33 Den schnappen wir uns

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Es dämmerte, als Phil und Klaus ihren Hillman auf einem Parkplatz am Hafen von Limassol abstellten. Nach zehn Minuten fanden sie die Werkstatt und Autovermietung, wo sie laut Silas einen anderen Wagen bekommen sollten, in einem Gewerbegebiet. Keiner von ihnen hatte jemals einen Renault R 4 gefahren, und so ließen sie sich die eigenartige „Krückstockschaltung" von dem Werkstattinhaber erklären. Phil monierte das Fehlen eines Reservetanks, und auch den bekamen sie.

„Ist jemand hier, wenn wir den Wagen zurückbringen?" fragte Phil, bevor sie losfuhren.

„Nein. Werft den Schlüssel in den Kasten da."

Sie fuhren in die Stadt, parkten am Kastell und waren nach wenigen Minuten in einer Altstadtgasse, in der sich auf beiden Seiten eine Taverne an die andere reihte. Sie gönnten sich ein ausgedehntes Abendessen, nach dem sie aber immer noch zwei Stunden totschlagen mussten. Also gingen sie zur Promenade und spielten in einem Café ein paar Runden Tavli. Dann machten sie sich auf den Weg, wählten aber eine andere als die von Silas vorgeschlagene Route.

Als sie schon fast eine Stunde unterwegs waren und erst gut 15 der 30 km nach Agios Nikolaos geschafft hatten, fluchte Klaus, dass sie kurzfristig entschieden hatten, statt auf der Hauptstraße über kleine Straßen von Dorf zu Dorf zu fahren:

„Mann, wenn Du hier 50 fährst, holst Du Dir einen Achsbruch. Auf dem Rückweg nehmen wir die andere Straße."

Das Fahrgefühl war gewöhnungsbdürftig: Der R 4 legte sich gefährlich in die Kurven, und Kurven gab es reichlich, denn die Streckenführung folgte den Konturen des Gebirges. Um zwei Uhr hielten sie auf dem Grundstück des türkischen Ehepaars.

***

Tom und Nikos lagen zur gleichen Zeit wieder auf der Lauer, und tatsächlich legte gegen zwei Uhr ein größeres Kaiki an, das definitiv nicht aus Kyrenia stammte. Sechs Männer luden acht schwere Kisten in den Bedford und stiegen dann auch ein. Das Schiff, dessen Positionslampen die ganze Zeit anblieben, legte gleich wieder ab. Und dieses Mal fuhr der Transporter zum Steinbruch! Eine Stunde später kam er wieder zurück. Als Nikos schon auf dem Heimweg war, um halb sechs, fuhren wieder zwei Jeeps von Kyrenia aus den Berg hinauf.

„Das können aber immer noch ganz normale Schmuggler sein," meinte Tom. „Vielleicht kriege ich heute mehr raus. In dem Stollen sind etliche Leute, die müssen ja mal an die Luft."

***

Phil klopfte an die Tür des Häuschens inmitten von Weinreben. Eine Frau mit verweinten Augen bat ihn und Klaus herein. Ihr Mann saß am Küchentisch und stützte den Kopf auf seine Hände.

Die Frau hielt Phil einen Zettel hin:

„Die sprechen nur ganz wenig Griechisch und gar kein Englisch. Sie wissen Bescheid und machen mit. Costas."

Mit Händen und Füßen fragte Phil nach Blut, und der Mann schob ihm mit dem Fuß einen Eimer hin, den er seit der Schlachtung der Tiere immer wieder umgerührt hatte.

Der Bauer ließ es geschehen, dass Phil den Tisch verrückte und zwei Stühle umwarf, und legte sich auf Phils Anweisung hin gekrümmt auf den Boden. Klaus bespritzte seine Jacke mit Blut und kippte eine Lache vor ihm aus. Dann schminkte er ihm eine Wunde auf die rechte Wange und zerstrubbelte seine Haare. Schließlich drappierte er das Heft seines Springmessers so, dass es aussah, als stecke es mit der kompletten Scheide in der Brust des Mannes. Dann fotografierten sich Phil und Klaus gegenseitig grinsend neben der „Leiche", die das alles mit stoischer Ruhe über sich ergehen ließ.

Anschließend gingen sie mit der Frau ins Schlafzimmer und veranstalteten dieselbe Prozedur, nur dass die „Leiche" in diesem Fall vor dem Fotografieren noch einmal aufstand und sich vor dem Spiegel die Haare richtete, bevor sie ihr Kopftuch wieder umband und sich angewidert auf das Bett legte, das sich inzwischen mit Blut vollgesaugt hatte. Ohne zu murren griffen sich der Bauer und seine Frau je zwei Taschen, die plus den vier Kartons, die Costas schon mitgenommen hatte, alles waren, was sie aus ihrem alten in ihr neues Leben mitnehmen durften. Hätten sie mehr gepackt, wäre die Inszenierung nicht mehr glaubwürdig gewesen.

Die richtigen Leute Band 10: Land der Oliven und ZitronenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt