1 Die kalte Dusche

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Dienstag, 16. Januar 1973 also. Noch eineinhalb Wochen. Ein halbes Jahr lang hatte sich Melinda auf diesen Tag vorbereitet, seit sie in Athen von Toms Gruppe als DDR-Agentin enttarnt und an die Briten übergeben wurde. Man hatte ihr mitgeteilt, sie würde am 16. Januar zu einem norddeutschen Militärflugplatz geflogen, in eine britische Garnison gebracht und am nächsten Tag dem deutschen Militärgeheimdienst übergeben, der sie am Grenzübergang Lauenburg gegen zwei britische Staatsbürger austauschen würde.

Sie würde entkommen. Ihr Plan war kompliziert, aber machbar. Vor ihrem Start in ein neues Leben hatte sie allerdings noch etwas zu tun: Tom, der junge Deutsche, der ihre Zukunftsplanung durchkreuzt und sie zutiefst gedemütigt hatte, sollte ihre Rache spüren – und, was wichtiger war, ihr helfen, unbeschadet die US-Botschaft zu erreichen.

***

„Ich will sofort wieder nach Libyen," maulte Major Klaus Klein, als er mit Tom, Phil und Hamit seine ausgekühlte Neubauwohnung in Bonn-Tannenbusch betrat. „Das ist ja Sibirien hier."

Auch seine Begleiter hätten 30 Grad und Sonnenschein dem Nieselregen und einstelligen Temperaturen vorgezogen. Das Bonner Schmuddelwetter war einfach deprimierend, besonders nach ihrem unerwartet langen Weihnachtsurlaub, in dem sie nach Libyen, Mali und schließlich Griechenland gereist waren.

In Libyen hatten sie dem Fertighausproduzenten Stöver geholfen, mit einem halbstaatlichen Bauunternehmen und der deutschen Erdölfirma Sommerston ein Joint Venture einzugehen. Sie hatten Oberst Gaddafi zu Friedensverhandlungen nach Mali begleitet und gleichzeitig Hilfsgüter in den dürregeplagten Sahel gebracht, während eines Sandsturms den ANC-Vorsitzenden Oliver Tambo und ANC-Kämpfer in Tripolis getroffen und schließlich in Agios Andreas Silvester gefeiert - alles besser als Nebel in Bonn.

Toms Laune war schon seit dem letzten Tag in Griechenland auf dem Nullpunkt. Seine Idee, mit der Familie seiner Verlobten Sophia reinen Tisch zu machen, hatte sich als Illusion erwiesen. Sophias Vater lehnte es rundweg ab, der Auflösung der Verlobung zuzustimmen, und ihrem neuen Freund Maher hatte er den Handschlag verweigert. Erst als seine Frau drohte, mit Georgios, Sophias Bruder, auszuziehen, erlaubte er seiner Tochter, in Zukunft wieder die Wohnung in Piräus zu betreten, allerdings ohne Maher.

Du hast es versucht, Tom," sagte der Nubier, als sie nach dem Desaster vor dem Haus in Piräus standen. „Ich bin wohl zu schwarz."

„Und jetzt?" fragte Tom.

„Jetzt bleibt alles so, wie es ist," entschied Sophia. „Du fährst nach Deutschland, ich nach Agios Andreas. Wir sind verlobt, aber ich bin mit Maher zusammen und Du mit Nikos. Irgendwann wird meine Mutter meinen Vater schon weichklopfen."

Mit dieser Lösung war keiner so richtig glücklich: Nikos, weil er fürchtete, eines Tages könnte sich Sophia doch wieder Tom zuwenden; Maher, weil ihn die fortgesetzte Ablehnung seines potenziellen Schwiegervaters sehr verletzte; und Tom, weil er seine Rolle als Mahers Schattenmann endlich loswerden wollte. Der Abschied von seinen Freunden am Athener Flughafen glich einer Trauerveranstaltung.

Phil versuchte, die Stimmung in der ausgekühlten Wohnung aufzuhellen, indem er alle Heizkörper auf Maximum stellte und von der Silvesterfeier mit den jungen ANC-Leuten in Tripolis erzählte. Amira hatte spontan ihre Freundinnen eingeladen, sodass sich eine ausgelassenen Tanzparty entwickelte, die sich

in den frühen Morgenstunden in die Schlafzimmer verlagerte.

Klaus hörte seinen Anrufbeantworter ab und rief seine Eltern zurück, die ihm Neujahrsgrüße hinterlassen hatten. Die zweite Nachricht trug nicht unbedingt zu einer besseren Stimmung bei, denn Fred, der Chef des MAD, bestellte sie für den nächsten Morgen eine Stunde früher auf die Hardthöhe, um vor ihrem Besprechungstermin mit den Politikern einige Dinge intern zu klären.

Die richtigen Leute Band 10: Land der Oliven und ZitronenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt