimmte Wünsche oder Szenarien habt die in der Geschichte vorkommen sollen, dann sagt gerne Bescheid :))

Tschauiiii

My Painkiller - teacher attachment Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt