18 Da soll einer durchsteigen

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Tom ging mit Jörg in Klaus' Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie setzten sich auf das Bett, und Tom sagte:

„Ich wollte Dich was fragen, Jörg. Und eins vorweg: alles, was in diesem Zimmer gesprochen wird, bleibt unter uns, okay?"

„Okay. Was willst Du wissen?"

„Wie stehst Du eigentlich jetzt zu Melinda?"

Jörg wusste nicht so genau, was er sagen sollte. Er kannte Tom seit der Grundausbildung, aber sie hatten nie viel miteinander zu tun gehabt. Andererseits hatten sie etwas Gemeinsames: sie hatten beide viel Zeit mit der DDR-Agentin verbracht, wenn auch unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen.

Er gab sich einen Ruck und offenbarte Tom sein Gefühlschaos:

„Am liebsten würde ich Dich rausschicken, mich ins Bett legen und nicht mehr aufstehen. Ich liebe sie, und ich dachte, sie findet mich auch nicht so schlecht. Dass sie sich nur mit mir abgegeben hat, um was über Dich rauszukriegen, das macht mich fertig."

Tom legte ihm tröstend den Arm auf die Schulter und sagte:

„So ist es aber nicht."

„Was meinst Du?"

„Wir, also Melinda und ich, haben gestern stundenlang im Auto gesessen und geredet. Ziemlich offen am Ende. Sie liebt Dich auch. Ich soll Dir das hier geben."

Jörg nahm den fliederfarbenen Umschlag zögerlich in die Hand und fragte überflüssigerweise:

„Ist der von ihr?"

„Von wem wohl sonst?"

Jörg zögerte immer noch. Tom ermunterte ihn:

„Ich würd ihn aufmachen. Dann kannst Du besser sehen, was drin ist, weißt Du?"

Jörg gab sich einen weiteren Ruck und riss den Umschlag auf. Mit großen Augen fächerte er die Geldscheine auseinander - zehn Fünfhunderter. Dann entfaltete er das einzelne Blatt, las die wenigen Zeilen und fragte Tom:

„Hast Du das gewusst?"

„Dass da Geld drin ist, ja. Was in dem Brief steht, nein."

„Sie schreibt, sie meldet sich, wenn sie in San Francisco ist. Ich soll sie besuchen. Das Geld ist für den Flug. Sie macht ihre Boutique auf, und ich könnte da studieren. Wir könnten ausprobieren, ob wir zusammenpassen."

„Ungefähr so hat sie mir das auch gesagt," bestätigte Tom.

Jörg steckte die Scheine und den Brief gedankenversunken zurück in den Umschlag. War das jetzt Traum oder Wirklichkeit?

„Glaubst Du, die meint das ernst?"

„Würde sie Dir sonst so viel Geld schenken?"

Jörg starrte die Wand an. Dieses Wechselbad der Gefühle war gerade etwas zu viel für ihn. Tom sah eine einzelne Träne seine Wange hinunterlaufen und nahm ihn in den Arm. Jörg lehnte sich an seine Schulter und fing an zu weinen.

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür.

„Oh, sorry, wollte nur mein Feuerzeug holen," stammelte Gerald Fischer. Ausgerechnet Björn hatte freie Sicht auf das Bett. Er stieß Nikos mit dem Ellenbogen an:

„Ich würd mir jetzt doch ein, zwei Gedanken machen."

„Ich nicht. Wahrscheinlich hat Tom ihm gesagt, dass er doch mal mit Melinda geschlafen hat, und jetzt muss er ihn trösten."

Björn wunderte sich:

„Wie, das verstehe ich nicht. Ich denke, der ist schwul."

„Anscheinend nicht, oder?" grinste Nikos. „Tom hat die ganz große Auswahl. Ich übrigens auch."

Die richtigen Leute Band 10: Land der Oliven und ZitronenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt