Tom war schweißgebadet. Eine Stunde lang 120 Mann bei Laune zu halten, kostete Kraft. Im Hinausgehen sagte der Kompaniechef zu ihm:
„Kommen Sie nach dem Stubendurchgang noch mal eben in mein Dienstzimmer."
Tom brachte seine Spickzettel und die Palästinakarte in seine Stube - er hatte versprochen, bis Montag auf sie aufzupassen.
„Das war gut," sagte Dieter, „wenn ich dran denke, wie langweilig der SU immer beim Hauptmann war. Ich meine nicht den in Handorf, ich meine unseren hier."
„Aber verdammt anstrengend," stöhnte Tom. „Komm, wir machen schnell Stubendurchgang, dass die Jungs nach Hause kommen."
Um halb vier meldete sich Tom bei dem Kompaniechef, der sagte:
„Also vorab: das haben Sie gut gemacht. Der Spieß meinte, Sie überleben das keine zehn Minuten."
„Ist schon ein bisschen gemein, mich so ins kalte Wasser zu schmeißen," beschwerte sich Tom.
„So lernt man schwimmen, Gefreiter. Hätten Sie Lust, mich hin und wieder freitags zu vertreten?"
„Wenn ich mir die Themen aussuchen darf."
„Das ist jetzt wiederum auch gemein," grinste der Hauptmann. „Dann picken Sie sich die Rosinen raus, und ich muss die langweiligen Standardthemen machen. Aber gut. Was wäre denn Ihr nächstes Thema?"
„Ich könnte mir eine Stunde zum Thema Militärdiktatur am Beispiel Griechenland vorstellen."
„Machen Sie das mal. Ich habe ein ganz anderes Problem mit Ihnen."
Tom schwante nichts Gutes. Während seiner Entführung war im Zimmer seines Chefs die Kommandozantrale gewesen. Kam jetzt eine Befragung zu seinem Verhältnis zur DDR und ihren Spionen?
Den Hauptmann plagten andere Bauchschmerzen:
„Sehen Sie, wir haben Mitte Mai die erste längere Übung, eine Woche Bergen-Hohne. Wir fahren die Panzer zum Bahnhof, verladen in Hamm auf den Zug, fahren da rauf, entladen, machen Gefechtsübungen und schießen, dann verladen wir wieder und fahren vom Hammer Bahnhof über Landstraße hierhin zurück. Das heißt, ich habe 6 Wochen Zeit, um die Kompanie dahin zu kriegen, dass das Ganze verletzungsfrei über die Bühne geht, und das meine ich wörtlich. Das Gerät ist neu, und es ist Ihre Aufgabe, die Soldaten richtig vorzubereiten."
Tom verstand sein Problem nicht:
„Das schaffen wir schon, Herr Hauptmann."
„Das müssen wir auch. Aber wie soll Ihre Gruppe das in der Hälfte der Zeit schaffen? Ich habe hier Ihre Abordnungsverfügung zum MAD, und zwar vom 18. April bis zum 9. Mai, und ich muss sagen, darüber bin ich sauer. Ich weiß, dass ich nichts dagegen machen kann. Sie ist nämlich von General Radermacher gegengezeichnet. Aber wer bildet Ihre Gruppe aus, wenn Sie die ganze Zeit fehlen?"
„Na ja, Heinzi kennt den Marder in- und auswendig," versuchte Tom, seinen Chef zu beruhigen. „Und vielleicht kann sich Leutnant Fischer verstärkt um meine Gruppe kümmern, wenn ich weg bin."
Der Vorschlag kam gar nicht gut an:
„Fischer? Fischer ist MTW-Mann, der hat überhaupt keine Ahnung vom Marder. Keiner der Zugführer hat das. Das ist ja mein Problem. Und die ehemaligen Gruppenführer, wie Ihr Egon, sind alle in die neue Ausbildungskompanie versetzt worden. Ich werde Sie und die anderen Gruppenführer am Montag noch mal extra einweisen. Sie müssen die Dienstpläne mitmachen, und Sie haben immer die Leitung, wenn es um den Marder geht. Die Zugführer müssen von Ihnen lernen, nicht umgekehrt."
Allmählich erkannte Tom das Problem. Klaus hatte ihm vor zwei Wochen mitgeteilt, dass die lange geplante Konferenz in Tripolis am 21. und 22. April, also zu Ostern stattfinden sollte. Vorher wollte der MAD-Chef alle Teilnehmer für zwei Tage zur Vorbereitung in Bonn haben, und das betraf aus ihrer Gruppe Nikos, Martin, Hamit und Phil. Kurz nach der Konferenz wollten sie sich in Athen treffen und von da aus zusammen nach Zypern reisen, wo sie zwei Wochen bleiben sollten, um einen Auftrag des BND und des MI6 durchzuführen. Tom hätte natürlich mit den Schultern zucken und sich hinter Freds Befehl verstecken können, aber er war eben auch Panzerkommandant in der Zwoten.
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Die richtigen Leute Band 10: Land der Oliven und Zitronen
Historical Fiction„Land der Oliven und Zitronen" ist der 10. Band meiner Buchreihe „Die richtigen Leute". Im Winter 1973 wird Tom von Melinda, einer Ex-Agentin des DDR-Staatsicherheitsdienstes, entführt. Während Toms Freunde, angeführt von Nikos, versuchen, ihn zu re...