16 Der Gefreite Tom stinkt

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Nachdem sie eine weitere halbe Stunde durch das Schneetreiben gefahren, oder besser geschlichen waren, stellte Melinda fest:

„Wir sind spät dran. Vor halb sieben sind wir nicht in Bonn. Wo wohnt denn Dein Freund?"

„Kommen wir fast dran vorbei, in Beuel," antwortete Tom.

„Ist der wirklich libyscher Agent?"

„Ja. Wieso?"

Melinda machte sich Sorgen, was passieren würde, wenn sie allein Tom und einem libyschen Geheimagenten gegenüberstehen würde:

„Wird er Dummheiten machen, wenn er die Pistole sieht? Ich muss ja mit zu ihm gehen, sonst haust Du mir noch ab."

„Vielleicht solltest Du sie ihm nicht schon an der Tür vorzeigen. Lass mich lieber erst erklären, was los ist."

***

Gerald Fischer und seine beiden Begleiter froren ebenso wie Jörg und sein Trupp. Der Leutnant hatte sie gebeten, den Motor auszulassen, damit sie nicht auffielen. Allerdings brauchten sie Sicht, und weil es weiterschneite, mussten sie hin und wieder die Scheibenwischer betätigen.

***

Kurz vor dem Ortseingang von Siegburg, den Tom und Melinda gegen sechs Uhr erreichten, fiel Tom ein blauer VW mit BE-Kennzeichen auf, dessen Scheiben nicht eingeschneit waren. Er meinte, zwei Gestalten säßen in dem Wagen. Die Gegend um seine Stammkompanie hatte dieses Nummernschild. War das ein Zufall? Morgens um sechs? Er schielte zu Melinda, aber er konnte nicht ergründen, ob sie den VW auch wahrgenommen hatte.

***

Um zehn nach sechs klingelte das Telefon in Klaus' Büro auf der Hardthöhe, und Leutnant Fischer meldete den orangen BMW mit zwei Insassen. Der MAD-Chef atmete hörbar durch und informierte General Lehmann, dessen Männer sich daraufhin immer mit einigen Minuten Abstand im Schlenderschritt unauffällig in Bewegung setzten.

***

Nikos schaute aus dem Fenster. Die vereinzelten Lichter, die er da unten sah, war das noch Jugoslawien? Warum flog selbst eine 747 so langsam?

***

In St. Augustin schaufelten die ersten Ladenbesitzer den Bürgersteig vor ihren Geschäften frei. Tom fuhr seit einiger Zeit mit halb geöffnetem Fenster, um sich wachzuhalten. So bekam er einen Schwall leckersten Brötchendufts aus einer Bäckerei mit, der seinen Magen auf der Stelle knurren ließ.

„Ist ja bald vorbei," tröstete ihn Melinda.

„Wird auch Zeit. Ich hab die Schnauze voll."

„Ich kann Dich ja erschießen, dann hast Du's hinter Dir."

„Mit sowas scherzt man nicht." rügte er sie. „Na ja, außer man hat zwei DDR-Spione erwischt und will ihnen ein bisschen Angst machen. Wobei unsereiner das Messer vorzieht. Da kann man besser kontrollieren, wie lange das Sterben dauert."

„Das ist jetzt aber genauso makaber," fand Melinda.

„Aber sehr effektiv, kann ich nur sagen," grinste Tom, der sich plötzlich viel besser fühlte, als es seine Situation eigentlich zuließ.

„Hast Du so gemacht, ja?" fragte sie

„War 'ne klasse Show."

Noch während dieses Geplänkels registrierte Tom den zweiten Wagen mit einem Kennzeichen aus dem Umkreis seiner Kaserne, dieses Mal einen Opel Kadett aus Hamm, und auch in ihm saßen Männer. Wenn Melinda Verdacht geschöpft hatte, ließ sie sich das jedenfalls nicht anmerken, aber Tom war ganz sicher, dass das kein Zufall mehr war. Zehn Minuten später hielt er vor Maliks Laden. Sie stiegen aus, wobei Melinda wieder eine Hand in der Manteltasche hatte. Tom klingelte an der Haustür, und erst beim zweiten Mal wurde der Öffner betätigt.

Die richtigen Leute Band 10: Land der Oliven und ZitronenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt