Der MAD-Chef musste überlegen, und dazu fehlte ihm etwas Entscheidendes:
„Ich brauche Zucker. Klaus, hol bitte mal Streuselkuchen."
Nach einer kurzen Denkpause entschied er, noch mal in Toms Kaserne in Handorf bei Münster anzurufen, um die Sicherheitsvorkehrungen zu verschärfen und Melindas Personenbeschreibung durchzugeben. Das hatte er bei seinem ersten Anruf noch nicht getan, weil er weder glaubte, dass sie Tom schon ausfindig gemacht haben konnte, noch davon überzeugt war, dass sie tatsächlich seinetwegen geflüchtet war. Letzteres sah er inzwischen anders.
Er rief als Erstes den Kompaniechef von Toms Ausbildungskompanie an:
„Tut mir leid, ich muss Sie noch einmal wegen diesem Gefreiten Tom stören."
„Was hat er denn nun angestellt?"
„Nichts. Aber der MAD hat Grund zu der Annahme, dass der Gefreite Ziel eines Anschlags werden könnte. Weisen Sie Ihren UvD an, überhaupt keine zivilen Besucher ins Gebäude zu lassen, auch nicht in Begleitung. Wir haben jetzt auch eine Personenbeschreibung. Die Verdächtige ist Mitte 20, lange schwarze Haare, sehr attraktiv. Wenn sie auftaucht, Meldung an mich. Die Frau ist gefährlich und möglicherweise bewaffnet."
„Eine Frau?" fragte der Hauptmann erstaunt. „Ich dachte jetzt mehr an so einen Mann mit Schlapphut."
„So ändern sich die Zeiten," versetzte der MAD-Chef.
„Wie groß ist die Gefahr?"
„Groß. Sorgen Sie dafür, dass nur absolut zuverlässige Soldaten als UvD eingeteilt werden. Und stellen Sie sicher, dass auch die Ablösung jeweils informiert wird. Wissen Sie, ob der Kasernenkommandant am Standort ist?"
„Ja, ich habe am Morgen mit Oberstleutnant Völkel gesprochen. Ich gebe Ihnen die Durchwahl," bot der Hauptmann an.
„Danke, die habe ich. Hauptmann, Sie melden sich, wenn irgendetwas Ungewöhnliches vorfällt, ja?"
„Jawohl, Herr General."
***
Oberstleutnant Völkel kannte den MAD-Chef persönlich, und ihm war bei seinem Anruf am Morgen gleich bewusst gewesen, dass es sich um eine ernste Angelegenheit handeln musste. Er notierte sich, was der General ihm sagte und ließ seinen Fahrer kommen. Wenn er dienstlich unterwegs war, ließ er sich grundsätzlich fahren, und sei es nur 600 m bis zur Wache. Er ließ die Tore schließen und über Funk die Streifen herbeirufen. Nach einer Viertelstunde war die Wachmannschaft vollzählig. Ohne Rücksicht darauf, dass sich vor dem Tor im Handumdrehen eine Warteschlange bildete, ließ er alle Wachsoldaten einschließlich dem Offizier vom Wachdienst (OvWa) antreten und machte eine Befehlsausgabe:
„OvWa, Sie schreiben eine Meldung über das, was ich jetzt sage, ins Wachbuch. Bei der Übergabe muss Ihre Ablösung diese Meldung abzeichnen und an alle Wachsoldaten weitergeben. Folgendes: ab sofort werden keine Zivilisten ohne Begleitung auf das Gelände gelassen. Besucher müssen von dem Soldaten, den sie hier besuchen wollen, abgeholt werden. Führen Sie Leibesvisitationen durch, auch bei Frauen. Wer sich der Durchsuchung verweigert, wird nicht eingelassen. Vergessen Sie nicht Tüten, Taschen und so weiter - das wird alles durchsucht.
Streifensoldaten müssen jeden Zivilisten, der allein in der Kaserne unterwegs ist, überprüfen - Besucherschein und Ausweis. Bei jeder Unklarheit ist die Person in der Wache festzusetzen, und ich werde informiert. Die Streifen werden angewiesen, darauf zu achten, ob sich eine etwa 25-jährige, gutaussehende Frau mit langen schwarzen Haaren in der Nähe des Zauns aufhält. Lassen Sie sich nicht anmerken, dass Sie sie im Verdacht haben. Die Frau ist möglicherweise bewaffnet. Die Streife meldet per Funk an die Torwache, Torwache Meldung an mich. Fragen?"
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Die richtigen Leute Band 10: Land der Oliven und Zitronen
Historical Fiction„Land der Oliven und Zitronen" ist der 10. Band meiner Buchreihe „Die richtigen Leute". Im Winter 1973 wird Tom von Melinda, einer Ex-Agentin des DDR-Staatsicherheitsdienstes, entführt. Während Toms Freunde, angeführt von Nikos, versuchen, ihn zu re...